Süddeutsche Zeitung

Vorstellungsgespräch:Zu schüchtern, zu nüchtern

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Auch von Ingenieuren wird Kommunikationskompetenz verlangt. Defizite zeigen sich in den eingereichten Unterlagen wie im Bewerbungsgespräch. Viele können ihre Begeisterung für den Job nicht rüberbringen.

Von Joachim Göres

Ingenieure werden in vielen Branchen händeringend gesucht. Gleichzeitig finden viele von ihnen keine Arbeit, die ihrer Qualifikation entspricht. "Ich habe oft mit Ingenieuren zu tun, die trotz vorhandener Kompetenz wegen schlechter Bewerbungsunterlagen nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden", sagt Andrea Huinink, Karriereberaterin aus Braunschweig. Die studierte Diplomkauffrau hat einst für eine große Bank in der Personalabteilung Bewerbungsunterlagen gesichtet und Vorstellungsgespräche geführt. Heute berät sie als selbständiger Coach Menschen, die Hilfe auf dem Weg zu einer neuen Stelle suchen.

Es kommt gut an, wenn man technische Details so erklären kann, dass Laien sie verstehen

Konkrete Tätigkeiten im Lebenslauf angeben, sich nicht hinter Worthülsen wie Projektmanagement verstecken, sich auch für Nichtingenieure verständlich ausdrücken, die Motivation für die Bewerbung erläutern und zeigen, dass man sich über das Unternehmen informiert hat - so lauten einige von Huininks grundsätzlichen Ratschlägen. Besondere Bedeutung habe immer noch das Bewerbungsfoto: "Eine sympathische und freundliche Ausstrahlung ist wichtig, das wird gerade von Ingenieuren total unterschätzt." Sie nennt zudem Fehler, die "absolute No-Gos" seien: unvollständige Angaben ohne Erläuterung, unsortierte Unterlagen, Rechtschreibfehler. Wie lange sollte man auf eine Antwort warten? "Maximal drei Wochen."

Ist die erste Auswahlhürde überstanden, kommen beim Vorstellungsgespräch neue Herausforderungen auf die Bewerberinnen und Bewerber zu. "Ingenieure sind meist nüchtern und an Zahlen, Daten, Fakten orientiert. Sie erzählen nur wenig und bleiben zurückhaltend, unabhängig vom Alter. Ich versuche, ihnen klarzumachen, dass dann kommunikationsfreudigere Interessenten die Stelle bekommen. Man sollte beachten, dass der Personaler meist kein Ingenieur ist und man ihm nicht mit knappen Worten etwas erklären muss, sondern gerne etwas von der Begeisterung für diesen Beruf rüberbringen darf", sagt Huinink. Sie betont: "Man muss dafür nicht schauspielern oder etwas erzählen, was nicht stimmt." Wer von sich aus zu ihr komme, der sei "bereit zur persönlichen Veränderung. Wir arbeiten dann an den inneren Blockaden".

90 Prozent der Bewerber, mit denen es Jan-David Wagner zu tun hat, sind Uniabsolventen. "Je kürzer die Unterlagen sind, umso besser. Die ersten Seiten gucke ich mir an", sagt der Teamleiter der mehr als 8600 Mitarbeiter zählenden Edag Engineering GmbH mit Hauptsitz in Wiesbaden, die Fahrzeuge für die Automobilindustrie entwickelt. Gesucht werden Fachleute für die Richtungen Elektrotechnik, Fahrzeugtechnik, Informatik, Kunststofftechnik, Luft- und Raumfahrttechnik, Maschinenbau, Mechatronik und Wirtschaftsingenieurswesen. Allein am Standort Wolfsburg fehlen 150 Ingenieure. "Ein neuer Mitarbeiter muss ein Problemlöser für das Unternehmen sein. Und 98 Prozent der Probleme sind Kommunikationsprobleme. Mehr als die Hälfte der Bewerber sieben wir gleich aus, unter anderem wegen unzureichender Deutschkenntnisse bei ausländischen Ingenieuren", betont Wagner. Fehlende Angaben in den Unterlagen findet er nicht so tragisch - um Näheres zu erfahren, ruft er häufiger an, nicht zuletzt, um einen ersten Eindruck zu bekommen.

"Vielen Absolventen fehlt die Sozialkompetenz. Das spielt im Studium eine zu geringe Rolle", ergänzt Svenja Biering, die für das Recruiting bei Edag zuständig ist. Sie freut sich, wenn im Gespräch die Leidenschaft zum Beispiel für das Thema der Magisterarbeit deutlich wird und der Bewerber sich bemüht, ihr als fachfremder Person die Inhalte zu erklären. "Oft fehlt leider diese Emotionalität, es gibt eine Angst davor", sagt Wagner. Er schätzt Bewerber, die sein Unternehmen von Praktika oder als Werkstudent bereits kennen und so eine künftige Tätigkeit realistisch einschätzen können.

Mirella Neumann arbeitet in der Personalabteilung der Dekra Automobil GmbH, die ständig Prüfingenieure und Sachverständige einstellt, pro Jahr circa 400. Von der Stuttgarter Zentrale aus wird der weltweit 45 000 Mitarbeiter zählende Konzern geleitet, der unter anderem in den Bereichen Fahrzeugprüfung und Schadensregulierung tätig ist. "In Deutschland haben wir 78 Standorte. Viele Bewerber zieht es in die Ballungsgebiete. Bei der Besetzung von Stellen in ländlichen Regionen haben wir eher Probleme", sagt Neumann. Sie führt mit Interessenten in Baden-Württemberg Vorstellungsgespräche und hat beobachtet, dass häufig nicht der Verdienst bei den Bewerbern im Vordergrund steht, sondern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. "Sie müssen fehlerfrei und klar formulieren können und sollten motiviert sein, sich mit Kraftfahrzeugen zu beschäftigen", nennt Neumann wichtige Kriterien. Auch die Dekra stellt vorwiegend Hochschulabsolventen ohne Berufserfahrung ein, die im Unternehmen weiter ausgebildet werden. Die Personalerin fügt hinzu: "Initiativbewerbungen sind bei uns gerne gesehen."

Die VDI Nachrichten veranstalten regelmäßig sogenannte Recruitingtage für Ingenieure, wo Arbeitgeber und Fachkräfte auf Stellensuche zusammenkommen. Die nächsten Termine sind in Dortmund (14.2.), Mannheim (3.3.), München (12.3.) und Ludwigsburg (20.3.). Weitere Termine unter www.ingenieur.de/recruitingtag.

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SZ vom 24.01.2020
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