"Work and Travel":Jobbend um die Welt

Sie haben ihr Abi oder Diplom in der Tasche und wollen weg von zu Hause: Wie sich junge Deutsche mehrere Monate ins Ausland fortmachen.

Michael Detering

Es gibt Berufe, die wohl nur die wenigsten als Traumjob bezeichnen würden: Erntehelfer und Restaurantaushilfe beispielsweise. Die einen müssen bereits früh morgens aus den Federn und krümmen den ganzen Tag in der prallen Sonne ihren Buckel, die anderen waschen bis spätabends schmutzige Teller.

Auswanderer, Arbeiten im Ausland

Mal locker, mal mühsam: Work&Travel-Reisende finden nicht überall sofort einen Job.

(Foto: Foto: photodisc)

Und dennoch: Einige junge Erwachsene reißen sich geradezu um diese Tätigkeiten. Zwar wollen sie diese Arbeit nicht ein Leben lang verrichten, und schon gar nicht beim Bauern oder Gastwirt um die Ecke - aber weit weg von der Heimat, beispielsweise in Australien, Neuseeland oder Südafrika, da sieht das schon ganz anders aus.

"Work & Travel", "Working Holiday" oder "Ferienarbeitsaufenthalt" nennt sich das, wovon sich vor allem frischgebackene Abiturienten Freiheit und Abenteuer versprechen. Sie wagen den großen Schritt und erkunden meist für ein Jahr lang ein fremdes Land. Oft ziehen sie dabei von Ort zu Ort, und um die Reisekasse aufzubessern, nehmen sie die verschiedensten Gelegenheitsjobs an.

Wer sich durch die zahlreichen Internetforen zum Thema klickt, findet ganz unterschiedliche Erfahrungsberichte. So schreibt eine Australien-Reisende unter dem Nickname "37", sie könne jeden, der auch nach "Down Under" will, zu diesem Schritt nur ermutigen. "Australien ist ein wundervolles Land." Bertram, der in Neuseeland war, meint, alles sei "total locker" gewesen und nichts finde sich leichter als Arbeit.

Es gibt aber auch Stimmen, die gar nicht begeistert klingen: "Ich habe mir das vor meiner Reise wesentlich einfacher vorgestellt", schreibt Corinna. Für sie seien die meisten angebotenen Jobs "mehr oder weniger Ausbeutung."

Schnell weg

Ganz einfach sind die Work&Travel-Programme tatsächlich nicht. Schon im vorhinein gibt es viel zu organisieren. Wobei es einen großen Unterschied macht, ob man innerhalb der Europäischen Union (EU) oder lieber nach Übersee verreisen möchte.

In der EU ist ein Auslandsjahr kein Problem. Jeder kann in jedes EU-Land einreisen und einen Arbeitsvertrag unterschreiben, ohne vorher eine Behörde um Erlaubnis gefragt zu haben. Wenn die Reise allerdings mehr als drei Monate dauern soll, muss eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt werden. In einigen der neu beigetretenen EU-Länder gibt es zudem gewisse Einschränkungen, was das Arbeiten anbelangt. Am besten man erkundigt sich bei der Botschaft des Wunschlandes über die genauen Bestimmungen.

Das gilt ganz besonders für all diejenigen, die es nach Übersee zieht. Länder wie Australien, Japan, Neuseeland, die USA und Kanada bieten inzwischen spezielle Visa für "Work & Travel"-Touristen an. Oft gibt es sie aber nur in begrenzter Anzahl. Da die Eintrittskarten für die entfernten Weltregionen heiß begehrt sind, gilt es möglichst früh ein solches Visum zu beantragen.

Vor allem Kanada-Fans sollten schnell sein: Vom 1. Dezember an nimmt die Botschaft Anträge für ein "Working Holiday" im nächsten Jahr an, und erfahrungsgemäß sind oft schon nach wenigen Wochen alle Visa vergeben.

Jobbend um die Welt

An eine Einreiseerlaubnis sind immer bestimmte Voraussetzungen geknüpft. So müssen die Bewerber in der Regel zwischen 18 und 30 Jahre alt sein und einen bestimmten Geldbetrag nachweisen. Damit wollen die Behörden sicherstellen, dass die Neuankömmlinge für eine bestimmte Anfangszeit auch ohne Job über die Runden kommen. In Japan sind dies beispielsweise rund 2000 Euro. Zusätzlich müssen die Antragsteller oft bereits die Rückflugtickets besitzen. Bevor es also zum Geldverdienen ins Ausland geht, muss zunächst einmal ein ordentliches Sümmchen als Startkapital vorhanden sein.

Wo gibt es Arbeit, wo ein Bett?

