Vorgesetzte:Wie führt man seinen Chef?

Vorgesetzte neigen dazu, sich nicht so zu verhalten, wie es ihre Mitarbeiter wünschen. "Cheffing" schafft Abhilfe: die Kunst, den Chef konstruktiv zu beeinflussen.

Julia Bönisch

"Bossing" ist das Mobbing von oben: Chefs drangsalieren ihre Mitarbeiter. "Cheffing" dagegen meint etwas ganz anderes: Es ist die Fähigkeit, seinem Vorgesetzten nicht mehr ausgeliefert zu sein, ihn mit etwas Geschick dorthin zu steuern, wo man ihn haben will.

Die meisten Mitarbeiter verfolgen zwei Strategien im Umgang mit höheren Abteilungen: Entweder begreifen sie sich als Opfer - "Der Chef ist blöd und schuld an allem, aber das sage ich ihm nicht, sonst kriege ich Ärger" - oder sie ignorieren die Probleme am Arbeitsplatz. "Das passt schon so, das ist überall so und kann auch gar nicht anders sein", lautet das Prinzip. Auch dann wird sich nichts ändern.

Doch wenn Mitarbeiter geschickt Einfluss nehmen, bringen sie ihren Chef dazu, das zu tun, was sie wollen. "Beim Cheffing gibt es zwei Ebenen", erklärt der Coach und Strategieberater Heinz-Jürgen Herzlieb. "Das läuft sowohl formell wie auch subtil ab." Herzlieb, Autor des Ratgebers "Cheffing. Führung von unten", erklärt an fünf Standardsituationen, wie es funktioniert und wie man im Notfall sogar den eigenen Chef feuert.

Standardsituation 1: Der Chef trifft nur ungern Entscheidungen.

Chefs, die nie klare Entscheidungen fällen, sind anstrengend: Sie verzögern Prozesse, lassen Verantwortlichkeiten ungeklärt und sorgen so für Chaos in der ganzen Abteilung. Das kostet Kraft und Nerven. Doch anstatt so lange zu warten, bis es zu spät ist, können Untergebene rechtzeitig selbst etwas tun.

Herzlieb rät, dem Chef zunächst Vorschläge zur Diskussion zu stellen. Hilft das nichts - was bei solchen Chefs wahrscheinlich ist - sollte man diese Vorschläge schriftlich fixieren. "Das alles muss natürlich immer in einem angemessenen Tonfall und mit dem nötigen Respekt geschehen. Ironie oder Zynismus sind fehl am Platz. Der Chef will ernst genommen werden", erklärt Herzlieb.

Kommt auch dann noch keine Reaktion vom Vorgesetzten, sollte der Mitarbeiter mehrere Lösungen vorschlagen und den Vorgesetzten bitten, alles nicht in Frage kommende abzulehnen. "Und wenn alle Stricke reißen, trifft man die Entscheidung selber und legt sie dem Chef zur Kenntnisnahme vor."

Auf der nächsten Seite: Standardsituation 2 - der Chef kritisiert nur, ein Lob ist wie ein Fremdwort für ihn.

Wie führt man seinen Chef?

Standardsituation 2: Der Chef kritisiert nur, ein Lob ist wie ein Fremdwort für ihn.

"Auch hier sollte man wieder höflich und freundlich um ein Gespräch bitten und ein Feedback einfordern", so Herzlieb. "Ihre Kritik ist sehr hilfreich und hat mir in der Vergangenheit schon oft geholfen, mich zu verbessern. Wenn Sie mir noch meine Stärken nennen, kann ich mich noch mehr verbessern", könnte etwa der Beginn so einer Unterhaltung lauten.

Angst vor dem Chef braucht man laut Herzlieb dabei nicht zu haben. Vorgesetzte seien meist ganz normale Menschen mit Ängsten, Sorgen und Nöten wie andere Mitarbeiter auch. "Der tobende Choleriker, der mit Akten um sich schmeißt, wenn man ihn um eine Unterhaltung bittet, ist die absolute Ausnahme. Die meisten freuen sich, wenn die Mitarbeiter sie um ein Gespräch bitten und ihnen eine Rückmeldung geben." Er rät, konstruktiv präsent zu sein und dennoch keine Scheu vor Konflikten zu haben.

Standardsituation 3: Der Chef trifft einsame Entscheidungen.

Chefs, die alles selber erledigen, nie informieren und den Mitarbeitern rein gar nichts zutrauen, sind genauso mühsam wie solche, die alles ihren Untergebenen überlassen. Ihnen Diskussionsvorschläge zu unterbreiten, bringt oft wenig.

"Bei so einem Chef kann man sich höflich, nicht zynisch, dafür bedanken, dass er ein Problem so schnell und effizient gelöst hat", empfiehlt Herzlieb. So fühle sich der Vorgesetzte erst einmal geschmeichelt - ein guter Anfang. Danach könne man ihn darum bitten, sein Team das nächste Mal rechtzeitig einzubinden und ihm die Vorteile eines solchen Verhaltens aufzeigen: mehr Effizienz, Unterstützung durch seine Leute, zusätzlicher Input.

Auf der nächsten Seite: Standardsituation 4 - der Chef ist ein Wendehals - heute will er es so, morgen anders.

Wie führt man seinen Chef?

Standardsituation 4: Der Chef ist ein Wendehals - heute will er es so, morgen anders.

Widersprüchliche Anweisungen, vergessene Absprachen, nicht eingehaltene Regeln: Chefs, die nicht wissen, was sie wollen und deshalb ständig alles neu bestimmen, sind eine Qual. "Da hilft nur eins", so Herzlieb. "Man muss alles dokumentieren. Man fertigt etwa eine Gesprächsnotiz an und schickt sie dem Chef zur Kenntnisnahme." Als Grund für solch ein Verhalten kann man etwa Folgendes anführen: "Damit ich die Abläufe in Zukunft besser verstehe, habe ich alles noch einmal aufgeschrieben." So fühlt sich der Chef nicht angegriffen.

Standardsituation 5: Der Chef hat keine Ahnung.

In vielen Unternehmen werden Angestellte nicht nach Wissen und Können befördert, sondern aus rein politischen Gründen. Gute Kontakte in die Geschäftsleitung, einflussreiche Freunde oder Zwänge innerhalb der Firma führen oft dazu, dass plötzlich jemand einen Bereich leiten muss, von dem er eigentlich keine Ahnung hat.

"In solchen Fällen muss man seinen Chef erfolgreich machen", sagt Herzlieb. "Denn nur solange er als gut gilt, gelten es die Mitarbeiter auch." Unterstützung aus dem Hintergrund, Hilfe wo es nur geht, lautet also hier die Strategie. "Wenn der Chef den Beistand nicht annimmt und wirklich gar nichts kann, klappt nur noch eins: Man muss ihn absägen."

Den eigenen Chef feuern - wie funktioniert das? "Wenn sich die ganze Abteilung zusammentut und geschlossen vor der nächsthöheren Ebene auftritt, kann eigentlich gar nichts passieren. Man muss dem Management anhand von Beispielen deutlich machen, wie unfähig der Vorgesetzte ist. Dann bekommt man einen neuen Chef."

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