Weniger Gehalt für Frauen:Freiwillig in die Sackgasse

Ohne Zukunft und schlecht bezahlt: Dass Frauen noch immer weniger verdienen als Männer, liegt auch an ihrer Berufswahl.

A. Mühlauer und H. Wilhelm

Frauen verdienen in Deutschland nach wie vor ein Viertel weniger als Männer. Im Schnitt liegt der Bruttostundenlohn weiblicher Arbeitnehmer bei knapp 15 Euro, männliche Kollegen erhalten 19,40 Euro. Die EU-Kommission will mehr Unternehmerinnen in Führungspositionen bringen.

Gehältervergleich Sackgasse Frauen Männer

Frauen wählen häufig Berufe, die wenig Aufstiegsmöglichkeiten bieten. Traditionelle Geschlechterrollen bleiben so in den Köpfen verhaftet.

(Foto: AP)

Die erhebliche Einkommensschere zwischen Frauen und Männern bleibt weiter offen. Daran hat sich seit drei Jahren bundesweit nichts geändert. In den alten Bundesländern war der Verdienstunterschied im vergangenen Jahr sogar größer als 2006 und 2007, teilte das Statistische Bundesamt mit. "Es muss sich grundsätzlich etwas ändern in Deutschland", fordert Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Für die Lohnkluft gibt es mehrere Gründe. Holst sieht das grundlegende Problem in den Köpfen der Bürger: "Wir denken sehr stark in traditionellen Stereotypen. Wir haben bewusst oder unbewusst bestimmte Vorstellungen über die Aufgaben und Fähigkeiten von Frau und Mann im Haushalt und bei der Erwerbsarbeit." Dies sei in der sehr konservativen Prägung Deutschlands durch die Adenauer-Zeit begründet.

Potenzielle Mutter

Bis heute beeinflusse dies das Verhalten etwa vieler Personalchefs: "Bei Einstellungsgesprächen werden junge Frauen immer noch mit dem Stempel ,potenzielle Mutter' versehen. Sie bekommen häufig Jobs mit geringerem Einkommen und werden weniger gefördert."

Die stereotypen Geschlechterrollen beeinflussen auch das Verhalten und Denken der Frauen selbst. Viele suchen sich von vorneherein Berufe aus, die gut mit Familie vereinbar und nicht auf Karriere angelegt sind. Laut Claudia Menne, Leiterin des Bereichs Frauen- und Gleichstellungspolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), wählten Frauen eher "Sackgassen-Berufe, die weder für die Zukunft attraktiv noch gut bezahlt sind".

Frauen müssen umdenken

Deshalb fordert Wissenschaftlerin Holst: "Auch Frauen müssen umdenken. Sie sollten sich hinterfragen, ob vorgefertigte Rollenbilder bei beruflichen Entscheidungen wichtig sind." Das Statistische Bundesamt verweist außerdem auf die Tatsache, dass Frauen weitaus häufiger wegen Kindern ihre Karriere unterbrechen, häufiger in Teilzeit arbeiten und seltener in Führungspositionen. All dies sind Gründe dafür, dass Frauen weniger verdienen als Männer.

Abgeschlagen in Europa

Im europäischen Vergleich liegt Deutschland weit hinten. Nur in Estland, Tschechien, Österreich und den Niederlanden ist der Lohnunterschied noch größer als in Deutschland.Hierzulande ist die Kluft zwischen den Geschlechtern im Osten wesentlich geringer als im Westen. In den neuen Bundesländern liegt der Unterschied bei lediglich sechs Prozent. Das ist etwa in der anderen gesellschaftlichen Prägung begründet. In Ostdeutschland war es lange üblich, dass die Frauen in Vollzeit berufstätig waren. Außerdem ist in den neuen Bundesländern die Lohnspreizung auch deshalb nicht so hoch, weil die Männer dort insgesamt weniger verdienen als im Westen der Republik.

Jahrelange Anstrengung - umsonst

Ein weiterer Auslöser für die Ungleichheit: Obwohl Frauen oft besser ausgebildet sind, schaffen sie es nach wie vor sehr selten in die Führungsetagen der Wirtschaft. Laut Statistischem Bundesamt ist von 2006 bis 2009 der Anteil der Frauen in leitender Stellung fast unverändert geblieben. Dass sich trotz jahrelanger Anstrengung nicht viel getan habe, findet Claudia Menne vom DGB mehr als bedenklich. Die Politik müsse die Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen.

Nach einem jüngst veröffentlichten Bericht der Europäischen Kommission ist nur jedes zehnte Vorstandsmitglied der größten börsennotierten Konzerne Europas eine Frau. Lediglich 18 der knapp 600 Unternehmen werden von weiblicher Hand geführt. Das einzige europäische Land, in dem fast ebenso viele Frauen wie Männer als Firmenlenker arbeiten, ist Norwegen. Dort wurde bereits 2006 eine Frauenquote eingeführt. Diese Daten zeigten, dass die EU nach wie vor die Talente und die Fähigkeiten von Frauen verschenke, sagte die EU-Kommissarin Viviane Reding. Brüssel werde in diesem Jahr Vorschläge dazu vorlegen, wie mehr Frauen in Führungspositionen gelangen könnten. Einen Beitrag könnten etwa die Förderung weiblicher Vorbilder und Mentorenprojekte leisten.

Verdreifachung in der Vorstandsetage

Immerhin: Die Zahl der Frauen in Dax-Vorstandsposten hat sich zuletzt verdreifacht. Bei Siemens leitet Barbara Kux den Einkauf und Brigitte Ederer den Personalbereich, beim Softwarekonzern SAP ist Angelika Dammann für das Personal zuständig. Und die Telekom will über eine Quote die Zahl der weiblichen Führungskräfte steigern.

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