Süddeutsche Zeitung

Unternehmensjuristen:In der Zwickmühle

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Justiziare in Unternehmen haben derzeit kaum die Möglichkeit, Fachanwälte zu werden. Der Arbeitgeber ist dabei ein Hindernis. Was sich ändern müsste.

Interview von Christine Demmer

Etwa jeder fünfte der circa 165 000 in Deutschland zugelassenen Rechtsanwälte arbeitet nicht in einer Kanzlei, sondern in einem Unternehmen oder in einer Organisation. Das Deutsche Institut für Rechtsabteilungen und Unternehmensjuristen in Frankfurt (DIRUJ) hat knapp 5000 Mitglieder und ist nach eigenen Angaben führender Anbieter von Publikationen, Fortbildungen und Konferenzen für diese Zielgruppe. Michael Henning, geschäftsführender Gesellschafter des Instituts, erklärt, warum insbesondere Unternehmensjuristen aktuell kaum Zugang zur Fortbildung zum Fachanwalt haben.

SZ: Unternehmensjurist, Justiziar, Syndikusanwalt - wofür stehen diese Berufsbezeichnungen überhaupt?

Michael Henning: Unternehmensjuristen, das Synonym dafür lautet Justiziare, haben ihr Studium wenigstens mit der ersten juristischen Prüfung abgeschlossen und sind in der Rechts- oder Compliance-Abteilung eines Unternehmens oder einer Organisation angestellt. Sie beraten ausschließlich ihren Arbeitgeber. Diesen dürfen sie aber mehrheitlich vor Gericht nicht vertreten. Syndikusrechtsanwälte hingegen benötigen zwingend das zweite Staatsexamen und müssen von der Rechtsanwaltskammer zugelassen sein. Das sind derzeit rund zwei Drittel der 30 000 bis 35 000 Unternehmensjuristen in Deutschland.

Wie sinnvoll ist die Fortbildung zum Fachanwalt für Justiziare?

In der mittelständischen Wirtschaft, wo Rechtsanwälte eher als Generalisten tätig sind, kommt man ohne aus. Doch in manchen Wirtschaftszweigen sind vertiefte Kenntnisse eines Rechtsgebiets sehr wertvoll. Banken schätzen auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Juristen. Große Konzerne brauchen Fachanwälte für Arbeitsrecht. Die Spezialisierung schreitet überall voran.

Ist der Lehrgang neben dem Job überhaupt zu schaffen?

Von der Arbeitsbelastung her durchaus. Syndikusrechtsanwälte stehen allerdings oft vor formalen Hürden. Denn im Rahmen der Fachanwaltszulassung müssen sie eine Vielzahl von Praxisfällen nachweisen, vor allem Gerichtsverfahren. Und ihren Arbeitgeber dürfen Unternehmensanwälte gar nicht vor Gericht vertreten. Aufgrund dieser Einschränkung ist es für Syndici schwierig bis unmöglich, die verlangte Anzahl von Fällen nachzuweisen. Dann bleibt der Fachanwalt ein Traum.

Würden mehr Unternehmensjuristen gerne den Fachanwalt machen?

Ich habe schon den Eindruck. Eine Spezialisierung würde gerade den Anwältinnen und Anwälten in großen Rechtsabteilungen zu mehr Kompetenzen und damit Sichtbarkeit verhelfen.

Was müsste sich ändern, damit Unternehmensjuristen leichter Zugang zum Fachanwaltszertifikat erhalten?

Es geht primär um die Fallnachweise. Als Unternehmensjurist, der sich auf dem Gebiet fortbilden will, mit dem sein Arbeitgeber viel zu tun hat, etwa im Bau- und Immobilienrecht, kann man die Anforderung kaum erfüllen, weil man ja nicht den eigenen Arbeitgeber vor Gericht vertreten darf. Für Inhouse-Juristen müsste es deshalb eine entsprechend angepasste Fallnachweis-Regelung geben.

Welche Weiterbildung für Juristen zahlt sich mit Blick auf Karriere und Einkommensanstieg am meisten aus?

Auf Platz eins steht in Deutschland immer noch die Promotion, gefolgt vom LL.M., also dem angelsächsischen Master of Laws, oder dem MBA. Dabei kann es von Vorteil sein, diese Titel im Ausland zu erwerben. Erst als Drittes kommt dann der Fachanwalt. Neben diesen zeitaufwendigen Weiterbildungen sind für Unternehmensjuristen Fortbildungen in den Themenfeldern Legal-Tech und Digitalisierung sinnvoll. Auch die wachsende Interdisziplinarität fordert heute viel von den Inhouse-Rechtsanwälten, was im Studium nicht oder kaum gelehrt wird. Man darf nicht übersehen, dass die Juristenausbildung in Deutschland seit Jahrzehnten unverändert geblieben ist.

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