Süddeutsche Zeitung

Vortrag:Zwei, drei Sätze

Michael Gerharz erklärt, warum die Arbeit an jeder Präsentation mit der Klärung der Kernaussage beginnen sollte.

Interview von Gunthild Kupitz

Jeden Tag werden weltweit schätzungsweise 30 Millionen Präsentationen gehal-ten - nur etwa vier Prozent begeistern die Zuhörer. Bleiben 96 Prozent, die bestenfalls langweilig, schlimmstenfalls quälend sind. Warum das so ist, weiß Kommunikationsberater Michael Gerharz.

SZ: Präsentationen werden von vielen als entsetzlich öde empfunden - und zwar sowohl von denen, die sie vorbereiten als auch von denen, für die sie gemacht werden. Was läuft da schief?

Michael Gerharz: Wenn das Publikum eine Präsentation oder Rede uninteressant findet, dann ist sie das auch. Punkt. Dann hat der Vortragende etwas verkehrt gemacht. Ein typischer Fehler ist die falsche Perspektive: Statt sich zu fragen, was das Thema mit dem Zuhörer zu tun hat, reden viele darüber, was sie selbst daran spannend finden und breiten dazu ihr gesamtes Wissen aus. Doch den Zuhörer kümmern die technischen Details des Algorithmus gar nicht, mit dem sich die Batterielaufzeit um 2,6 Prozent steigern lässt. Stattdessen will er wissen, ob das sein Problem löst. Und das lässt sich sogar oft schon in zwei oder drei Sätzen auf den Punkt bringen. Leider überlegen sich viele Redner diese Sätze gar nicht, die man als Kernaussage mitnehmen soll.

Sondern?

Die meisten beginnen ihre Arbeit an einer Präsentation damit, dass sie das Powerpoint-Programm in ihrem Computer öffnen. Anschließend tippen sie alles runter, was ihnen zu der gestellten Aufgabe einfällt und feilen zum Schluss noch an den Übergängen. Sie machen sich nicht wirklich die Mühe, darüber nachzudenken: Was ist eigentlich meine Botschaft? Das verleitet dazu, viel zu viel auf viel zu viele Folien zu schreiben - auch weil Präsentationen in Firmen oft als Dokumentation missbraucht werden und als Versicherung gegenüber Vorgesetzten, dass nichts Wesentliches vergessen wurde.

Was ist so schlecht daran?

Das Problem ist, dass das Publikum automatisch alles liest, was auf den Folien steht. Doch dann kann es nicht mehr zuhören; beides gleichzeitig funktioniert nicht. Wenn es aber nicht zuhört, kann der Redner es auch nicht begeistern. Dabei ist er es, warum die Leute überhaupt zum Vortrag kommen. Sonst könnte man die Folien ja auch verschicken und alle würden eine Menge Zeit und Geld sparen.

Warum geschieht es so selten, dass Vortragende begeistern?

Weil viele nicht von dem überzeugt sind, was sie erzählen. Wer nicht an sein Produkt glaubt, an seine Idee, an sein Konzept, der kann auch andere nicht dafür begeistern. Dazu kommt, dass wir alle viel weniger rational denkende Menschen sind, als wir selbst vielleicht meinen. Tatsächlich sind wir in erster Linie fühlende Wesen, die auch denken können. Das beeinflusst auch die Art, wie wir Informationen aufnehmen. Wenn es einem Redner gelingt, mir die wesentlichen Fakten so anschaulich zu erzählen, dass ich verstehe, was sie mit mir zu tun haben, wenn mich also seine Beispiele und Geschichten emotional berühren, dann kommen auch die abstraktesten Inhalte bei mir an. Und die bleiben auch in meinem Kopf.

Gibt es noch mehr, was man falsch machen kann?

Natürlich sollte man wissen, worüber man redet. Wer sein Thema nicht beherrscht und nicht wirklich vorbereitet ist, hat nur eine sehr dünne Decke, hinter der er sich verstecken kann. Das lässt einen dann entsprechend nervös werden. Außerdem sollte man seinen Vortrag oder seine Präsentation unbedingt vorher üben. Dafür reicht es aber nicht, das nur im Kopf zu tun - erst recht nicht, wenn es einem unangenehm ist, vorne zu stehen. Also: Sich hinstellen und laut den kompletten Ablauf durchgehen.

Macht es eigentlich einen Unterschied, ob man vor 20 oder vor 200 Leuten eine Präsentation hält? Und ob es Kollegen sind oder die Führungsebene ist?

Nein. Die Grundprinzipien erfolgreicher Kommunikation sind dieselben: Die Kernbotschaft muss deutlich werden. Und je anschaulicher man das erklären kann und je leidenschaftlicher man da- für brennt, desto besser gelingt es. Der langjährige Journalistenschulleiter Wolf Schneider hat gesagt: "Einer muss sich quälen - entweder der Autor oder der Leser." Wer also gelesen werden möchte oder als Redner gehört werden will, muss sich um sein Publikum bemühen. Sonst hat man sehr schnell keines mehr.

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Quelle:
SZ vom 07.05.2016
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