Wenn Personaler googeln:Privatleben im Netz

"Wie schwanger werden über 35?" Eine harmlose Frage, gestellt in einem Internet-Forum unter dem eigenen Namen, kann bei der Jobsuche verhängnisvoll sein. Wie Bewerber mit achtlos hinterlassenen Spuren umgehen können.

"Wie schwanger werden über 35?" Diese harmlose Frage, gestellt in einem Internet-Forum unter dem eigenen Namen, kann bei der Arbeitsplatzsuche verhängnisvoll sein. Achtlos hinterlassene Spuren, aber auch Schmutzattacken aus den Tiefen des Internets können noch Jahre später die Karriere ruinieren. Denn das Vorleben von Stellenbewerbern wird von vielen Unternehmen im Internet kontrolliert. Doch nicht nur für Menschen auf der Suche nach einem Job kann es peinlich werden, wenn andere auf ihre Jugendsünden oder auch Fotos feuchtfröhlicher Partys stoßen.

Google, Reuters

Wenn Personaler googeln: Im Internet wirken Attacken nachhaltig und für jeden sichtbar.

(Foto: Foto: Reuters)

Nun ist in Deutschland ein Dienst auf dem Markt, der Opfern Hilfe anbietet: ReputationDefender - Ruf-Verteidiger - heißt das neue Angebot. Es kommt aus Kalifornien in den USA und bietet - gegen Bezahlung - Instrumente gegen unliebsame Datenspuren. Als erstes können die Nutzer eine Daten-Patrouille durch das Netz schicken, um zu prüfen, ob sie vielleicht bereits von unangenehmen Online-Veröffentlichungen betroffen sind, ohne es zu wissen.

Daten- und Identitätsdiebstahl

Im Fall der Frau über 35 mit Kinderwunsch reichte ein höflicher Hinweis an den Verantwortlichen des Forums, um ihren Namen aus dem Netz verschwinden zu lassen. Andere Fälle seien schwieriger, sagt Michael Fertik, Chef und Gründer des Ruf-Verteidigers. Nach seinen Angaben hatten bis zuletzt 4500 Menschen in 25 Ländern sein Angebot genutzt, davon 500 in Deutschland.

Immer mehr Deutsche präsentieren ihr Privatleben im Netz, warnt auch der Bundesverband der Informationswirtschaft BITKOM in Berlin. Besonders junge Menschen geben viel von sich preis. Die Daten blieben oft über Jahre erhalten. Mit seinem Dienst ist Fertik nahezu allein am Markt. In England gibt es noch Garlik.com, ein Angebot, das sich vor allem gegen Daten- und Identitätsdiebstahl richtet. Eine deutsche Webseite, mit deren Hilfe Privatleute selbst ihren Netz-Ruf polieren können sollen, ist www.myonid.de.

In Deutschland haben sich die Medienwächter in der Initiative Klicksafe.de zusammengeschlossen, um vor allem Kinder und Jugendliche vor den Gefahren des Internets zu warnen. Doch was, wenn der unliebsame Inhalt bereits im Netz ist? Der Ruf-Verteidiger sei ein "interessanter Lösungsansatz", sagt Christina Rhode, Expertin von Klicksafe.de. "Die Leute sollten dennoch vorsichtig sein" - und heikle Informationen erst gar nicht im Netz veröffentlichen.

Manchmal bleibt nur der Gang zum Rechtsanwalt

Der ReputationDefender analysiert zunächst, welche bedenklichen Inhalte im Netz zu finden sind und wie viele Versionen davon kursieren - acht Tage dauert das in der Regel. Dann wird eine abgestufte Kette von Maßnahmen in Gang gesetzt - bis die Reputation wiederhergestellt ist. "Meist reicht eine höfliche Bitte, gestellt an den richtigen Adressaten", sagt Fertik.

Schwieriger sei es bei anrüchigen Inhalten, mit denen im Netz Geld verdient wird. Notfalls würden dann auch die Werbekunden der Seiten angesprochen, um zum Ziel zu kommen. Wenn alles nicht fruchtet, bleibt nur der Gang zum Rechtsanwalt. Dies sei allerdings in weniger als einem Prozent der Fälle notwendig.

Auf der nächsten Seite: Wie die erotischen Fotos der Tochter eines Bürgermeister-Kandidaten im Wahlkampf politische Brisanz entwickelten - und wie die Ruf-Verteidiger helfen können.

Privatleben im Netz

Manchmal hilft nur die Polizei

Auch in Deutschland sind dem Amerikaner schon spektakuläre Fälle untergekommen: Die erotischen Fotos der Tochter eines Bürgermeister-Kandidaten etwa, die im Wahlkampf politische Brisanz entwickelten. Oder der Hilferuf einer Berliner Restaurantbetreiberin, die sich über türkische Drogendealer vor ihrem Lokal beschwert hatte und daraufhin mit Namen und Adresse im Netz als Rassistin beschimpft wurde. "Wir wollen dabei die politische Diskussion auf keinen Fall unterbinden", sagt Fertik. "Uns geht es in so einem Fall nur darum, den Namen zu löschen."

Der Ruf-Verteidiger richtet sich in erster Linie an Privatpersonen. "Uns geht es um die Individuen und deren Privatsphäre." Ihm sei von einem Unternehmen sogar schon eine Million Dollar geboten worden, um ein anderes Unternehmen im Netz anzugreifen. "Das machen wir natürlich nicht. Unser Angebot richtet sich an Leute, die im Netz unfair attackiert werden." Wenn sich etwa Schüler heftig via Internet befehden, habe das heute ganz andere Folgen: "Früher fand so etwas auf einem Blatt Papier im Klassenraum statt. Es tat weh, war aber nach einer Woche vergessen. Im Internet wirkt so eine Attacke nachhaltig und für jeden sichtbar."

Nach dem Start des Angebots erlebten Fertik und seine Mitarbeiter eine große Überraschung: "Wir dachten, die meisten Kunden kommen mit einem konkreten Problem. Aber das war falsch. Die meisten wollen einfach nur wissen, ob sie ein Problem haben." Die Daten-Patrouille kann man auch abonnieren und regelmäßig durch das Netz stöbern lassen. Gegen unliebsame Presseberichte gehe man nicht vor. "Die Medien haben ihre Standards, die Pressefreiheit tasten wir nicht an", sagt Fertik. Auch bei strafrechtlich heiklen Fällen werde der Ruf-Verteidiger nicht aktiv: "Bei Kinderpornografie gibt es nur einen Ansprechpartner: die Polizei." )

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