Süddeutsche Zeitung

Wettbewerb "Generation-D":Ran an die Jobs von morgen

Von wegen aussichtslos: Auch in der Wirtschaftskrise gibt es neue Stellen. Elf Arbeitgeber verraten, worauf sie heute bei Bewerbern Wert legen. Studenten können nur gewinnen.

Die größte Wirtschaftskrise seit acht Jahrzehnten verändert Deutschland. Gefragt sind neue Konzepte. Junge Leute mit Werten und Visionen, die anpacken. Solche Menschen, die sich mit ihren Projekten zentralen Problemen der Zeit widmen und Lösungen finden, sucht der Wettbewerb "Generation-D", der in diesem Jahr zum dritten Mal ausgeschrieben.

Dabei geht es maßgeblich auch um Veränderungen der Arbeitswelt. Die Sicherheit ist auf Dauer dahin, auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Immer mehr Menschen werden nur noch auf Zeit beschäftigt. Wo finden Hochschulabsolventen künftig einen Job? Eine Reise zu elf Arbeitgebern in Deutschland.

Commerzbank - Voraussetzung: Kommunikationsstärke

Bei der Commerzbank gibt es trotz Krise viel zu tun: Das eigene IT-System muss mit jenem der übernommenen Dresdner Bank zusammenfließen, das Risiko muss künftig besser gemanagt, die neue Strategie umgesetzt werden. Deshalb stellt das Institut, das der Staat mit 18,2 Milliarden Euro rettete, Trainees bevorzugt in den Bereichen IT-Projektmanagement, Risikomanagement sowie Privat- und Geschäftskunden ein.

"Wir suchen Absolventen der unterschiedlichsten Fachrichtungen", sagt eine Sprecherin. Dazu zählten Wirtschaftswissenschaftler, IT-ler, Juristen, Natur- und Geisteswissenschaftler, aber auch Quereinsteiger mit exotischen Studiengängen hätten Chancen. Hochschulabsolventen sollten mit Spaß und Elan an neue Aufgaben gehen. Kommunikationsstärke ist eine wichtige Voraussetzung. Viele der akademischen Nachwuchskräfte haben vor ihrem Studium bereits eine Ausbildung absolviert. Das ist bei der Commerzbank gern gesehen, aber keine Bedingung. Wer vorher keine Ausbildung gemacht hat, sollte das Studium aber nutzen, um in Praktika Erfahrungen zu sammeln.

Die Rewe-Gruppe wächst und stellt kräftig ein. "Vor allem Absolventen der Wirtschaftswissenschaften oder weiterer Fachrichtungen mit Handelsbezug sind bei uns immer gefragt", heißt es aus der Kölner Zentrale der Handels- und Touristikgruppe. Das Unternehmen stellt in jedem Jahr etwa 60 qualifizierte Nachwuchskräfte ein, vor allem für die Bereiche IT und Vertrieb.

Traineeplätze werden mindestens 15 vergeben. Und zwar sowohl an Generalisten mit Interesse an unterschiedlichen Fachbereichen als auch an Spezialisten, die einen gezielten Einstieg suchen - etwa in der Revision oder im Einkauf. Eine Besonderheit bietet Rewe Abiturienten in Zusammenarbeit mit der Europäischen Fachhochschule in Brühl an: ein Bachelor-Studium kombiniert mit einer Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann.

Weitere Kooperationen gibt es mit der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn sowie (für Touristik-Studenten) mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg. Dort kann nach sechs Semestern ein Bachelor-Abschluss erreicht werden, allerdings ohne eine parallele Ausbildung. Während der Praxisphasen (etwa 20 Wochen im Jahr) arbeiten die Studenten in der Rewe-Zentrale oder bei Rewe Touristik in Köln.

"Natürlich!" Fast empört klingt Bernhard Simon, Chef des Logistikunternehmens Dachser mit weltweit gut 18.000 Mitarbeitern und 3,6 Milliarden Euro Umsatz. Natürlich stellt er ein. "Wenn wir weiter von einem Wachstum des Welthandels und der Globalisierung überzeugt sind, würden wir uns den Ast absägen, auf dem wir sitzen, wenn wir nicht mehr einstellen. In fünf Jahren wird uns diese Krise wie eine Delle von zwei Jahren vorkommen."

