Kreuzverhör im Vorstellungsgespräch:Bewerber im Belastungstest

Es gibt Vorstellungsgespräche, die einem Kreuzverhör ähneln. Unangenehme Fragen sollen die Belastbarkeit der Kandidaten testen. Wie man am besten darauf reagiert, erklärt Bewerbungsexperte Thorsten Knobbe.

Isa Hoffinger

SZ: Was sind typische Stressfragen im Vorstellungsgespräch?

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Thorsten Knobbe ist Geschäftsführer von Leaderspoint.de, einer webgestützten Karriereberatung für Führungskräfte.

(Foto: Foto: oh)

Thorsten Knobbe: Suggestive Fragen, die das Selbstvertrauen ankratzen und Bewerber aufs Glatteis führen sollen, etwa "Finden Sie nicht auch, dass Sie für diese Stelle viel zu unerfahren sind?" Oder: "Was hat Sie an Ihrem letzten Vorgesetzten am meisten gestört?" Ein aggressiver Tonfall kommt selten vor. Eher schweigen Personaler, um Bewerber aus der Reserve zu locken - oder sie machen ihnen plötzlich Komplimente.

SZ: Sind solche Strategien denn überhaupt sinnvoll?

Knobbe: Diese rhetorischen Techniken werden gern im Assessment Center eingesetzt. Bei den Antworten wird darauf geachtet, wie der Bewerber sich verhält. Muss er lange überlegen? Widerspricht er sich plötzlich oder kann er trotzdem strukturiert argumentieren? Daraus kann man durchaus Rückschlüsse auf gewisse Persönlichkeitsmerkmale ziehen. Ich halte allerdings nichts von Stressfragen. Sie verhindern, dass eine vertrauensvolle Atmosphäre entsteht.

SZ: Welche Bewerber müssen mit Stressinterviews rechnen?

Knobbe: Je qualifizierter die Stelle, desto wahrscheinlicher sind heikle Fragen. Auch Ungereimtheiten im Lebenslauf können der Anlass sein. Heute besitzen viele Bewerber eine Doppelqualifikation, etwa Erfahrung als Verkaufsleiter und als Controller. Wenn sich jemand dann im Bereich Controlling bewirbt, muss er erklären, warum er in dieser Position tätig sein möchte. Auch wenn jemand häufig den Arbeitgeber gewechselt hat oder erst spät in das Berufsleben einsteigt, sollte er sich vorher überlegen, welche Fragen auftauchen könnten.

SZ: Wie kann ich souverän auf Attacken reagieren?

Knobbe: Auf keinen Fall sollte man sofort abweisend reagieren, also kontern: "Das sehe ich aber anders." Gegenfragen oder die bedingte Zustimmung, etwa "Das ist ein wichtiger Punkt. Aber sind Sie nicht auch der Meinung, dass..." sind bewährte diplomatische Möglichkeiten. Politiker verstehen es meisterhaft, von kritischen Punkten abzulenken. Wichtig ist es aber, sich klarzumachen, dass auch Personalchefs nur Menschen sind und nicht jede direkte Frage gleich ein persönlicher Angriff ist.

SZ: Zum Schluss eine Stressfrage: Ihr Coaching ist nicht gerade günstig. Lohnt sich das überhaupt?

Knobbe: Wir versuchen, die Ziele unserer Klienten möglichst konkret abzustecken. Dazu gehört auch die Überlegung, welche Arbeitsweise zu ihnen passt. Extrem konfrontative Gespräche sagen auch etwas über die Unternehmenskultur aus. Wer als Bewerber Schläge unter der Gürtellinie einstecken muss, kann damit rechnen, dass Provokationen im Arbeitsalltag öfter vorkommen. Ob sich ein Job in einer solchen Firma lohnt, muss jeder selbst entscheiden.

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