Weibliche Experten in den Medien:"Antworten, auch wenn die Haare schlecht sitzen"

Global Summit of Women

Die französische Ministerin für Frauenrecht und Sport, Najat Vallaud-Belkacem, (r) neben der Päsidentin des Global Summit of Women, Irene Natividad (l), am 4. Juni in Paris.

(Foto: AFP)

Handtasche statt fundierte Meinung: Wenn Frauen in den Medien vorkommen, geht es selten um ihre Inhalte, sondern eher um ihr Aussehen. Managerinnen wollen das nun ändern.

Von Alexandra Borchardt, Paris

Auf der einen Seite gibt es das Handtaschen-Problem. Als sie neu im Amt und auf ihrem ersten Staatsbesuch gewesen sei, hätten alle nur darüber diskutiert, ob sie eine zu große Handtasche getragen habe, erzählt Finnlands ehemalige Präsidentin Tarja Halonen. Auf der anderen Seite muss man diese Art des Handtaschen-Problems erst mal bekommen, sprich: Es muss überhaupt über einen geredet werden. Und da sieht es schlecht aus, wie viele Führungsfrauen aus Wirtschaft und Politik auf dem Global Summit for Women am Wochenende in Paris beklagten.

Wenn Medien über Frauen berichten, geht es tatsächlich immer noch um den tiefen Ausschnitt, die Augenringe, die Farbe der Jacke. Als Expertinnen kommen Sie kaum vor. "Die Stimmen von Frauen werden nicht gehört", sagt Monica Smiley Gründerin und Chefredakteurin des US-Magazins Enterprising Women, das auch digital erscheint und über eine Million Leserinnen in aller Welt hat.

Nur etwa 20 Prozent der genannten Quellen sind Frauen

Ob es eine Analyse der Titelseite der New York Times ist, eine Erhebung über das französische Fernsehen oder über Medien in Australien: Gleich mehrere Studien haben ergeben, dass nur um die 20 Prozent der genannten Quellen Frauen sind, zuweilen auch weniger. Und dies hat Folgen. Denn kommen Frauen nicht prominent vor, werden sie auch von anderen nicht um ihre Meinung gebeten. Außerdem fallen sie als Vorbilder für jene Frauen aus, die immer wieder daran zweifeln, ob ihre Erkenntnisse wirklich zählen, ob sie klug genug sind oder ob sie sich bestimmte Aufgaben überhaupt zutrauen sollten.

"Wenn Männer ein Buch geschrieben haben, betrachten sie sich noch 15 Jahre später als Experte zu einem Thema", sagt die Chefredakteurin der Frauenzeitschrift Elle, Anne-Cecile Sarfaty. Frauen hingegen äußerten sich erst, wenn sie glaubten, wirklich alles an einer Sache zu verstehen.

Die Wirtschafts-Nachrichtenagentur Bloomberg geht das Problem an. Sie hat eine ehemalige Wall-Street-Reporterin damit beauftragt, für mehr Berücksichtigung von Frauen in der Berichterstattung zu sorgen. Lisa Kassenaar darf sich nun "Editor at large for global women's coverage" nennen. Ihr Job ist es, 2400 Redakteure weltweit darin zu coachen, mehr Frauen in ihren Geschichten vorkommen zu lassen. "Ich sensibilisiere Reporter dafür, wie sie an ihre Berichterstattung herangehen", sagt Kassenaar, die während der Finanzkrise entdeckt hatte, dass ihre Ansprechpartner zu 100 Prozent Männer waren.

Bloomberg will mehr Frauen zitieren

Bei Bloomberg gibt es deshalb nun folgende Vorgaben: Erstens sollen die Reporter mehr Frauen als Quellen und Zitatgeber nutzen. Zweitens sind sie verpflichtet, die wichtigsten Frauen der Branche zu kennen, über die Sie berichten. Dies habe zu, Beispiel einem Reporter sehr genutzt, als der Autokonzern General Motors plötzlich eine Chefin bekam. Drittens richtet Bloomberg mit Hilfe seiner Leser eine Datenbank mit Expertinnen ein, um immer genug Frauen für Konferenzen aufbieten zu können. Und viertens gibt es Geschichten über Konzerne, die allzu männlich daherkommen.

Das funktioniert. "Kollegen holen sich bei mir auch Rat", sagt Kassenaar. Kürzlich habe ein älterer Redakteur angefragt, ob es erlaubt sei zu schreiben, dass eine Managerin einen Rüschen-Rock getragen habe.

Cassandra Kelly, Gründerin und Vorstandsvorsitzende des australischen Finanzberatungs-Konzerns Pottinger, hat ein einfaches Mittel gefunden, um Druck auszuüben. "Wenn ich zu einer Konferenz eingeladen bin, sage ich immer, ich komme nicht, wenn keine anderen Frauen auf dem Podium sitzen", sagt sie. Dies wirke, weil sie sehr gefragt sei.

Sichtbar sein, bei jeder Gelegenheit

Am besten klappe es aber immer noch über das Geld, sagt Anna Serner, Vorstandschefin des Schwedischen Film-Instituts. Als sie ihr Amt angetreten habe, sei sie entsetzt darüber gewesen, wie schlecht Frauen in Filmproduktionen repräsentiert waren. Filmförderung sei jedoch ein mächtiges Instrument. "Die Firmen finden plötzlich Frauen, weil sie unser Geld wollen", sagt Serner. Seit dem Jahr 2000 habe sich zum Beispiel der Anteil der Filme mit Drehbuchautorinnen verdoppelt, der mit Produzentinnen sei um ein Drittel gestiegen.

Führungsfrauen auf dem Global Summit hatten aber auch eine Botschaft an die Frauen: "Verpassen Sie niemals eine Gelegenheit, um sich sichtbar zu machen", sagt Elle-Chefredakteurin Sarvaty. Frauen hätten oft mit Beruf und Familie so viel zu tun, dass sie glaubten, die Zeit für Interviews könnten sie sich sparen. Aber dies sei ein Fehler. Also nicht zweifeln, nicht erst noch ein weiteres Buch lesen wollen. Und auch nicht auf den Friseurtermin warten. Wie Brigitte Gresy, Mitglied der französischen Gleichstellungskommission es formuliert: "Wir müssen immer antworten, wenn die Medien anrufen, auch wenn unsere Haare gerade schlecht sitzen."

Irene Natividad, Gründerin des Global Summit, schneidet allen das Wort ab, die meinen, es gebe schlicht nicht genügend Expertinnen. "Es gibt nicht nur genug Frauen, es gibt herausragende Frauen im Überfluss", sagt Natividad. Der Blick auf die Teilnehmerliste des Global Summit, gefüllt mit den Namen von 1200 Top-Frauen aus 81 Ländern, dürfte sie bestätigt haben.

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