Wunschkatalog Stellenanzeige:"Es gibt diese Bewerber gar nicht"

Wie man versteckte Botschaften in Jobinseraten versteht - und wann sich eine Bewerbung lohnt.

Manche Job-Inserate geben dem Leser Rätsel auf. Sie fordern viel und erklären wenig. Woran das liegt, weiß Stefan Wolf, Geschäftsführer des Personaldienstleisters TMP in Wiesbaden. In seinen Workshops lernen Personaler, wie sie Annoncen verständlich und ansprechend formulieren.

SZ: Woran liegt es, dass Stellenanzeigen oft so kryptisch klingen?

Wolf: Im ungünstigsten Fall bedeutet es, dass auch im Unternehmen keine Klarheit über die ausgeschriebene Position herrscht. Das kann für den Bewerber unangenehm werden. Oft wird nicht unterschieden zwischen Aufgaben und Anforderung. Ein Sammelsurium von Tätigkeiten ergibt jedoch noch kein Gesamtbild eines Jobs. Viel Schindluder wird auch mit dem Wort "verantwortlich" getrieben. Mal bedeutet es, dass der Bewerber wirklich die Verantwortung für einen Arbeitsbereich trägt, mal soll er einfach nur seine Sache erledigen.

SZ: Woran merkt man, dass man sich nicht unter Wert verkauft?

Wolf: Man muss auf die Priorisierung achten. Oft wird eine Qualifikation verlangt, dann aber im Nachhinein ein Nebentürchen unverhältnismäßig weit geöffnet. Zum Beispiel: Man sucht einen Mitarbeiter "mit Hochschulabschluss oder entsprechender Berufsausbildung". Da muss sich der Bewerber fragen: Wie werde ich da einsortiert, wenn ich - ein Akademiker - diesen Job genauso gut ohne Hochschulabschluss machen kann?

SZ: Muss ein Bewerber alle Anforderungen, die in der Anzeige aufgeführt sind, zu hundert Prozent erfüllen?

Wolf: Nein. Schon deshalb nicht, weil die Personaler beim Formulieren der Anforderungen gern ihren Wunschkandidaten vor Augen haben. Und oft verlangen sie mehr, als die Stelle überhaupt verträgt.

SZ: Gilt ein Bewerber, der die geforderten Qualifikationen gar nicht mitbringt, denn nicht schnell als dreist?

Wolf: Es ist ein Unterschied, ob jemand nicht im entferntesten zu einer Stelle passt - oder ob er nur einige Anforderungen nicht erfüllt. Jedes Unternehmen kann zufrieden sein, wenn seine Bewerber 80 Prozent der geforderten Qualifikationen mitbringen. Denn es gibt diese Leute gar nicht, die in vielen Annoncen beschrieben werden. Allerdings werden Stellenanzeigen mit übertriebenen Maximalforderungen schon seltener, seit sich die Marktlage in manchen Bereichen verändert hat. Da haben die Unternehmen gar keine große Auswahl mehr.

SZ: Welche Fehler machen Unternehmen noch beim Formulieren?

Wolf: Das Wichtigste: Sie versetzen sich nicht in die Lage des Bewerbers. Stattdessen verwenden sie Insider-Begriffe und setzen Wissen voraus, das der Leser gar nicht haben kann. Doch welcher Bewerber reagiert schon auf eine Anzeige, die ihm schleierhaft ist? Ein anderer Fehler: Unternehmen neigen dazu, sich selbst zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Sie wollen in der Anzeige möglichst viele tolle Daten und Zahlen unterbringen. Dabei will der Bewerber etwas über seine Aufgabe und die Umgebung erfahren. Eine Anzeige ist gut, wenn sie den Kandidaten ganz nah an seinen künftigen Arbeitsplatz führt.

SZ: Andererseits werden Image-Anzeigen immer wichtiger, in denen das Unternehmen ganz allgemein auf sich aufmerksam macht.

Wolf: Das stimmt. Aber Imagepflege bedeutet nicht, dass ich den Leser mit Fakten überfüttere, sondern dass ich Gefühle wecke. Auch für einen neuen Job entscheiden wir uns stark mit dem Bauch - der Kopf liefert anschließend nur die passende Begründung dazu.

(SZ vom 4.11.2006)

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