Süddeutsche Zeitung

Interview am Morgen: Mütter im Job:"Man kann ruhig mal was verschweigen"

Nach der Elternzeit gerät für viele Frauen die Karriere ins Stocken. Wie Mütter den Anschluss nicht verlieren, erklärt Wiedereinstiegsberaterin Marion Feigt.

Interview von Julia Hippert

An diesem Montag ist der "Tag der berufstätigen Elten". Gerade für Frauen sind Kinder ein Karriereeinschnitt. Es reduzieren deutlich mehr Mütter als Väter ihre Arbeitszeit, was gerade für höher gebildete Frauen mit einem Einkommensverlust von bis zu 24 Prozent einhergeht, wie die gewerkschaftnahe Hans-Böckler-Stiftung herausfand. Marion Feigt ist Beauftragte für Chancengleichheit bei der Bundesagentur für Arbeit in München. Sie unterstützt Mütter, die nach Erziehungszeiten wieder in den Beruf einsteigen wollen.

SZ: Frau Feigt, mit welchen Problemen kommen Mütter zu Ihnen, die zurück in den Job wollen?

Marion Feigt: Das größte Problem in den meisten Fällen ist die Kinderbetreuung. Oft passen die Kita-Zeiten nicht zu den Arbeitszeiten. Das drängt Mütter in die Teilzeit. In Extremfällen müssen sie eine neue Stelle suchen, weil der Wiedereinstieg beim alten Arbeitgeber so nicht klappt. Wer eine Zeit lang raus war, muss seine Kenntnisse erst einmal auf den neuesten Stand bringen. Wer eine längere Auszeit aus dem Arbeitsleben genommen hat, dem fehlen oft die Qualifikationen, um auf die alte Stelle zurückzukehren.

Was könnte man dagegen tun?

Viele Arbeitgeber bieten ihren Mitarbeitern an, auch während der Elternzeit an Weiterbildungen teilzunehmen. Diese Möglichkeiten sollten Mütter unbedingt nutzen. Dadurch zeigen sie Interesse, bleiben im Kontakt mit ihrer Firma und halten sich auf dem Stand der Dinge. Das ist ein Riesenvorteil beim Wiedereinstieg. Männer können ihre Partnerin unterstützen. Wenn mehr Väter Erziehungszeiten nehmen würden, könnten Frauen bei den Arbeitszeiten flexibler sein und so auf ihre Arbeitgeber zugehen. Vielleich lassen sich mit dem Arbeitgeber auch Homeoffice-Möglichkeiten vereinbaren.

Interview am Morgen

Diese Interview-Reihe widmet sich aktuellen Themen und erscheint von Montag bis Freitag spätestens um 7.30 Uhr auf SZ.de. Alle Interviews hier.

Nicht alle Arbeitgeber sind begeistert, wenn man ihnen vorschlägt, von zu Hause zu arbeiten. Wie kann man dem Chef das Homeoffice schmackhaft machen?

Man muss ja das Homeoffice nicht von Anfang an einführen. Die ersten Wochen nach der Elternzeit sollte man im Büro oder im Betrieb schon präsent sein - bis man sich wieder gut eingearbeitet hat. So kann auch ein gewisses Vertrauensverhältnis hergestellt werden. Für die Tage im Homeoffice können dann konkrete Ziele mit dem Arbeitgeber vereinbart werden. Das gibt ihm die Sicherheit, dass die Arbeit wirklich zuverlässig erledigt wird.

Kann die Arbeit im Homeoffice der Karriere schaden?

Wenn man viel von zu Hause aus arbeitet, ist man schnell aus dem Team raus. Die Gefahr ist nicht zu unterschätzen. Man sollte daher auf bestimmte Präsenz-Zeiten achten und zu wichtigen Besprechungen anwesend zu sein.

Wenn ich nach der Elternzeit nicht beim alten Arbeitgeber anfangen kann und eine neue Stelle suchen muss: Erwähne ich in der Bewerbung, dass ich ein kleines Kind habe?

Auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort. Meine persönliche Einstellung ist: Wenn Sie Familie und Kinder haben, gibt es keinen Grund, das zu verschweigen. Als Mutter erwerben Sie schließlich auch Kompetenzen, die für den Job wichtig sein können.

Zum Beispiel?

Teamfähigkeit, Belastbarkeit und Organisationsfähigkeit. Viele Frauen neigen dazu, sich und ihre Fähigkeiten klein zu machen. Sie sagen: "Ich war zwei bis drei Jahre zu Hause und haben 'nur' ehrenamtlich den Schriftverkehr im Sportverein gemacht." Aber das sind durchaus nicht zu unterschätzende Softskills.

Tipps zum Wiedereinstieg

Wie bekomme ich flexible Arbeitszeiten? Was, wenn mein Chef Sorgen hat? Antworten auf viele Frage rund um den Wiedereinstieg liefert die kostenlose Broschüre "So sag ich's meinem Vorgesetzten" vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Wie formuliert man es in einer Bewerbung am besten, wenn man gerne Teilzeit arbeiten würde?

"Vollzeitnah" ist so ein Wort. In manchen Tarifverträgen sind 35 Stunden Vollzeit. Vollzeitnah kann also zwischen 30 und 35 Stunden liegen. Das kling für viele Arbeitgeber attraktiver als "Teilzeit" oder eine "halbe Stelle".

Kann man sich auf eine Vollzeitstelle bewerben, auch wenn man gar nicht Vollzeit arbeiten möchte?

Wenn man bereit ist, 30 Stunden zu arbeiten, kann man sich ruhig auch auf eine 40-Stunden-Stelle bewerben. Zuerst geht es ja darum, es ins Bewerbungsgespräch zu schaffen. Man darf ruhig mal was verschweigen, damit das klappt. In den meisten Fällen gibt es ja auch eine vertraglich festgelegte Probezeit von sechs Monaten. Vielleicht beißen Sie erst einmal in den sauren Apfel und arbeiten Vollzeit und stellen einen Antrag auf Teilzeit erst, wenn Ihre Position im Unternehmen gesichert ist. Jeder Arbeitnehmer hat grundsätzlich ein Recht auf Teilzeit. Die Firma darf den Teilzeitantrag nur ablehnen, wenn wichtige betriebliche Gründe dagegen sprechen.

Nehmen wir an, man hat es ins Bewerbungsgespräch geschafft. Plötzlich geht es aber nur noch um die Kinderbetreuung und gar nicht mehr um die Eignung für den Job. Wie sollte man reagieren?

Führen Sie sich vor Augen, was hinter der Frage des Arbeitgebers steht. Oft ist es die Angst des Arbeitgebers, dass die Arbeitnehmerin wegbricht, wenn das Kind krank ist oder die Krippe geschlossen hat. Wenn man sich das bewusst macht, kann man relativ entspannt mit der Frage umgehen. Falls das Bewerbungsgespräch nur noch um die Kinderbetreuung geht, spricht auch nichts dagegen, die Befürchtungen des Arbeitgebers offensiv anzusprechen.

Was sollte man sagen, um nicht aussortiert zu werden?

Es hilft, wenn dem Arbeitgeber von vorneherein klar ist, dass die Kinderbetreuung gesichert ist. Und zwar auch in Notfällen. Gibt es Freunde und Verwandte, die einspringen können? Wenn Sie ein Netzwerk vorweisen können, hat der Arbeitgeber ein gutes Gefühl, Sie einzustellen.

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