Süddeutsche Zeitung

Weiterbildung:Die Karriere auf Trab bringen

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Für Lernhungrige gibt es so viele Optionen wie nie zuvor - vom Tagesseminar bis zum Teilzeitstudium.

Von Christine Demmer

Das Fernstudium fordert Selbstdisziplin, das Teilzeitstudium Verzicht auf Freizeit. Dafür fließt bei beidem das Gehalt weiter. 2014 hat die private Business-Hochschule IUBH mit über ganz Deutschland verteilten Studienzentren einen "Turbo-MBA" auf den Markt gebracht. Im ersten Halbjahr erhalten Studierende, die sich für diese Variante des Master of Business Administration entschieden haben, 285 Stunden Unterricht, im zweiten legen sie drei Prüfungen ab und schreiben eine Art Masterthesis. Das war's. Angeboten wird die flinke Fortbildung in teils deutscher, teils englischer Sprache als Online-Fernstudium, Start jederzeit, Graduate Management Admission Test (GMAT) muss nicht sein, Kosten ab 439 Euro monatlich. Zulassungsvoraussetzungen sind ein Bachelorabschluss, gute Englischkenntnisse und zwei Jahre Berufspraxis. "Der Bachelor muss mit mindestens der Note 'befriedigend' abgeschlossen sein", merkt ein IUBH-Mitarbeiter an. Das schränkt den Teilnehmerkreis ein, aber nur geringfügig, zumal die geforderte Berufspraxis erst am Ende des Studiums nachgewiesen werden muss. Ein 23-jähriger Bachelor kann also bereits im zweiten Berufsjahr starten und bis zur Masterprüfung die Praxis aufholen, er kann mit 27 Direktor sein und sich mit 32 Chef nennen. Dem früheren Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger würde das gefallen. Von ihm stammt das Diktum: "Wenn Männer nicht bis Ende dreißig die entscheidenden Schritte gemacht haben, ist es mit der Karriere vorbei." Gesagt hat er es zwar nicht, aber man könnte die Aussage für Frauen genauso formulieren.

Seminare belegen und dafür den Job aufgeben? Das kommt jenseits der 30 nicht infrage

Private Bildungsanbieter haben verstanden, dass für die meisten Berufstätigen die Weiterbildung schnell gehen soll. Denn es fällt nicht nur Familienvätern und -müttern schwer, sich drei, vier oder noch mehr Jahre lang neben dem Beruf dem Lernen zu widmen. Auch Singles brauchen einen felsenfesten Durchhaltewillen, um freiwillig aus Büchern oder am PC zu lernen, während ihre Freunde feiern gehen. Der Wunsch der Lernwilligen nach einem bundesweit anerkannten Abschluss wird ebenfalls oft erfüllt. Das muss gar nicht immer der Bachelor oder der Master sein. Auch Zertifikatskurse von Handels- und Handwerkskammern, Berufsverbänden und anderen Bildungsanbietern bringen die Karriere auf Trab. Aber wenn in der gleichen Lernzeit und für etwa denselben Aufwand und Preis ein akademischer Abschluss winkt, dann fällt die Wahl nicht schwer. Zumal die Alternative Vollzeitunterricht für alle ausgeschlossen ist, die ihr Einkommen zum Leben brauchen und schon deshalb nicht den Beruf aufgeben können.

Tatsächlich interessieren sich die meisten Berufstätigen erst jenseits der dreißig für eine anspruchsvolle berufliche Weiterbildung - wenn sie nämlich merken, dass ihre bisher erworbenen Kenntnisse in Theorie und Praxis nicht ausreichen, um eine verantwortungsvolle Führungsposition auszufüllen oder um dafür überhaupt erst infrage zu kommen. Und das geht in der Regel eben nur neben dem Beruf. Im besten Alter den Job zu kündigen und sich für einige Jahre studienhalber aus dem Berufsleben zu verabschieden, birgt das Risiko, nicht mehr in die Spur zu kommen. Sinnvoll ist ein Vollzeitstudium meist nur direkt im Anschluss an den Schul- oder ersten Hochschulabschluss, denn es ist für junge Menschen ohne Praxiserfahrung konzipiert. Außerdem hat man in diesem Alter noch Spaß an stundenlangen akademischen Debatten, genießt das Studentenleben und lernt für ein Leben, das größtenteils noch vor einem liegt. Der Plan der Bologna-Reformer, zwischen dem Vollzeit-Bachelorstudium und dem Vollzeit-Masterstudium ein paar Praxisjahre einzufügen, ist aus diesen Gründen kaum mehr als ein Plan geblieben.

