Wohnen im Studium:In der WG mit Oma

Arbeit gegen Quadratmeter - das ist der Deal. Senioren und Familien vermieten Studenten für wenig Geld ein Zimmer. Dafür helfen diese im Haushalt. Das klingt gut, ist aber nicht für jeden etwas.

Camilla Bacmeister ist fürs Studium von Kaiserslautern nach Freiburg umgezogen. Doch die Zimmersuche war schwieriger als gedacht: Denn in den meisten Uni-Städten ist bezahlbarer Wohnraum rar. "Aber es gibt viele Senioren, die allein in großen Wohnungen leben und etwas Hilfe oder Gesellschaft gebrauchen können", sagt Renate Heyberger vom Studentenwerk Freiburg. Und so bezog die Medizinstudentin Bacmeister vor kurzem ein 30 Quadratmeter großes Zimmer in der Wohnung einer 88 Jahre alten Frau - für etwas mehr als 100 Euro im Monat und für ein Mittagessen.

Oma sucht Studenten: Zimmer für 100 Euro und ein Mittagessen

Wohnen mit Senioren. Ein Tauschgeschäft, bei dem die Faustregel gilt: Ein Quadratmeter Wohnraum für eine Stunde Arbeit, Nebenkosten fallen extra an.

(Foto: dpa)

Das Projekt "Wohnen für Hilfe" des Studentenwerks Freiburg bringt Studenten und allein lebende Senioren zusammen. Rund 250 Wohnpartnerschaften sind es bislang - und die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem. Projekte dieser Art gibt es auch in 13 weiteren deutschen Städten sowie in vielen anderen Ländern wie der Schweiz, Österreich, Frankreich, Großbritannien und den USA. Zu welchen Konditionen die Studierenden bei den Wohnpartnern unterkommen und was für Hilfe sie dort leisten, wird laut Heyberger individuell vereinbart.

Meist ist das etwas Hilfe im Haushalt, zum Beispiel Kochen, Einkaufen, Staubsaugen oder Gartenarbeit. Die Mietkosten für die Unterkunft variieren von der Beteiligung an den Nebenkosten bis zu höheren Kosten. Abhängig ist das auch von der Größe des Zimmers, manchmal stellen Wohnpartner sogar Einliegerwohnungen zur Verfügung.

Camilla Bacmeister beteiligt sich anteilig an den Nebenkosten, darüber hinaus kocht sie fast täglich ein Mittagessen für sich und ihre Vermieterin und hilft im Haushalt. Natürlich reden die beiden auch - für die junge Frau ist das auch ein Anreiz: "Sie hat viel zu erzählen", sagt Bacmeister über ihre Vermieterin. "Das ist schon eine besondere Erfahrung, auf diese Art zu wohnen."

Der Studentin kommt für das Zusammenleben auch zu Gute, dass sie vor dem Studium schon Erfahrung in einem Freiwilligen Sozialen Jahr gesammelt hat. Die Mitarbeit der Studenten im Haushalt soll aber nicht ausgebeutet werden. "Wohnen für Hilfe ist auch in erster Linie ein soziales Projekt", sagt Henning Knapheide vom Bürgerinstitut in Frankfurt. "Wer darin einen Nebenjob sieht oder auf eine preiswerte Hilfskraft hofft, ist fehl am Platz."

Eine Stunde Arbeit für einen Quadratmeter Wohnfläche

Um Senioren allzu häufige Mieterwechsel zu ersparen, müssen sich die Studenten oder Auszubildenden des Frankfurter Projektes "Wohnen für Hilfe" verpflichten, mindestens zwei Semester in der ungewöhnlichen Wohngemeinschaft zu bleiben, sagt Henning Knapheide vom Bürgerinstitut Frankfurt am Main. "Das gilt allerdings nicht, wenn sich die Wohnparteien nicht miteinander verstehen." Durchschnittlich blieben die Studenten aber zwei, drei Jahre in derselben Unterkunft.

Wichtige Voraussetzung sind Interesse und Toleranz für die jeweils andere Generation auf beiden Seiten. Die jungen Mieter müssen außerdem mindestens 18 Jahre alt sein. In den meisten Städten können auch Familien und Berufstätige Wohnpartner für Studenten werden. "Manche wünschen sich Nachhilfe für ihre Kinder", berichtet Heyberger. "Auch haben wir alleinstehende Geschäftsfrauen im Projekt, die viel unterwegs sind und beispielsweise ihre Katze während dieser Zeit gut versorgt wissen wollen."

Wer sich dafür interessiert, sollte sich frühzeitig vor Semesterbeginn informieren, ob es am Studienort ein solches Projekt gibt. In vielen Fällen muss zunächst im Internet ein Fragebogen mit detaillierten Angaben zur Person ausgefüllt werden. Bevor ein Vertrag aufgesetzt wird, gibt es aber immer noch ein persönliches Gespräch zwischen den Parteien und dem Vermittler, erklärt Knapheide. Schließlich sollen sich beide Seiten auch beschnuppern können. Verstehen sich Vermieter und Student, wird ein Vertrag geschlossen, in dem Pflichten und Rechte beider Seiten festgehalten werden.

In der Regel gilt hierbei: Eine Stunde Arbeit im Monat pro Quadratmeter Wohnfläche. Für die Freiburger Studentin Bacmeister bedeutet das 30 Stunden Hilfe im Monat - das ist rund eine Stunde täglich. Doch die Mietexperten warnen: Wohnen-für-Hilfe ist ein Konzept, das nicht zu jedem passt. "Natürlich ist das Leben ein anderes, wenn man bei einem Senioren lebt statt in einer klassischen Studenten-WG", sagt Heyberger. Partys oder auch nur gemütliches Zusammensein bei Rotwein in der Küche bis in die frühen Morgenstunden finden da wohl eher nicht statt.

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