Süddeutsche Zeitung

Wohnungssuche:Benachteiligt

Laut Mikrozensus zahlen Menschen mit Migrations­hintergrund durchschnittlich höhere Mieten und verfügen über kleinere Wohnungen.

Von Ingrid Weidner

An die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin wenden sich häufig Menschen, die sich in unterschiedlichen Lebenssituationen diskriminiert fühlen. Viele der Anfragen beziehen sich auf die Wohnungssuche. Betroffene klagen, dass sie in Immobilienportalen Inserate finden, in denen Vermieter offen schreiben, dass sie "keine Moslems" als Mieter möchten oder "nur an Deutsche" vermieten.

Aber oft sind die Diskriminierungen subtiler, der Nachweis schwieriger. Mit sogenannten Testing-Studien lässt sich eine mögliche Benachteiligung nachweisen. Dabei bewerben sich zwei Personen mit fiktivem Lebenslauf, sichtbarer Religionszugehörigkeit und einem anderen kulturellen Hintergrund um eine Wohnung. Ruft jemand mit fremd klingendem Namen beim Vermieter an und hört, die Wohnung sei schon vergeben, meldet sich anschließend eine Person mit deutschem Namen und wird oft zur Besichtigung eingeladen. Auch im realen Leben lassen Wohnungssuchende manchmal Freunde für sich anrufen und Termine vereinbaren, um Vermieter kennenzulernen.

Laut Mikrozensus zahlen Menschen mit Migrationshintergrund durchschnittlich höhere Mieten und verfügen über kleinere Wohnungen. Beim Wohnungseigentum gibt es ähnliche Unterschiede. Eine Umfrage im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle zeigt, dass die Mehrheit (83 Prozent) der Befragten der Meinung ist, dass Diskriminierung bei der Wohnungssuche häufig vorkomme. Im Wohnungsmarkt zeige sich laut Studie rassistische Diskriminierung am deutlichsten. Allerdings bleibt unklar, ob sich die Antworten auf persönliche Erfahrungen stützen oder einen allgemeinen Eindruck wiedergeben.

Nach persönlichen Diskriminierungserfahrungen befragt, sagten 15 Prozent derjenigen, die in den vergangenen zehn Jahren eine Wohnung suchten, dass sie schlechte Erfahrungen gemacht hätten. Unter Zuwanderern, die eine Wohnung suchten, berichteten 35 Prozent von rassistischen Anfeindungen. Besonders unangenehm fallen danach private Vermieter auf, die nur eine oder wenige Wohnungen zu vermieten oder zu verkaufen hätten. Von ihnen fühlten sich die meisten diskriminiert. Aber auch Mitarbeiter privater Wohnungsunternehmen (22 Prozent) und Makler (13 Prozent) agierten häufig nicht vorurteilsfrei. 29 Prozent der Befragten hätten große oder sehr große Bedenken, wenn in die Nachbarwohnung oder das Haus nebenan eine Person einzieht, die nach Deutschland eingewandert ist.

Besser schneiden städtische Wohnungsunternehmen ab, wie eine Studie des Bundesverbands für Wohnen und Stadtentwicklung - vhw - ergab. Sie versorgten viele Menschen mit Wohnraum, doch auch hier ließe sich noch einiges verbessern. Auch deren Belegungspolitik sei undurchsichtig. Viele Zugewanderte wissen nicht, dass sie sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) berufen können. Das 2006 in Kraft getretene Gesetz verbietet jede Art von Diskriminierung, auch beim Zugang zu Wohnraum. In der Befragung der Antidiskriminierungsstelle kannten nur knapp die Hälfte das AGG. Die Studienautoren fordern deshalb mehr Aufklärung und Anlaufstellen für Betroffene.

Hierzulande arbeitet die Wohnungswirtschaft mit dem Leitbild der "gesunden Mischung". Gemeint sind damit sozial und ethnisch gemischte Quartiere, in denen Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Einkommen leben. Doch es gebe keine vernünftige Definition, was denn damit gemeint sei und ob eine "gesunde Mischung" wirklich stabilisierend wirke, kritisieren die Autorinnen der vhw-Studie. Sie bemängeln, dass dieses Leitbild gerade Zugewanderten die Wohnungssuche erschwere.

Kritisiert wird auch, dass Sachbearbeiter bei der Wohnungsvergabe große Entscheidungsspielräume hätten. Wohnungsunternehmen sollten sich stärker öffnen und interkulturelle Kompetenzen fördern, damit auch Migrantinnen und Migranten bessere Chancen hätten, eine Wohnung zu finden, so die Forderung der Wissenschaft. (Informationen: antidiskriminierungsstelle.de, vhw.de)

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Quelle:
SZ vom 09.12.2020
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