Deshalb hat der Familienunternehmer auch in der Krise an seinen Beschäftigten festgehalten. Hochschulabsolventen, die noch nie Kontakt zu Dachser hatten etwa in Form eines Praktikums, stellt Simon selten ein. Dachser versucht, junge Leute so früh wie möglich für das Logistikgewerbe zu begeistern und wirbt schon an Realschulen und Gymnasien.

Das Unternehmen fördert auch die praxisnahe Ausbildung in Berufsakademien und Fachhochschulen wie Lörrach, Mannheim, Berlin, Kempten, Brühl. Außerdem finanziert Dachser Stiftungsprofessuren an der Fachhochschule Kempten und der European Business School in Oestrich-Winkel. "Die Ausbildung wäre das Letzte, wo ich sparen würde", sagt Simon.

Generation-D ist ein bundesweiter interdisziplinärer Ideenwettbewerb von Studenten für Studenten an deutschen Universitäten und Hochschulen. Er wird in diesem Jahr zum dritten Mal ausgeschrieben. Die vier Initiatoren - Bayerische Elite-Akademie, Süddeutsche Zeitung, Allianz SE und Stiftung Marktwirtschaft - wollen Kreativität und Mut zu gesellschaftlichem und sozialem Engagement fördern. Prämiert werden innovative, realisierbare, nachhaltige Ideen, die sich zentralen Problemen der Gesellschaft widmen.

Der Wettbewerb ist mit insgesamt 15.000 Euro dotiert und wird von der Hochschulrektorenkonferenz und namhaften Professoren unterstützt.

Die Themen

Gesucht werden Ideen aus den Bereichen Arbeit, Wirtschaft & Umwelt, Bildung & Kultur und Soziale Gesellschaft. Wer findet Antworten auf Fragen wie diese: Wer erledigt die Arbeit und erwirtschaftet Wohlstand, wenn wir immer älter werden? Wie kann Kultur Grenzen überbrücken? Wie können wir sozial sein, ohne einfach nur zu verteilen? Wie können Missstände im Bildungssystem kreativ gelöst werden? Wie können wir wirtschaften, ganz ohne begrenzte Ressourcen zu verbrauchen?

Einsendeschluss: 31. Juli 2010

Heftig tobte im vergangenen Jahr der Machtkampf zwischen den Automobilzulieferern Schaeffler und Continental - das Interesse der Bewerber ist dennoch ungebrochen. Nach wie vor häufen sich Anfragen, etwa im Recruitingcenter von Continental in Hannover. "Wir wollen dieses Jahr weltweit 1000 Hochschulabsolventen einstellen, davon 250 in Deutschland", sagt dessen Leiterin Sehnaz Özden. Neben einem guten Abschluss erwartet die Personalreferentin auch Praxiserfahrung etwa durch Praktika in der Automobilindustrie.

Continental bildet selbst im dualen Studiengang aus, kaufmännisch wie technisch. "Alle Abschlüsse, ob Bachelor, Uni, Fachhochschule oder dualer Studiengang, sind für uns gleichwertig", erläutert Özden. Eine Promotion sei nicht automatisch von Vorteil: "Es gibt bei Continental nur wenige Stellen, für die eine Promotion wirklich erforderlich ist. Das schreiben wir explizit aus."

Özden hält es für ein deutliches Defizit, dass nur wenige Absolventen genügend global ausgebildet sind. "Nicht jeder Ingenieur, der sein Studium beendet, kann ausreichend englisch sprechen oder war schon mal im Ausland."

Gewerkschaften vertreten nicht nur die Interessen von Arbeitnehmern, sie sind auch Arbeitgeber. Die IG Metall ist nach eigenen Angaben mit fast 2,3 Millionen Mitgliedern die größte Gewerkschaft in Europa. Sie selbst beschäftigt etwa 2500 Mitarbeiter in ganz unterschiedlichen Bereichen. Dazu gehören Buchhalter ebenso wie Personaler.

