Süddeutsche Zeitung

Wissenschaftler über Plagiatsvorwürfe:Dr. strg. c. Guttenberg

"Andere werden wegen viel kleinerer Vergehen bestraft": Vertreter der Wissenschaft reagieren empört auf Guttenbergs Plagiate. Auch wenn er auf seinen Titel verzichtet - die Gelehrten fordern Konsequenzen.

Alex Rühle

Für den Spott muss er nicht mehr sorgen. Allein auf Facebook gibt es zahlreiche Seiten, auf denen Karl-Theodor zu Guttenbergs Doktorarbeit höhnisch verhandelt wird, erinnert sei an "Karl-Theodor Xerox zu Googleberg-Guttenberg", "Guttenberg hat einen Doktor? Dann will ich auch einen!" oder "Dr. strg. c. Guttenberg". Auf einer der Seiten wird gewitzelt, Guttenberg habe sich anscheinend nie beim Bayreuther Graduiertenkolleg der Juristen beraten lassen. Das kümmert sich ausschließlich um "Geistiges Eigentum und Urheberrecht". Inzwischen hat Guttenberg selbst Konsequenzen gezogen: Er verzichtet auf seinen Doktortitel.

An den Universitäten sind die meisten Professoren entsetzt über den Verlauf der Diskussion. Viele wollen sich nicht öffentlich äußern, um sich nicht den Vorwurf der Vorverurteilung zuzuziehen. Hinter vorgehaltener Hand aber sagen sie alle, wenn diese Promotion nicht aberkannt werde, leide die Wissenschaft in Deutschland einen irreparablen Schaden. Schließlich könne dann jeder noch so dreiste Plagiator, dem seine Dozenten auf die Schliche kommen, auf Guttenbergs Arbeit verweisen. Und alle Promovenden, die tatsächlich das tun, was Guttenberg behauptet hat, nämlich jahrelang mit ihrer Arbeit kämpfen, kämen sich verschaukelt vor.

Der Strafrechtler Otto Backes von der Uni Bielefeld hebt auf diesen Punkt ab, wenn er sagt, kein Professor könne in Zukunft seinen Studenten mit der Autorität des Notengebers gegenübertreten, "wenn jeder ab sofort auf das Guttenberg-Privileg verweist". Guttenberg, da bestehe für ihn angesichts der vielen Zitatfunde kein Zweifel, habe bewusst getäuscht. Zumal sein Statement vom Freitag erkennen lasse, dass er vorher nochmal die Statuten der Universität Bayreuth gelesen habe, "da steht nämlich wörtlich drin, dass man bei bewusster Täuschung die Promotion aberkannt bekommt. Genau die Formulierung von der bewussten Täuschung hat er dann vor den Kameras verwendet."

Der emeritierte Rechtswissenschaftler Uwe Wesel sagt, es sei "völlig undenkbar", dass man Guttenberg die Promotion nicht aberkenne. "Andere werden wegen viel kleinerer Vergehen bestraft." Die Sache habe aber auch ihr Gutes: "Die plumpe Dreistigkeit und der Umfang der kopierten Stellen werden dazu führen, dass in Zukunft strenger kontrolliert wird."

Ganz ähnlich äußert sich der Germanistikprofessor Stefan Opitz, wenn er sagt, der Skandal müsse Folgen haben für das Promotionsverfahren: "Wir brauchen eine eidesstattliche Versicherung des Promovenden und ein echtes Rigorosum als mündlichen Abschluss eines Promotionsverfahrens."

Dass hier ein Germanist zitiert wird, ist kein Zufall, denn mittlerweile sorgen sich die deutschen Professoren fächerübergreifend um die Folgen der Plagiatsaffäre. So schreibt der Germanistikprofessor Robert Stockhammer von der Ludwig-Maximilians-Universität München in einem offenen Brief an den bayerischen Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch, in der Öffentlichkeit werde "zunehmend der Eindruck hergestellt, es handle sich hier um eine parteipolitische Debatte. Leider vertreten manche Politiker dabei die Position, es habe sich bei dem Verhalten des Promovenden um ein Kavaliersdelikt wie Falschparken gehandelt, das im Wissenschaftsbetrieb allerorten üblich sei, so dass der spezielle Fall nur aufgedeckt worden sei, um eine ,Schmutzkampagne' oder gar einen ,politisch motivierten Angriff von ganz Linksaußen' gegen einen Regierungspolitiker zu führen."

Stockhammer und seine Mitunterzeichner wollen weiterhin in der Lage sein, mit "großer Strenge die Standards wissenschaftlichen Arbeitens nicht nur selbst einzuhalten, sondern sie auch unseren Studierenden zu vermitteln". Diese Arbeit werde erschwert, wenn der Eindruck verbreitet werde, Plagiate im Wissenschaftsbetrieb seien üblich "und würden nur ausnahmsweise von Linksradikalen" aufgedeckt.

Beruhigend ist, dass viele Professoren durch die Causa Guttenberg an Plagiatsfälle aus ihren eigenen Promovendenreihen erinnert werden, die allesamt vor der Erfindung des Internets und der Copy-Paste-Kultur stattfanden.

Wesel lacht: "Der Mensch ist durch das Netz nicht schlechter geworden, man findet seine Schlechtigkeit nur schneller heraus."

Karl-Heinz Hoffmann, der Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, sagt, er sei überzeugt, dass man sich "an der Universität Bayreuth diese Arbeit jetzt genau anschaut. Peter Häberle wird alles tun, um die Sache aufzuklären." Auf die Nachfrage, ob Häberle, der Bayreuther Staatsrechtler, bei dem Guttenberg promovierte, das aus Selbstschutz tue, sagte Hoffmann, "ja, auch das". Mit Häberle, der Guttenbergs Arbeit mit summa cum laude benotet hatte, haben alle Gesprächspartner beinahe Mitleid. Uwe Wesel hält Häberle für einen der brillantesten Juristen des Landes. "Die ganz Großen sind eben oft etwas großzügig. Und einer wie Häberle kommt doch nicht im Traum darauf, dass ihm jemand einen komplett abgekupferten Text vorlegt."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1063082
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.02.2011/holz
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.