Wert des Urlaubs:Menschen brauchen Müßiggang

Sommerliche Hitze an der Ostsee

Müßiggang, hier an der Ostsee.

(Foto: dpa)

Was kann man tun, damit in Mainz wieder Züge rollen? FDP-Generalsekretär und Bahn-Aufsichtsrat Döring fordert, Fahrdienstleiter aus dem Urlaub zu "kaufen". Doch Erholung ist nicht mit Geld aufzuwiegen.

Ein Kommentar von Sibylle Haas

So einfach, wie sich das FDP-Generalsekretär und Bahn-Aufsichtsrat Patrick Döring vorstellt, ist die Sache nicht. Um das Chaos am Mainzer Hauptbahnhof zu beenden, sollten die urlaubenden Fahrdienstleiter sofort auf Kosten der Bahn ihren Urlaub abbrechen und arbeiten, fordert Döring. Es mag ja sein, dass sich der Liberale die Welt der Arbeit gerne so schlicht zurechtschneidern würde. Da lässt die Bahn mal schnell ein paar Euro springen, und "kauft" ihren Mitarbeitern den Urlaub einfach ab.

Es mag auch sein, dass es kein Zufall ist, dass ausgerechnet in der Urlaubszeit mehr Fahrdienstleiter als sonst krank wurden, was den Personalmangel jetzt so drastisch erkennbar macht.

Die Leitplanken aber, die der Gesetzgeber eingezogen hat, gelten auch für Freigeister wie Döring. Sicher, es gibt Juristen, welche die Sache ähnlich sehen wie der Generalsekretär der FDP. Die Rechtsprechung, und die ist in der Praxis entscheidend, ist beim Urlaub jedoch äußerst streng. Auch das Bundesurlaubsgesetz ist eindeutig und schreibt vor, dass der Urlaub zusammenhängend zu nehmen ist. Das wird in der Praxis zwar selten gemacht, auch weil viele Arbeitnehmer mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen vier Wochen Urlaub haben.

Erholung muss sein, im Interesse aller

Doch wenn die Arbeitnehmer erst mal in den Ferien sind, darf diese Auszeit nicht unterbrochen werden. Da müsste der Arbeitgeber, also das Unternehmen, schon in arge Existenznot geraten sein, um seine Mitarbeiter aus den Ferien zurückordern zu dürfen. Es ist offensichtlich: Dies ist bei der Bahn momentan nicht der Fall.

Kaum ein Arbeitsgesetz ist so klar wie das Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer, das sogenannte Bundesurlaubsgesetz. Schon am Anfang heißt es dort: Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Erholung ist also ein elementares Arbeitnehmerrecht, das keiner verwirken darf. Schon gar nicht der Arbeitgeber durch "arbeitnehmerfreundliche Angebote", die darauf abzielen, dem Mitarbeiter den Urlaub "auszubezahlen". Erholung ist nicht abkaufbar, Erholung muss sein, im Interesse aller.

Auszeiten sind wichtig, gerade heute. Für viele Arbeitnehmer sind Arbeits- und Leistungsdruck enorm gestiegen. Firmen aus Schwellenländern, die billiger produzieren, machen der westlichen Wirtschaft das Leben und Überleben schwer. Unternehmen restrukturieren daher häufiger und schneller als früher, nicht selten wird Personal entlassen. Für die Mitarbeiter geht diese Neuordnung mit hoher Arbeitsdichte und höheren psychischen Belastungen einher. Die verbleibende Arbeitsmenge muss schließlich irgendwie auf weniger Köpfe und Hände verteilt werden.

Wer ständig unter Zeitdruck beste Leistungen bringen muss, wird krank

Hinzukommt, dass sich die Arbeitswelt so schnell ändert wie selten zuvor. Neue Technologien werden von noch neueren, noch schnelleren und besseren Techniken abgelöst. Arbeiten bedeutet für die Menschen ständiges Lernen, Weiterbilden, Anpassen. Doch permanent hohe Leistungserwartungen und ständiger Wandel der Arbeitsbedingungen erschöpfen die Menschen.

Jeder zweite Erwerbstätige in Deutschland arbeitet unter Termin- und Leistungsdruck, zeigt der Stressreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Überstunden und der Auftrag, mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen zu müssen, gehören zusätzlich zum Arbeitsalltag und damit zu den größten Stressfaktoren. Doch wer ständig unter Zeitdruck beste Leistungen bringen muss, erlebt irgendwann den gesundheitlichen Störfall.

Die Zahl derer, die am Arbeitsplatz ausfallen, weil sie keine Kraft mehr haben, steigt. Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen weist schon seit Längerem besorgt darauf hin, dass Arbeitnehmer immer häufiger wegen psychischer Beschwerden krankgeschrieben werden. Der Verband schätzt den volkswirtschaftliche Schaden durch arbeitsbedingte psychische Belastungen auf jährlich etwa sieben Milliarden Euro. Allein diese Zahl müsste auch die Arbeitgeber alarmieren. Sie zahlen schließlich mit, wenn Beschäftigte auf lange Sicht ausfallen. Es lohnt sich also, Mitarbeiter gesund zu erhalten.

Dazu gehört ein störungsfreier Urlaub. Menschen brauchen Ruhe ebenso wie Arbeit. Müßiggang ist, anders als ein Sprichwort sagt, nicht zwangsläufig aller Laster Anfang. Müßiggang ist auch ein Weg in eine Welt ohne Termin- und Leistungsdruck. In eine Welt, in der Erholung und Durchatmen angesagt sind und einfach nur "Nichtstun".

Auszeiten stehen allen zu. Den Bahn-Beschäftigten und allen, die sich täglich mühen, ihrem Arbeitgeber eine gute Leistung abzuliefern.

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