Wer nämlich in seinem Beruf verwurzelt und darin schon ein gutes Stück vorangekommen ist, denkt gar nicht an den Ausstieg. "Je höher das im Beruf erreichte Karrierelevel, desto klarer ist die Präferenz für Teilzeit-Studiengänge", zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Studie der Mannheim Business School von 2015. 91,6 Prozent derjenigen, die im Top-Management angekommen sind, bevorzugen demnach ein nebenberufliches Studium. Auch zwei von fünf Berufseinsteigern entscheiden sich für diesen - beschwerlicheren - Weg: Weiter arbeiten, weiter aufsteigen, weiter Geld verdienen, Neues dazulernen und sein berufliches Netzwerk erweitern.

Weil es inzwischen ganz normal ist, von Kollegen zu hören, die nach Feierabend weiterlernen, und weil viele Führungskräfte ihre Mitarbeiter dazu anhalten, wächst sowohl die Bereitschaft der Arbeitnehmer als auch der Markt für berufsbegleitende Weiterbildung. Letzterer sowohl in die Breite - in ausnahmslos jedem Beruf kann man sich heute weiterqualifizieren - als auch in die Tiefe: Das Angebot reicht vom Tagesseminar bis zum mehrjährigen Hochschulstudium. Berufstätige haben dabei meist die Wahl zwischen Fernunterricht mit oder ohne Präsenzphasen und Teilzeit-programmen, bei denen der Unterricht abends, am Wochenende oder in Blockseminaren stattfindet. Neben dem individuellen Lernstil und dem Wohnort - abseits der Großstädte ist die Auswahl erheblich geringer - spielen die Kosten eine Hauptrolle. Sie reichen von einigen Hundert Euro für ein Mehrtagesprogramm mit Erfolgsbescheinigung bis hin zu einigen Zehntausend Euro für ein Teilzeitstudium wie Wirtschaft oder Recht an einer privaten Hochschule oder Business School. Auch die von privaten Instituten angebotenen Weiterbildungen im medizinischen und künstlerischen Bereich liegen innerhalb dieser Preisspanne.

Ein Fernstudium ist ideal für Menschen, die Wert auf größtmögliche Flexibilität legen. Allerdings muss man dafür wirklich sehr diszipliniert sein und streng dem selbstgestalteten Tages- oder Wochenlehrplan folgen. Zu Beginn der Weiterbildung ist es ratsam, beim Anbieter den mitzubringenden Kenntnisstand zu erfragen. Denn anhand von Skripten, Büchern, Lehrvideos und Online-Tutorials kann man sich zwar eine Menge selbst beibringen. Doch um größere Wissenslücken zu schließen, reicht die Zeit selten aus. Und wer genau weiß, dass sie oder er ohne ständige Motivation von außen rasch das Handtuch wirft, lässt besser die Hände von einem Fernstudium.

Befeuert wird das nebenberufliche Lernen von der Digitalisierung. Nach Ansicht von Professor Eckart Severing vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung in Nürnberg ist die berufliche Weiterbildung breiter Bevölkerungsteile geradezu notwendig, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. "Eine niedrige Qualifikation zu einer höheren zu machen, bedeutet, dringend benötigte Reserven zu heben", sagt er. Dabei hätten elektronische Lernmedien große Chancen. Severin: "Menschen mit unterschiedlichen Vorkenntnissen kann man so individueller bedienen, als wenn man alle in ein und dasselbe Korsett hineinzwängt."

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Quelle:
SZ vom 16.03.2017
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