Nicht in jedem Land genießen die ausländischen Gäste dieselben Freiheiten. Gerade im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" gibt es einige Einschränkungen: Die US-Behörden erlauben den Reisenden nur im Sommer und auch nur maximal für vier Monate zu arbeiten. Andere Länder wiederum schreiben vor, dass die Langzeitgäste nur maximal drei Monate in einem Betrieb tätig sein dürfen, danach müssen sie sich eine neue Stelle suchen. Gute Nachricht für Neuseeland-Freunde: Die Regierung hat diese Regelung vor wenigen Wochen aufgehoben. Weniger reisefreudige Gäste können nun also während ihres ganzen Aufenthalts bei ein und derselben Firma arbeiten.

Ist der bürokratische Dschungel erst einmal gelichtet und sind alle notwendigen Formulare unterschrieben, kann es losgehen. Oder auch nicht: Einige Fragen stellen sich dann nämlich doch noch: Wo will man seine Tour überhaupt beginnen? Wo kann man übernachten? Und wo findet man einen Job?

Wer sich von einer Organisation wie Step In oder TravelWorks betreuen lässt, findet darauf schnell Antworten. Dort gibt es Experten, die gegen Geld bei allen nur möglichen Problemen mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Surfen hilft

In Zeiten des Internets lassen sich die nötigen Informationen aber auch selber organisieren. Das berichten auf jeden Fall Reisende und Rückkehrer in den zahlreichen Foren, die es zum Thema "Work & Travel" gibt. So lässt sich so mancher Euro sparen, die Planung auf eigene Faust kostet dafür aber viel Zeit - und manchmal auch einiges an Nerven.

Egal, ob selbstorganisiert oder von erfahrenen Spezialisten betreut: Während sich Zielort und eine erste Unterkunft noch leicht von Deutschland aus finden lassen, ist das bei den Jobs schon schwieriger. Diese Erfahrung hat auf jeden Fall Kai Brach bei seiner einjährigen "Work & Travel"-Tour durch Australien gemacht. "Einen Job schon von Deutschland aus zu finden ist nicht wirklich möglich. Die Jobs werden erst dann vergeben, wenn sich der Arbeitgeber einen Eindruck von der Person machen kann", erzählt Brach.

Jobbend um die Welt

Freie Stellen finden sich laut Brach am besten über das Internet oder indem man sich in Cafés und auf Farmen persönlich vorstellt. Er hat allerdings auch festgestellt, dass sich die Jobsuche je nach Saison und Ort ziemlich schwierig gestalten kann. "Man darf halt die Hoffnung nicht aufgeben, wenn man mal eine Woche lang sucht und nichts findet. Geduld und Ausdauer sind gefragt." Wichtig sei für die Betriebe vor allem Arbeitserfahrung. "Ob du einen Hauptschulabschluss oder ein 1,1-Abi hast, das interessiert hier keinen Mensch."

Seine Unterkünfte fand Brach mit dem Reiseführer Lonely Planet, den viele auch als die "Bibel für Rucksacktouristen" bezeichnen, mit Backpacker-Magazinen und im Gespräch mit anderen Rucksacktouristen.

Die Sorge, in der Ferne keine Freunde zu finden, ist eher unbegründet. Das war zumindest Brachs Erfahrung: "Wenn man will, kann man innerhalb von einer Woche eine DIN A4-Seite voller Kontakte erstellen. Geordnet nach dem Land der Herkunft - also von A wie Argentinien bis Z wie Zimbabwe."

Ausland im Lebenslauf

Und was sagen die Arbeitgeber zu so viel gelebter Globalisierung? Wer sich mehrere Monate, vielleicht sogar ein ganzes Jahr in einem fremden Land bewegt und sich fast nur mit Einheimischen unterhält, kann seine Sprachkenntnisse natürlich enorm verbessern. Auch neue kulturelle Erfahrungen zu machen ist nicht verkehrt. Andererseits stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, ein Auslandsstudium oder ein Auslandspraktikum zu machen, schließlich verrichten "Work & Travel"-Reisende keine besonders qualifizierten Jobs.

Wer nach dem Abitur noch nicht weiß, was er studieren soll oder welchen Ausbildungsweg er einschlagen will, für den kann ein solches Jahr durchaus sinnvoll sein. "Es kommt jedoch immer auf den gesamten Lebenslauf an", betont Rainer Schmidt-Rudloff, Experte für betriebliche Personalpolitik bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). So stelle sich beispielsweise die Frage, ob überhaupt weitere Sprachkenntnisse erworben werden. "Wenn ich schon für ein Austauschjahr in Frankreich oder den USA war, habe ich durch solch einen Reiseaufenthalt keinen Zusatznutzen."

Außerdem gibt Schmidt-Rudloff zu bedenken, dass sich die "ohnehin schon sehr langen Ausbildungszeiten in Deutschland" durch einen solchen Aufenthalt noch verlängern. Generell sei es wichtig, in einem späteren Bewerbungsgespräch "möglichst plausibel erklären zu können, warum genau das zu diesem Zeitpunkt die richtige Entscheidung war."

Kai Brach braucht sich darum keinen Kopf machen. Dass das "Work & Travel"-Jahr sinnvoll war, zeigt sein weiterer Lebenslauf: Brach studiert jetzt Tourismusmanagement - in Melbourne.

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