Wall Street:Teure Diskriminierung

In den USA wehren sich Bankerinnen gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz. Mitarbeiterinnen einer Allianz-Tochter fordern jetzt 1,4 Milliarden Dollar Schadensersatz. Weitere Klagen an der Wall Street könnten folgen.

Andreas Oldag

Die Wall Street ist eine Männergesellschaft, die der amerikanische Autor Tom Wolfe in seinem Roman "Fegefeuer der Eitelkeiten" treffend beschreibt. Seine Schlüsselfigur, der Investmentbanker Sherman McCoy, brüstet sich als "Herrscher des Universums". "Es gab keine Schranken", heißt es in dem Bestseller. Auch im wirklichen Leben fühlen sich viele Banker, Broker und Firmenchefs als Mitglieder einer verschworenen Gemeinschaft, in der ehrgeizige Karrierefrauen ohnehin keinen Platz haben.

Wall Street: Erstritt 12 Millionen Dollar wegen Diskriminierung: Die ehemalige Morgan-Stanley-Managerin Allison Schieffelin nach ihrem Sieg vor dem Bundesgericht in Manhattan

Erstritt 12 Millionen Dollar wegen Diskriminierung: Die ehemalige Morgan-Stanley-Managerin Allison Schieffelin nach ihrem Sieg vor dem Bundesgericht in Manhattan

(Foto: Foto: AP)

Doch manchmal kommt es in der Wirklichkeit ganz anders als im Roman: Sechs Mitarbeiterinnen haben jetzt eine Milliardenklage gegen die zum AllianzKonzern gehörende Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein wegen Diskriminierung eingereicht. Sie fordern eine Entschädigung von 1,4 Milliarden Dollar, die mindestens 500 Kolleginnen zugute kommen soll, wie die Rechtsanwaltskanzlei Thompson Wigdor & Gilly am Dienstag in New York mitteilte.

In der Klageschrift heißt es, das Unternehmen biete Frauen nicht die gleichen Chancen wie Männern und bezahle sie schlechter für gleichwertige Arbeit. Frauen würden bei Dresdner Kleinwort Wasserstein als Bürger zweiter Klasse behandelt und häufig nur als Blickfang eingestellt. Außerdem komme es im Alltag zu Diskriminierungen. Beispiele seien abschätzige Bemerkungen über Mutterschaftspausen und der Ausschluss von Frauen aus Besprechungen mit Kunden, die in Strip-Clubs stattfinden.

Dresdner Kleinwort Wasserstein erklärte dagegen, das Unternehmen halte alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen ein und sei zuversichtlich, dass die Vorwürfe haltlos seien.

Weniger Frauen

Brisant ist, dass dem Verfahren weitere Klagen an der Wall Street folgen könnten. Insbesondere in US-Banken und Brokerhäusern gilt das Betriebsklima als frauenfeindlich und diskriminierend. Nur wenige Frauen, wie zum Beispiel Sallie Krawcheck, Finanzchefin der weltgrößten Bank Citigroup, haben es in Top-Positionen geschafft. Der Anteil von Frauen im Bankgeschäft hat sich in den vergangenen fünf Jahren sogar von 43 auf 37 Prozent verringert. Gerade mal 14 Prozent der Direktorenposten sind von Frauen besetzt.

Klagen solcher Art werden in den meisten Fällen außergerichtlich beigelegt. Die beklagten Firmen stehen unter dem Druck der Öffentlichkeit und wollen einen Imageschaden vermeiden. So einigte sich die Investmentbank Morgan Stanley im Jahr 2004 in einer Klage von Mitarbeiterinnen auf eine Vergleichszahlung von insgesamt 54 Millionen Dollar. Allein die Hauptklägerin Allison Schieffelin, eine ehemalige Wertpapierhändlerin, erhielt zwölf Millionen Dollar. Sie hatte ihren Arbeitgeber beschuldigt, bei Beförderung und Bezahlung benachteiligt worden zu sein.

Frauen, aber auch Männer, die sich in den USA am Arbeitsplatz benachteiligt sehen, können sich an die Gleichstellungsbehörde EEOC (Equal Employment Opportunity Commission) in Washington wenden. Schlagzeilen machte ein Fall, der im Jahr 1989 mit Unterstützung der EEOC vor dem Obersten Gerichtshof zugunsten einer Klägerin entschieden wurde.

Es ging um eine Mitarbeiterin des Wirtschaftsprüfungsunternehmens PriceWaterhouse, der die Beförderung zur Partnerin verweigert wurde. Weil sie nach Meinung ihrer männlichen Vorgesetzten außerdem zu unfreundlich mit Kunden umging, wurde ihr der Besuch einer "Charme-Schule" empfohlen.

Tausende Beschwerden

In einem anderen Fall einigte sich das Wertpapierhaus Smith Barney 1997 auf eine außergerichtliche Zahlung von 100 Millionen Dollar zugunsten von 2000 Mitarbeiterinnen. Sie warfen Vorgesetzten sexuelle Belästigung vor. Einen erheblichen Teil der vor Gericht erstrittenen Summen kassieren allerdings gewöhnlich hoch bezahlte Anwälte der Kläger.

Die EEOC bearbeitete im Jahre 2004 insgesamt 26.598 Beschwerden wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz. Knapp 60 Prozent der Fälle wurden allerdings als unbegründet eingestuft. Immerhin nahm die Organisation 100,8 Millionen Dollar an Entschädigungszahlungen ein, die den Klägern zugute kamen. Zudem führt die Statistik der EEOC 13.786 bearbeitete Beschwerden wegen sexueller Belästigung auf. Davon waren 15 Prozent von Männern eingereicht worden. Etwa jeder zweite Fall - 49 Prozent - erwies sich als unbegründet. Die EOCC wurde 1964 im Zuge des amerikanischen Gleichstellungsgesetzes (Civil Rights Act) gegründet.

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