Süddeutsche Zeitung

Wettbewerb "Verbraucherschule":Schule mit Biosiegel

Die Verbraucherzentrale Bundesverband zeichnet Schulen aus, an denen Pädagogen und Schüler praktische Projekte zu Themen wie Ernährung, Klimaschutz und Multimedia-Nutzung starten.

Von Joachim Göres

Käse, Olivenöl, Paprika, Tomatenmark, Basilikum, Knoblauch, Chili und noch viele weitere frische Zutaten stehen vor den Schülerinnen und Schülern einer siebten Klasse des Albrecht-Thaer-Gymnasiums Hamburg. Ihre Aufgabe: ein eigenes Pesto kreieren und dafür ein Werbeplakat entwerfen. Klara, Cem, Amanda, Niels, Zoé und andere Teenager sind eifrig bei der Sache und zeigen sich beim Zusammenmixen experimentierfreudig. Und so entstehen grüne, rote, orange oder graue Pestos, die die Schüler nach Aussehen, Geruch und Geschmack bewerten, zusammen mit zwei gekauften Sorten, die herausgeschmeckt werden sollen. Für die Siebtklässler kein Problem: Alle erkennen die beiden Supermarkt-Pestos. Diese Produkte bekommen zudem die besten Geschmacksnoten. Und das, obwohl die Jugendlichen schon vorher herausgefunden haben, dass Pesto aus dem Supermarkt nur mit diversen Zusatzstoffen zwei Jahre haltbar sein kann, und dass nicht selten statt Olivenöl billigeres Sonnenblumenöl verwendet wird.

Wie verhält man sich klug in sozialen Netzwerken? Auch um diese Frage geht es

Ökotrophologin Katharina Kammin erklärt, warum den Schülern das Supermarkt-Pesto schmeckt: "Sie bevorzugen das Tomatengeschmack-Aroma, das sie aus anderen Produkten kennen. In diesem Alter entwickelt sich der Geschmack noch und er differenziert sich. Deswegen ist es wichtig, auch andere Esserfahrungen zu machen", sagt die Ernährungsberaterin der Verbraucherzentrale Hamburg. Sie ist häufig in Schulen und versucht, mit den Schülern mithilfe des Pesto-Projekts über Konsumgewohnheiten und Produzententricks ins Gespräch zu kommen. Malte ist überrascht, wie stark Käse den Geschmack beeinflusst, und will künftig beim Einkauf stärker auf die Zusatzstoffe achten. "Ich hätte nicht gedacht, dass man das gekaufte Pesto so deutlich herausschmecken kann. Ich fand aber auch einige von unseren Pestos lecker", sagt Nina. Auf dem selbstentworfenen Plakat preist sie ihr Pesto mit dem Zusatz "100 Prozent Natur" an. "Der Begriff ,Natur' hört sich positiv an, ist aber nicht so streng definiert wie die Bezeichnung ,Bio'", lautet ihre Begründung.

Die Pesto-Produktion gehört zu den vielen praktischen Projekten, für die das Hamburger Gymnasium als eine von bundesweit 14 Schulen als "Verbraucherschule" ausgezeichnet wurde. Welche bedenklichen Inhaltsstoffe gibt es in Deos, Shampoos und Cremes, und wie findet man verträglichere - und oft auch billigere - Alternativen in Drogerien? Wie verhält man sich in sozialen Netzwerken? Wie sieht ein sinnvoller Umgang mit dem Smartphone aus? Für die Behandlung solcher Fragen gibt es diese besondere Anerkennung, die der Verbraucherzentrale Bundesverband im Jahr 2016 erstmals verlieh. Mit diesem Titel werden Schulen gewürdigt, die die Themen Finanzen und Verbraucherrechte, Medien und Information, Ernährung und Gesundheit, nachhaltiger Konsum, Klimaschutz und Globalisierung regelmäßig im Schulalltag behandeln.

Durch die Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale sei es möglich, "wichtige Fragen kompetenter im Unterricht zu behandeln", sagt Matthias Drieschner, Nachhaltigkeitskoordinator am 670 Schüler zählenden Albrecht-Thaer-Gymnasium. "Was steckt hinter Biosiegeln? Nach welchen Kriterien wählt man sein Bankkonto aus? Welche Tücken und Hürden gibt es bei Handyverträgen? Das Interesse von Schülern an solchen Themen ist groß", stellt Drieschner fest. Er fügt hinzu: "Wir wollen niemanden in eine bestimmte Richtung drängen, sondern ermöglichen, dass jeder Schüler gut informiert eine bewusste Entscheidung trifft."

