Der neue Mitarbeiter der Firma PTC Telecom in Wörthsee westlich von München hatte die Probezeit glänzend bestanden. Nun wollte er seine Frau und sein Kind aus Berlin nachholen. Doch nach zwei Monaten Suche hatte er immer noch keine Wohnung in Aussicht. "Jedes Mal hieß es von den Vermietern, sie hätten 80 bis 100 Bewerber", sagt Michael Padberg, Geschäftsführer des Telekommunikations- und IT-Unternehmens mit rund 60 Mitarbeitern. Der ausländische Familienname des neuen Kollegen sei vermutlich ein zusätzliches Hindernis gewesen.
"Wir haben jedenfalls gesagt: So geht es nicht weiter", erzählt Padberg. "Meine Assistentin und ich haben dann auch immer bei den Vermietern angerufen und gesagt, was für ein toller Mitarbeiter das ist. So hat er überhaupt mal Besichtigungstermine bekommen. Ich bin auch mehrmals mitgegangen, um persönlich mit den Vermietern zu reden." Diese Strategie hatte nach weiteren drei Monaten schließlich Erfolg, die Kleinfamilie fand eine Wohnung nahe Landsberg am Lech. "Hier im Ort ist sowieso nichts zu bekommen", sagt Padberg.
Jobwechsel:Karriere im Kaff
Kleinstädte haben ihr Flair - für viele Menschen kommen sie aber nur für Ausflüge in Frage, nicht als Arbeitsort. Wie Unternehmen sie vom Gegenteil überzeugen.
Der Wohnungsmangel in vielen Ballungsräumen wird auch für Unternehmen zum Problem, weil er die Suche nach knappen Fachkräften noch schwieriger macht. In München, wo Bewohner innenstadtnaher Viertel inzwischen 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben, wird das besonders sichtbar.
Laut dem Fachkräftemonitor der Industrie- und Handelskammern (IHK) fehlen in der Region derzeit etwa 71 000 Fachkräfte, in technischen Berufen sind ungefähr 15 Prozent der Stellen unbesetzt. "Wir hören immer öfter von Unternehmen, dass Bewerber, die schon zugesagt haben, die Stelle am Ende doch nicht annehmen, weil sie im Großraum München keine bezahlbare Wohnung gefunden haben", sagt Elfriede Kerschl, Referatsleiterin für Wirtschaftspolitik und Fachkräfte bei der IHK München und Oberbayern.
Firma gibt Annoncen auf - um Wohnungen für Mitarbeiter zu finden
Der Fotoservice Cewe München zahlt seinen Beschäftigten in der Produktion wegen der hohen Wohnkosten eine Prämie von 25 Prozent auf den Tariflohn. "Sonst stünde ich alleine hier", erklärt Geschäftsführer Stephan Reinhold. In Oldenburg, wo Cewe seinen Hauptsitz hat, bekommt man für den Mietpreis einer Münchner Einzimmerwohnung ein komfortables Einfamilienhaus. Cewe München hilft auch aktiv bei der Wohnungssuche, indem es Annoncen für die Mitarbeiter aufgibt. "Wir sind bei Vermietern aber nur so mittelbekannt", meint Reinhold. "Großunternehmen haben mit eigenen Anzeigen wahrscheinlich bessere Erfolgschancen."
In Stuttgart, Frankfurt oder Köln ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt nicht viel besser. In der aktuellen Standortumfrage der IHK Stuttgart, bei der 23 Standortfaktoren berücksichtigt wurden, gab die regionale Wirtschaft den Faktoren "Verfügbarkeit attraktiven Wohnraums" und "Mieten und Kaufpreise von Wohnungen und Häusern" die schlechtesten Noten von allen. Die IHK Berlin legte schon vor zwei Jahren ein Positionspapier vor, in dem der Bau von 20 000 neuen Wohnungen pro Jahr in der Hauptstadt gefordert wird.
