Wunsch nach reduzierter Arbeitszeit:Wenn doch bloß drei Tage Wochenende wäre

\"BÄRENRUHE\"

Unberührt von menschlichen Begriffen wie "Faulpelz" genießt der Malaienbär Chica im Kölner Zoo sein Leben. (Symbolbild)

(Foto: DPA/DPAWEB)

Weniger arbeiten, mehr leben - jeder zweite Berufstätige würde im Job gerne kürzertreten. Doch neben der Furcht vor finanziellen Einbußen steht vielen Teilzeitwilligen noch etwas anderes im Weg: ihr eigenes Ego.

Von Karin Janker

Mehr Freizeit - was könnte man dann nicht alles erledigen! Zeit für die Familie, um sich weiterzubilden, etwas für die Gesundheit zu tun, ein Hobby zu beginnen oder ein zweites Standbein aufzubauen. Eine lange Liste hatte sich Stefan Schmid im Kopf zurechtgelegt, bevor er die Klinke zum Chefbüro drückte, um seinem Vorgesetzten zu erklären, dass er künftig nur noch vier Tage pro Woche arbeiten möchte.

Weniger arbeiten, mehr leben: Viele Berufstätige würden gern einen Gang herunterschalten. "Downshifting" heißt das im Fachjargon. Doch der Ausstieg ist schwierig - nicht nur, wenn Chefs sich querstellen. Auch Arbeitnehmer müssen ihre eigenen Ansprüche überdenken, wenn sie auf eine Vier-Tage-Woche reduzieren wollen. Mehr Freizeit bedeutet weniger Gehalt. Die Folgen sind bis zur Rente zu spüren. Aber ein Tag weniger im Büro heißt auch: die Kinderbetreuung einen Tag weniger in Anspruch nehmen, Hunderte Kilometer weniger pendeln pro Jahr, nur vier Tage Kantinenessen, mehr Netto vom Brutto haben - und weniger Stress.

1930 prophezeite der britische Ökonom John Maynard Keynes, dass hundert Jahre später die Menschen nur noch 15 Stunden pro Woche arbeiten müssten. Wir nähern uns diesem Datum, unsere wöchentliche Arbeitszeit allerdings pendelt noch immer zwischen 35 und 40 Stunden.

Endlich Zeit für Sport

Doch nun bekommt die Vier-Tage-Woche erneut Unterstützung aus Großbritannien: John Ashton, Präsident der Faculty of Public Health, fordert die Abschaffung der Fünf-Tage-Woche. Sie verteile nicht nur Arbeit ungerecht, sondern gefährde die Gesundheit der Menschen. "Wir sollten uns in Richtung Vier-Tage-Woche bewegen," sagte Ashton dem Guardian, "denn wir haben in unserer Welt das Problem, dass ein Teil der Bevölkerung zu viel arbeitet, während ein anderer Teil arbeitslos ist."

Die Menschen könnten an dem zusätzlichen freien Tag ihr Leben genießen und nebenbei ihren Blutdruck senken, weil sie endlich Zeit für Sport hätten. Die Arbeitszeit in Großbritannien erreicht im Europa-Vergleich einen Spitzenwert, entsprechend groß ist das Interesse an mehr Freizeit: Laut einer aktuellen Umfrage unterstützen 57 Prozent der erwerbstätigen Briten die Idee einer Vier-Tage-Woche, 71 Prozent glauben, dass sie die Menschen glücklicher machen würde.

In Deutschland wünschen sich einer Studie des Familienministeriums zufolge drei Viertel der Männer und etwa die Hälfte der Frauen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Hierzulande gilt ein Recht auf Teilzeit für alle Mitarbeiter, die mindestens seit sechs Monaten im Unternehmen arbeiten, wenn dieses mehr als 15 Beschäftigte hat. Allerdings können Firmen Teilzeitanträge aus betrieblichen Gründen ablehnen. Zumindest rechtlich hat jemand, der einen Gang zurückschalten möchte, aber kaum Probleme.

Eitelkeit verleitet zum Gedanken, man sei unabkömmlich

Schwerer wiegen da oft finanzielle Überlegungen. Kommt man mit dem restlichen Gehalt über die Runden? Stefan Schmid, der in Wirklichkeit einen anderen Namen trägt, ließ sich davon nicht abschrecken: "Ich startete natürlich aus einer sehr bequemen Position: Von meinem reduzierten Gehalt konnte ich immer noch gut leben." Seine Rechnung: "Ich verliere 20 Prozent meines Gehalts, aber ich gewinne 50 Prozent mehr Freizeit."

Seinen Chef stellte er vor die Wahl: Vier-Tage-Woche oder Kündigung. Schmid arbeitete damals in einer Unternehmensberatung. "Mir war die Belastung zu viel, ich dachte: Ich bin jung, und das hier sind meine besten Jahre." Damals war er Anfang dreißig, in diesem Alter starten andere gerade ihren Aufstieg.

Ulrike Hellert, Direktorin des Instituts für Arbeit und Personal an der FOM-Hochschule, sieht die Vier-Tage-Woche eher als Option für etablierte Mitarbeiter, die Zeit für Kinder oder die Pflege von Verwandten brauchen, weniger für Berufseinsteiger. "Wer jung ist, ist meist noch sehr motiviert, will Erfahrungen sammeln und Neues kennenlernen", sagt Hellert. Sie plädiert dafür, die Arbeitszeit an die jeweilige Lebensphase und die individuelle Situation anzupassen. Firmen müssten mehrere flexible Arbeitszeitmodelle nebeneinander anbieten, um im Wettbewerb um Fachkräfte attraktiv zu bleiben.

In Deutschland ist Teilzeit oft die Zuverdiener-Option

Geradezu vorbildlich organisiert erscheint die Arbeitszeit in den Niederlanden: Dort arbeiten viele Menschen längst vier Tage pro Woche, entweder Montag bis Donnerstag oder Dienstag bis Freitag. Eltern können so an vier Tagen pro Woche ihr Kind selbst betreuen, wenn ein Elternteil montags und der andere freitags zu Hause bleibt.

In Deutschland dagegen ist Teilzeit bisher oft die Zuverdiener-Option: Einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge ging die Arbeitszeit der weiblichen Beschäftigten zwischen 1992 und 2012 von 34 auf 30,5 Stunden zurück, die der männlichen sank von 41,8 auf 39,8 Stunden. Vor allem Frauen wagen also den Schritt in die Teilzeit, während viele Männer an der Vollzeit festhalten. Die Kluft zwischen der Arbeitszeit der Geschlechter ist in Deutschland eine der größten in Europa.

In der Schweiz wirbt die Initiative "Teilzeitmann" für ein positives Image von Teilzeitkarrieren insbesondere bei männlichen Führungskräften. Felix Howald, Direktor der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz (IHZ), ist überzeugter "Teilzeitmann" und erinnert daran, dass es vor allem Eitelkeit sei, die zu dem Gedanken verleite, man sei unabkömmlich und müsse bei jedem Meeting präsent sein. Howald rät jedem, der auf eine Vier-Tage-Woche reduzieren möchte, sich gegen mögliche Bedenken des Chefs zu wappnen.

"Machen Sie deutlich, dass Sie nicht weniger arbeiten möchten, weil Sie unmotiviert sind." Aus eigener Erfahrung weiß er: "Teilzeitkräfte sind im Gegenteil oft motivierter."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: