Süddeutsche Zeitung

Weniger Geld für Gründungszuschuss:Kümmer-Existenz als Selbständiger

Der Gründungszuschuss war mal das effektivste Instrument gegen Arbeitslosigkeit - und zur Förderung der Selbständigkeit. Doch die Mittel sind geschrumpft: Seit diesem Jahr bekommen nur noch wenige die Starthilfe. Viele gute Ideen fallen deshalb flach.

Malte Conradi

Florian Haas muss sich bewegen. Den ganzen Tag vor dem Computer sitzen? Für den 20-Jährigen eine schlimme Vorstellung. "In einem Bürojob würde ich versauern", sagt er. Doch als der gelernte Fitnesstrainer Ende 2011 seinen Job in einem Fitness-Studio bei München verlor, war ihm klar, dass noch auf eine andere Art Bewegung nötig war: Wollte Haas weiter als Trainer arbeiten, musste er sich selbständig machen. Denn eine Festanstellung als Trainer, das sei "sehr, sehr ungewöhnlich".

Als Selbständiger hingegen sah er gute Chancen für sich: Neben ein paar Stunden in der Woche für ein Fitness-Studio würde er die "deutlich lukrativere" Arbeit als Privattrainer aufnehmen. So sein Plan. Doch als Haas sich im neuen Jahr bei der Arbeitsagentur vorstellte, war seine Vermittlerin von dem Vorhaben wenig begeistert. Für seinen Antrag auf Gründungszuschuss, sagte man ihm, stünden die "Chancen gleich null".

Solche Szenen spielen sich zurzeit häufiger in den Arbeitsagenturen ab. Weil Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) entschieden hat, den Etat für den Gründungszuschuss von 1,9 Milliarden auf nur noch 450 Millionen Euro zusammenzustreichen, müssen die Berater reihenweise Antragsteller abweisen.

Ein langer Weg

Florian Haas hat sich trotzdem selbständig gemacht. Auf eine Entscheidung über seinen Zuschuss vom Amt wartet er immer noch. Deshalb will er auch seinen richtigen Namen lieber nicht in der Zeitung sehen. Und so langsam wird das Geld knapp. "Ich muss einige Kosten tragen, bis das Geschäft läuft", sagt er. Da sind die Fahrtkosten zu den Kunden und die Zeit, die es braucht, bis er sich als Privattrainer einen Namen gemacht hat.

Genau für solche Startschwierigkeiten ist der Gründungszuschuss gedacht. Empfänger von Arbeitslosengeld I, die sich selbständig machen, erhielten bislang neun Monate lang das Arbeitslosengeld plus eine Sozialversicherungspauschale von 300 Euro. Bei Bedarf gab es dann noch einmal für sechs Monate die 300-Euro-Pauschale.

Seit von der Leyens Reform Ende Dezember in Kraft trat, dauert die erste Phase nur noch sechs, die zweite dafür neun Monate. Immer noch kommen bis zu 14.000 Euro zusammen. Doch die wichtigste Veränderung ist, dass aus der Pflichtleistung, die jedem Empfänger von Arbeitslosengeld I zustand, eine Ermessensleistung wurde, über die die Arbeitsagentur entscheidet. Doch selbst vielen Beratern ist bislang unklar, welche Kriterien dabei gelten. Klar ist nur, dass sie viele Antragsteller ohne Geld nach Hause schicken müssen.

Alexander Kritikos, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), rechnet damit, dass jährlich nur noch 50.000 Arbeitslose mit dem Geld vom Amt gründen werden. Bislang haben den Zuschuss seit seiner Einführung 2006 bis zu 180.000 Menschen im Jahr in Anspruch genommen.

Einer, der genau weiß, was derzeit in den Amtszimmern vor sich geht, ist Andreas Lutz. Gegen Honorar hat er schon Tausende Arbeitslose durch das Antragsverfahren geschleust. Seit Januar seien die Beamten "nur noch auf Ablehnung gepolt", sagt Lutz. Aus Sicht der Arbeitsagenturen verständlich, findet er: "Die Berater wissen ja nur, dass sie sparen sollen - nicht aber, wie." Also würden sie erst einmal möglichst viele Antragsteller abschrecken. Einige sollen sich sogar weigern, Gründungswilligen auch nur das Antragsformular auszuhändigen.

Lutz glaubt, dass die Kriterien, die über Ablehnung oder Bewilligung entscheiden, nicht zufällig im Dunkeln liegen. Die Antragsteller würden so verunsichert. Doch in einer internen Handlungsanweisung an die Sachbearbeiter der Arbeitsagenturen ist die Sache klar geregelt: "Sind zum Zeitpunkt der Beantragung (. . .) keine Stellenangebote möglich", heißt es dort, "sind die Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen und das Ermessen auszuüben." Es wird also überhaupt erst zur weiteren Prüfung zugelassen, wer keine Chance auf eine Festanstellung hat.

Aber wie wirkt es sich auf die Überlebenschancen der geförderten Neugründungen aus, wenn nur noch schwer vermittelbare Arbeitslose zum Zug kommen? Experten sind sich uneinig, ob da ein Zusammenhang besteht. Kritikos glaubt dennoch, dass solch eine Auswahl "in der Tendenz eine gewisse Negativselektion bedeuten" würde. Die ab jetzt Geförderten wären also weniger erfolgreich als ihre Vorgänger.

Keine Nachhaltigkeit

Dabei hatte die Arbeitsministerin nicht zuletzt genau das verhindern wollen: "Nicht jeder Erwerbslose ist für den Schritt in die Selbständigkeit geeignet", hatte sie die Kürzungen vor einigen Monaten verteidigt. Es würden zu viele Solo-Selbständige gefördert, "die nur knapp über die Runden kommen". Für Kritikos sind die Einsparungen der Ministerin "sehr kurzfristig gedacht".

Seinen Untersuchungen zufolge verfügte die Bundesagentur für Arbeit "über kein weiteres Instrument, das als derart effektiv eingeschätzt" werde, wie der Gründungszuschuss. Bis zur Reform. Tatsächlich war die Erfolgsquote beeindruckend: Laut einer Studie waren nur fünf Prozent der Geförderten nach 18 Monaten wieder arbeitslos. Jeder Dritte hatte sogar mindestens einen Angestellten.

Nicht einmal daran, dass mit der Reform Geld gespart würde, glaubt Kritikos: "Es ist zu erwarten, dass das Budget der Bundesagentur an anderer Stelle entsprechend steigen wird, insbesondere bei Ausgaben für das Arbeitslosengeld I." Und auch andere Argumente von der Leyens weist Kritikos zurück: Mitnahmeeffekte? "Weit geringer, als behauptet." Die Förderung führe oft zu sogenannten Kümmer-Existenzen von Gründern, die nicht genug zum Leben verdienen? "Trifft nicht zu." Aber das könnte sich mit der Reform ja nun ändern.

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SZ vom 15.02.2012/wolf
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