Zum Konzept gehört, dass ältere Schüler mit jüngeren über die Ernährung reden und dabei die Nährwertangaben auf den Pausensnacks gemeinsam unter die Lupe nehmen. Das Konzept schließt auch spezielle Angebote an die Eltern ein, wie eine Fortbildung der Verbraucherzentrale zum Thema Cybermobbing. Ein wichtiger Baustein ist die Umweltbildung - jede Klasse hat einen Umweltsprecher, in jedem Raum befindet sich ein CO₂-Messgerät, die jüngsten Schüler lernen ihre neue Umgebung bei einer Nachhaltigkeitsrallye durch die Schule kennen. "In Schleswig-Holstein gibt es Verbraucherbildung als eigenständiges Schulfach, das haben wir in Hamburg leider nicht. Wir finden diese Themen wichtig und freuen uns über die positive Resonanz bei den Eltern, die uns stark unterstützen", sagt Drieschner.

Verbraucherbildung ist aber nicht nur eine Angelegenheit für Gymnasiasten - davon sind die Lehrer an der Max-Wittmann-Schule in Dortmund überzeugt, die ebenfalls als "Verbraucherschule" ausgezeichnet wurde. Dort sollen 270 Förderschüler der Klassen eins bis zwölf auf ein möglichst selbständiges Leben vorbereitet werden. Fitness und gesunde Ernährung stehen in allen Klassenstufen auf dem Lehrplan, in einer Busschule wird die eigenständige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel trainiert.

Wie man Müll trennt und vermeidet, was gegen Lebensmittelverschwendung und hohen Energieverbrauch getan werden kann, wird in der sogenannten Trainingswohnung der Schule geübt. Die Klasse 11a schreibt über den Besuch von Volker Mahlich, Mitarbeiter der Umweltberatungsstelle der Verbraucherzentrale Dortmund: "Wir haben erfahren, wie man Altpapier herstellt. Das war sehr interessant. Gemeinsam haben wir Papier geschöpft und Karten produziert. Wir haben gelernt, dass wir durch den Einkauf von Dingen aus Altpapier die Umwelt schonen und unsere Wälder schützen können."

"Verbraucherschule in Gold" ist die höchste Auszeichnung. Diesen Titel gibt es für zwei Jahre

Zahlreiche Aktivitäten zu Themen wie gesunde Ernährung, Nachhaltigkeit oder Umgang mit Medien "machen wir schon lange, doch für die Bewerbung als Verbraucherschule haben wir unser Profil noch einmal geschärft", sagt Schulleiter Frank Schmidt-Kamann. Die Lehrer erfuhren bei einer Fortbildung mit dem Spitzenkoch Tom Waschat, wie man mit wenig Geld hochwertige und wohlschmeckende Gerichte zusammen mit Schülern kocht. Das neue Wissen und die entsprechenden Rezepte wurden dann gleich mit der Klasse 12c in die Praxis umgesetzt - mit Kräutern aus dem Garten der Trainingswohnung bereiteten die Schüler unter Anleitung eines Pädagogen ein mehrgängiges Menü mit Blumenstraußsalat, Neunkräutersuppe, Brennnesselchips, Wildspinatpizza, einer Wiesenbowle und Blütenschokokeksen zu. Der Kommentar der Nachwuchsköche der 12c: "Das Essen war sehr lecker. Es hat allen geschmeckt, obwohl einige von uns vorher doch ein bisschen skeptisch waren. Am nächsten Tag haben wir unser Wissen aufgeschrieben. Den meisten von uns hat es super gefallen."

Information: Ende dieses Jahres wird der Titel "Verbraucherschule" für das Jahr 2017 vergeben. Interessierte Schulen können sich dafür bis zum 31. Oktober bewerben. Es gibt den Titel in Silber - diese Schulen dürfen sich ein Jahr lang "Verbraucherschule" nennen. Der Titel in Gold wird für einen Zeitraum von zwei Jahren vergeben. Bewerben kann man sich mit Projekten, die im Schuljahr 2016/17 umgesetzt wurden. Schulen, die sich nach dem 31. Oktober 2017 bewerben, können also nicht "Verbraucherschule 2017" werden. Zu einem möglichen Wettbewerb Verbraucherschule 2018 gibt es derzeit noch keine Informationen. Einzelheiten zum aktuellen Wettbewerb finden sich im Internet unter www.verbraucherschule.de.

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Quelle:
SZ vom 14.09.2017
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