Süddeutsche Zeitung

Wie wir arbeiten:Die deutsche Sehnsucht nach dem Einzelbüro

Kein Desk-Sharing, kaum Großräume: Deutsche Arbeitnehmer haben weltweit den meisten Platz.

Nicola Holzapfel

Mein Schreibtisch. Mein Computer. Mein Büro. Das Einzelzimmer ist fester Bestandteil der deutschen Bürokultur. Viele haben es und wer keines hat, träumt zumindest davon. Diese Sehnsucht ist typisch deutsch. "Verglichen mit den Beschäftigten in anderen Ländern, sitzen wir sehr gemütlich. Wir haben alle unseren eigenen Schreibtisch und möchten am liebsten die Tür zumachen können", sagt Robert Menke von der Immobilienberatung Cushman & Wakefield. Die hat gerade eine Studie veröffentlicht, wonach deutsche Angestellte im internationalen Vergleich den meisten Platz haben. Auf durchschnittlich 30 Quadratmeter Mietfläche pro Kopf sind die Immobilien-Berater gekommen.

Damit ist natürlich nicht nur das Schreibtisch-Areal gemeint, auch Korridore oder Küchenzeilen sind miteingerechnet. Doch umso erstaunlicher sind die Quadratmeter-Zahlen am anderen Ende des Rankings: In einigen osteuropäischen Ländern, aber auch in Schottland kommt jeder Beschäftigte gerade mal auf zehn Quadratmeter, selbst in Österreich sind es nur zwölf.

Und mittendrin sitzt der Boss

Im angelsächsischen Raum gibt es viel mehr Großraumbüros als bei uns. In London, wo Büroraum weltweit mit am teuersten ist, ist etwa eine Zusammenarbeit auf einer Fläche von 600 Quadratmetern und mehr ganz normal. Als Abtrennung müssen Raumteiler, die nicht ganz bis zur Decke reichen, genügen. "Häufig teilen sich sogar mehrere Mitarbeiter einen Arbeitsplatz", sagt Menke. Statt eines festen Schreibtisches verfügt dann jeder über einen Roll-Container. Der wird immer dorthin mitgenommen, wo gerade ein Arbeitsplatz frei ist. "Das geht in der Regel über alle Hierarchie-Stufen", sagt Menke. Ein Einzelzimmer zu haben, ist ein noch höheres Privileg als in Deutschland. "In manchen Großräumen hat etwa der Abteilungsleiter einen abgetrennten Glaskasten. Aber es gibt auch liberale Strukturen, wo der Boss mittendrin sitzt", sagt Menke. Zur Besprechung ziehen sich die Engländer in abgetrennte "quiet-rooms" zurück.

Robert Menke erkennt auch in Deutschland "in einigen Bereichen eine Amerikanisierung des Büroraumes". Banken und Unternehmen im Telekommunikationssektor wären da vorne dabei. Der Bilanz tut's gut. Kostengünstiger als in Großraumbüros, in denen sich mehrere Mitarbeiter auch noch einen Arbeitsplatz teilen, lässt sich die Belegschaft kaum unterbringen.

Doch das sind Ausnahmen. Nach wie vor arbeiten die meisten Angestellten entweder in kleinen Gruppen in etwas größeren Büros oder in Einzelzellen, wie es in der Sprache der Immobilienmakler heißt. Laut der Studie überlegen zwar 40 Prozent der befragten Unternehmen ihre Großraumflächen zu erweitern oder die Arbeitsplätze flexibler zu gestalten, aber "richtige Großraumbüros gibt es eher selten", sagt Menke. "Es gibt einen Trend zur Optimierung der Büroflächen aber der geht eher hin zu einer Vekleinerung der Quadratmeter-Zahlen".

Und wie setzt der Immobilienberater selbst? Robert Menke arbeitet in einem Team-Büro mit elf Schreibtischen. (Dieser Text wurde übrigens in einem Büro mit zwei Arbeitsplätzen geschrieben.) Aber es sind auch nicht die Makler und Redakteure, die der Studie zufolge den meisten Platz beanspruchen. Am großzügigsten sitzen Anwälte. "Hier sind Einzelzimmer üblich und Räume, die maximal zu zweit genutzt werden", sagt Menke. Am wenigsten Platz haben die Mitarbeiter in Call-Centern. Sie müssen sich mit acht Quadratmetern begnügen.

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