Wissenschaftliche Plagiate:Verblüffend ähnlich

Ein peinliches Plagiat beschäftigt die Universität Wuppertal. Ein Student entdeckte es im Internet, doch die Hochschule zögert, etwas zu unternehmen.

Hermann Horstkotte

Beim Googeln suchte Peter T., ein Student mit großen Träumen, einfach mal unter der Formulierung: den "Namen mit einem Doktortitel zieren". Da fand er auf den Internetseiten des Fachgebiets Produktsicherheit und Qualitätswesen der Universität Wuppertal einen "Kleinen Ratgeber zum wissenschaftlichen Arbeiten" - sowie einen verblüffend ähnlichen, älteren Beitrag von Martin Drees, Deutschlands wohl erfolgreichstem "Promotionsberater" und liebsten Feind vieler Professoren. Als die SZ den Uni-Rektor Volker Ronge im Oktober auf die mögliche Abschreiberei seiner Mitarbeiterin Petra H. hinwies, wurde der kleine Ratgeber sang- und klanglos von den Seiten entfernt.

Was die Uni-Autorin über Seiten nicht in ganzen Sätzen von Drees kopierte, hatte sie zum Beispiel im Stenogramm-Stil übernommen: "Dissertationsdrucke bis 1800: Quartformat, Umfang bis 30 Seiten, verfasst in lateinischer Sprache". In der Vorlage heißt es: "Die Mehrzahl der vor 1800 gedruckten Dissertationen hat ein Quartformat und einen Umfang von meist weniger als 30 Seiten. Fast alle Dissertationen aus dieser Zeit sind in lateinischer Sprache verfasst." Solche "scheinbar indirekten Zitate" zählt die Ratgeberin, ohne sich an die eigene Nase zu fassen, zu den "Unarten wissenschaftlichen Schreibens" und nennt das "eine Form des Plagiats". Gegen ihre eigenen Zitierregeln hat sie auch Auslassungen nicht durchmarkiert und eigene Erläuterungen nicht in eckige Klammern gesetzt.

Falsche Fährte gelegt

Ohne die Hilfe einer Internet-Suchmaschine wäre die Abschreiberei kaum herausgekommen. Denn Petra H. hat alles getan, um eine falsche Fährte zu legen. Bei einem einzigen korrekten Drees-Zitat verweist sie nämlich statt aufs Internet auf einen heute kaum mehr greifbaren Ausstellungskatalog aus dem Jahre 1995 über "Historische Dissertationen" - mit einem kleinen Flüchtigkeitsfehler, der schon Drees in der Internetversion passiert war, nämlich dem falsch geschriebenen Verlagsort "Bergisch Glabach". Auch die Eingangsfloskel vom zierenden Doktortitel kommt erst in der elektronischen Quelle vor.

Mittlerweile hat der Ombudsmann für wissenschaftliches Fehlverhalten den Fall an seiner Hochschule als schwer genug empfunden, um ihn in einem weiteren Verfahrensschritt an eine Untersuchungskommission weiterzuleiten. Die ist zwar satzungsgemäß schon lange vorgesehen, wurde aber überhaupt erst Ende Oktober wegen des akuten Falles gebildet. "Bisher brauchten wir sie ja noch nicht", sagt Uni-Sprecher Michael Kroemer. Ob die Kommission aber jetzt unbedingt nötig ist, darf bezweifelt werden. Der Uni-Rektor bestätigt, dass er als Dienstvorgesetzter gegen die Mitarbeiterin gleich disziplinarrechtlich ermitteln könnte. Das tut er aber nicht, sondern lässt (wie Amtskollegen bundesweit) erst einmal alles über ein rechtlich unmaßgebliches Prüfverfahren unter Kollegen laufen. Und das kann dauern.

Der Student Peter T. wundert sich: "Wenn einer wie ich so abschreiben würde, ob dann auch wegen unsereinem eine Ehrenkommission tagt?"

Martin Drees, das Plagiatsopfer, amüsiert sich derweil köstlich. Er schlägt allen Hochschullehrern vor, eine Exzellenzinitiative "Abschreiben vom Besten" zu starten. Und für den Besten hält er natürlich sich selber.

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