Seit einigen Jahren macht sich die Gewerkschaft auch für Hochschulabsolventen attraktiv. Sie bietet seit dem Jahr 2000 ein einjähriges Traineeprogramm an, an dem Menschen mit betrieblicher Ausbildung ebenso wie Hochschulabgänger teilnehmen. Die Uni-Absolventen kommen aus den Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Es sind aber auch Pädagogen, Psychologen und Medienwissenschaftler darunter.

Bei der Auswahl der Bewerber lege die Gewerkschaft viel Wert auf das soziale Interesse der Bewerber, betont eine Sprecherin. Nach der Ausbildung arbeiten die Trainees beispielsweise als Gewerkschaftssekretäre und beraten Betriebsräte und Aufsichtsräte. Eingesetzt werden sie auch in Fachabteilungen, beispielsweise in der Rechtsabteilung, oder sie werden in einer der 170 Verwaltungsstellen direkt vor Ort tätig. Die IG Metall hat bislang 183 Trainees ausgebildet, davon 85 mit Hochschulabschluss.

Johann Eekhoff, seit Dezember Präsident des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn, hat in den vergangenen Monaten viele Einstellungsgespräche geführt. Drei Stellen hatte das IfM zu besetzen. 25 Mitarbeiter beschäftigt es. Gut 3000 Euro brutto verdient ein junger Wissenschaftler im Monat. "Ein Drittel der rund 60 Bewerber hatte trotz klarer Ausschreibung noch nicht mal die nötige Qualifikation. Wir suchten Wirtschaftswissenschaftler. Beworben haben sich unter anderem auch Psychologen und Geografen."

Eekhoff hatte auch mit mehr Bewerbungen gerechnet. Aber der Markt für Hochschulabsolventen sei durch die vielen Graduiertenschulen ziemlich ausgedünnt. "Die saugen systematisch die besten Absolventen auf", erzählt Eekhoff. "Wir hatten zwar am Ende erstaunlich viele mit vergleichweise guten Noten."

Auch bei diesen Bewerbern zeigte sich die immer stärkere Spezialisierung an den Hochschulen. "Es gab Bewerber mit Promotion und Veröffentlichungen in amerikanischen Magazinen. Die haben dann irgendein Modellchen intensiv durchgerechnet, aber weder rechts noch links geschaut. "In der Volkswirtschaft ist es aber wichtig, im System zu denken und ein Thema von vielen Seiten zu beleuchten."

Der Reiseveranstalter FTI in München macht keinen großen Unterschied zwischen Absolventen mit Uni- oder Fachhochschulabschluss und solchen ohne. "Quer durch alle Bereiche, Abteilungen und Führungsebenen sind in erster Linie Bewerber mit einer fundierten touristischen Praxiserfahrung gefragt."

Verfügt ein Hochschulabsolvent über diese Qualifikation, zeichne ihn allerdings oftmals seine Fähigkeit zum strategischen Denken gegenüber den Nicht-Akademikern aus. In diesem Fall seien dann vor allem BWL-Studenten mit dem Schwerpunkt Touristik gefragt.

Im Sinne dieser Personalpolitik verzichtet FTI (1500 Mitarbeiter) auch auf die duale Ausbildung. Durch den Aufenthalt an der Hochschule würde Zeit und damit Praxiserfahrung verloren gehen, heißt es in der FTI-Zentrale.

Mehr als 50 Nationalitäten sind am Hauptsitz von Adidas in Herzogenaurach vertreten, darunter auch ehemalige Profisportler und Teilnehmer der Olympischen Spiele in Peking 2008. Aber keine Sorge: Spitzenleistungen im Sport müssen Bewerber bei dem Dax-Unternehmen nicht vorweisen. "Wesentlich ist das Interesse an der Sportartikelbranche", sagt Jela Götting, Leiterin des Nachwuchsprogramms bei Adidas.

"Wir stellen darüber hinaus bevorzugt Menschen ein, die durch Auslandserfahrung ihre interkulturelle Kompetenz erweitert haben und eine Ausbildung vorweisen können, die mit Wirtschaft zu tun hat", ergänzt sie. Bei Universitäts- oder Fachhochschulabsolventen seien "mindestens sechs Monate Auslandsaufenthalt Pflicht".