Da trotzdem keine Besserung in Sicht ist, unterstützen Unternehmen ihre Mitarbeiter häufig direkt beim Thema Wohnen. Die Übernahme von Umzugskosten und Maklerprovision ist schon lange üblich. Seit einiger Zeit stellen Unternehmen zunehmend auch Wohnraum für die ersten Wochen bereit - vor allem, aber nicht nur für Auszubildende und neue Mitarbeiter aus dem Ausland.
Der Onlinehändler Zalando hat dazu in Berlin einen festen Bestand möblierter Wohnungen angemietet. Das Uniklinikum Freiburg, mit mehr als 11 000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber der Region, mietet Pensions- oder Hotelzimmer, damit neue Mitarbeiter von dort aus eine Wohnung suchen können. Denn auch die Schwesternwohnheime sind voll belegt. "Wir bekommen von außerhalb einfach kein Personal, wenn wir keinen Wohnraum zur Verfügung stellen können", sagt Klinikumssprecher Benjamin Waschow. Deshalb sollen nun 600 neue Personalwohnungen gebaut werden.
Arbeiten im Homeoffice:Das Vertrauensprinzip
Wenn Chefs ihren Mitarbeitern ermöglichen, von zu Hause zu arbeiten, entspannt sich nicht nur das Leben der Angestellten - es besteht auch die Chance, dass sie produktiver sind.
Einige Unternehmen beauftragen auch Spezialisten mit der Wohnungssuche. Früher kümmerten sich sogenannte Relocation Services vor allem um Führungskräfte internationaler Konzerne, die zwischen Deutschland und den Auslandsniederlassungen hin und her wechselten. Neben Wohnungssuche und Umzugsmanagement gehören An- und Abmeldungen bei Behörden, Schulen und Kindergärten zum Angebot dieser Dienstleister.
Der internationale Personalaustausch spiele aber inzwischen eine geringere Rolle für seine Branche, sagt Christoph Anders vom Hamburger Relocation Service Anders Consulting. Die Kundschaft sei vielfältiger geworden, die Nachfrage stark gestiegen. "Wir kümmern uns hauptsächlich um qualifizierte Fachkräfte wie Ingenieure oder Krankenschwestern, die aus dem Ausland angeworben werden", sagt er. "Es kommt aber auch vor, dass uns Unternehmen beauftragen, wenn ihre Mitarbeiter innerhalb Deutschlands umziehen."
Start-ups stellen Mitarbeiter ein, die sich nur um Wohnungen kümmern
Mehr als ein Drittel der Aufträge von Anders komme inzwischen von Privatpersonen. "Oft sind das Leute, die aus beruflichen Gründen die Stadt wechseln und dafür eine Umzugspauschale vom Arbeitgeber erhalten", sagt der Berater. "Vor fünf Jahren haben viele das Geld in ein Sofa oder einen neuen Fernseher gesteckt, heute brauchen sie es für die Wohnungssuche." Christoph Anders berät seine Kunden zum Thema Wohngegend, stellt mit ihnen die Bewerbungsmappe für Vermieter zusammen und begleitet sie bei den Besichtigungen.
Eine wichtige Kundengruppe für Relocation Services sind Start-ups, weil sie rasch wachsen und meist einen hohen Anteil ausländischer Mitarbeiter haben. Die Buchungsplattform "Get Your Guide" beispielsweise vermittelt die Dienstleistung für alle technischen Fachkräfte und Führungskräfte, die aus dem Ausland, aber auch aus anderen deutschen Städten nach Berlin wechseln.
Andere Start-ups hätten sogar eigenes Personal eingestellt, um Neuzugängen bei der Wohnungssuche zu helfen, sagt Paul Wolter vom Bundesverband Deutsche Start-ups. "Aber der Wohnungsmarkt ist so angespannt - da kommt es auch schon mal vor, dass neue Mitarbeiter die ersten Wochen im Büro schlafen müssen."