Wichtigste Sprache beim größten europäischen Sportartikelunternehmen, das pro Jahr etwa 25 Trainees einstellt, ist Englisch. "Im Prinzip muss jemand zu Anfang nicht einmal Deutsch können, es sei denn, sein Einsatzgebiet ist der heimische Markt", sagt Götting. Wie die meisten Firmen bevorzugt auch der Drei-Streifen-Konzern Bewerber mit Praxiserfahrung. Wer sich ohne vorherige Praktika für eine feste Stelle bewerbe, habe schlechtere Chancen. "Schnell studieren ist nicht alles", so Götting.

Jede Chance nutzen, um begleitend zum Lehrplan schon früh Berufspraxis zu sammeln - das empfiehlt Henkel allen Studenten. Der Anbieter von Marken wie Persil, Pril und Pritt stellt in diesem Jahr etwa 100 Hochschulabsolventen ein. Gefragt sind vor allem Wirtschafts- und Naturwissenschaftler und Informatiker.

Nach Beobachtung der Personalverantwortlichen zeichnen sich die Studenten immer häufiger durch schnelle Abschlüsse und eine internationale Ausbildung aus. Aber in anderen Bereichen zeigten sie oft Defizite. "Das Erlernen von Fähigkeiten wie Eigeninitiative und Kreativität spielt neben der fachlichen Qualifikation eine mindestens ebenso große Rolle", wird betont.

Aus diesem Grund sollten die Studenten bereits während des Studiums über den Tellerrand hinausschauen. Gern gesehen werden Praktika. Praxiserfahrung mache einen Kandidaten noch interessanter.

In Zeiten der Finanzkrise haben Europas Währungshüter eine wichtige Rolle: Sie müssen die Stabilität des Euro gewährleisten. Für diese Aufgabe stellt die in Frankfurt situierte Europäische Zentralbank (EZB) vorwiegend Akademiker mit klassischem Universitätsabschluss ein, viele mit Doktortitel oder dem angelsächsischen PhD.

Nach Jahren sehr zurückhaltender Einstellungspraxis sollen nun bald neue Positionen ausgeschrieben werden, sagt ein Sprecher der SZ. Der Grund: Die EZB bekommt ab 2011 eine neue Rolle bei der Überwachung des Finanzsystems in der Europäischen Union. Sie soll insbesondere Großinstitute näher unter die Lupe nehmen, die im Falle einer Schieflage zu einem systemischen Risiko für Europa werden könnten.

Für solche Aufgaben verlangt die Behörde von Bewerbern einige Jahre Berufserfahrung. Die Beherrschung der englischen sowie einer weiteren der 23 Amtssprachen der Union ist für alle EZB-Jobs Pflicht. Beim zweijährigen Graduate-Programm der EZB kommen Uni-Absolventen auch direkt unter - allerdings nur bis zu zehn im Jahr, so der Sprecher. Gesucht werden vor allem Ökonomen und Juristen, aber auch IT-Fachleute.

Nach wie vor wird das Stuttgarter Traditionsunternehmen Bosch als größter Autozulieferer der Welt bezeichnet, wiewohl sich der Konzern mit weltweit 270.000 Mitarbeitern lieber führendes Technologie- und Dienstleistungsunternehmen nennt.

In diesem Jahr will Bosch weltweit 3500 bis 4000 Akademiker einstellen, davon 500 in Deutschland. Zu 90 Prozent werden wie immer Absolventen der Mint-Fächer gesucht (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), obendrein aber auch Wirtschaftswissenschaftler.

Auf drei Eigenschaften legt Wolfgang Malchow, Geschäftsführer für das Personal- und Sozialwesen immer mehr Wert: "Problemlösungsorientierung, fach- und bereichsübergreifend, Flexibilität, sowohl räumlich als auch zeitlich, und die Bereitschaft zu permanenter Weiterbildung."

Eine gute Abschlussnote, Fremdsprachenkenntnisse und möglichst große Praktikumserfahrung erleichterten den Einstieg bei Bosch enorm. Zwar seien im Prinzip auch Bachelor-Absolventen willkommen, aber am liebsten, wenn sie neben ihrem dichtgedrängten Studium auch noch etwas Praxiserfahrung gesammelt hätten.

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