Virtuelle Hochschulen:Wie das Fernstudium die Karriere voranbringt

Katzenpsychologie, Bibelkunde oder ein ganz normaler Master: Per Fernstudium lassen sich unbekannte Welten entdecken oder versäumte Abschlüsse nachholen. Pensum und Tempo bestimmen die Teilnehmer selbst - der Markt boomt.

Von Wirtschaft bis Thalasso-Therapie, von Spanisch bis Gartengestaltung, von Abitur bis Master, von IHK-Fachwirt bis Branchenzertifikat: Das Angebot an Fernlehrgängen und -studien ist riesig. 387.000 Frauen und Männer haben sich in Deutschland im Jahr 2010 per Fernunterricht fortgebildet, meldet der Fachverband Forum DistancE-Learning. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 waren es noch 310.000 Personen. Doch die Lust am Lernen alleine ist es wohl nicht, die den Markt des Fernunterrichts befeuert.

Schaut man sich Teilnehmer und Angebote an, wird deutlich, wie wichtig Fort- und Weiterbildung geworden sind, um auf der Höhe der Zeit und konkurrenzfähig zu bleiben: Lehr- und Studiengänge aus der Betriebswirtschaftlehre liegen mit 35 Prozent ganz vorne. Mit deutlichem Abstand folgen Angebote aus den Bereichen Freizeit, Gesundheit und Haushalt (17 Prozent), wobei die beliebtesten Kurse solche zur Ernährungsberaterin, für Kreatives Schreiben und eine Heilpraktiker-Ausbildung sind. EDV-Lehrgänge machen elf Prozent aus, danach folgen Sprachen, schulische Ausbildungen sowie Angebote zu Mathematik, Technik und Naturwissenschaften.

Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen staatlich zugelassenen Studien- und Lehrgängen und solchen, die lediglich der Freizeitgestaltung, Unterhaltung oder Lebenshilfe, dienen, wie beispielsweise Bibelkurse, Seminare über Ahnenforschung oder Katzenpsychologie. Die große Mehrheit der Fernlerner belegte aber einen jener Ausbildungsangebote, deren fachliche Inhalte und didaktische Aufbereitung zuvor von der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) begutachtet worden waren.

Auf dem großen Markt für Weiterbildung zählen das ILS Institut für Lernsysteme, die SGD Studiengemeinschaft Darmstadt und die HAF Hamburger Akademie für Fernstudien zu den größten Anbietern. Die bekanntesten Hochschulen sind die Fernuni Hagen, die AKAD Privathochschulen, die Euro-FH und die Deutsche Universität für Weiterbildung, zugleich die erste staatlich anerkannte Hochschule für Weiterbildung. Außerdem bieten einige Präsenzhochschulen wie die TU Kaiserslautern, die Uni Rostock und die FH Lübeck Fernstudien an.

Der Wunsch, einen akademischen Abschluss zu erwerben, ohne den Job aufgeben zu müssen, beschert diesen Anbietern einen wahren Boom: Die Zahl der Fernstudenten hat sich seit 2003 verdoppelt. Knapp 102.000 Personen belegten im Jahr 2011 einen Studiengang an einer der 16 staatlich anerkannten Fernhochschulen, 16.000 weitere waren an einer der 86 Präsenzhochschulen mit Fernstudienangeboten eingeschrieben.

Betriebliche Weiterbildung oder Privatsache

Übrigens ist die Weiterbildung per Fernunterricht nicht immer Privatsache: Auch betriebliche Weiterbildung auf diesem Wege ist möglich - entweder weil einzelne Mitarbeiter die Initiative ergreifen oder weil das Unternehmen für eine Gruppe von Mitarbeiterin eine innerbetriebliche Fortbildung organisiert, zum Beispiel eine Führungskräfteschulung.

Charakteristisch für Fernunterricht ist, dass die Lehrenden aus der Distanz Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln und Erfolge kontrollieren. Trotzdem basiert der Fernunterricht heute fast immer auf mehreren Säulen: Zum einen gehört dazu das Selbststudium mit Lehrbriefen, die per Post versandt werden, sowie audio-, video- oder computergestützte Materialien - mit dem großen Vorteil, dass jeder Studierende Pensum und Tempo selbst bestimmen kann. Zweitens finden Präsenzeinheiten an Wochenenden oder als Blockveranstaltung statt. Und drittens gibt es Tutorengruppen in Wohnortnähe, wobei einer der Teilnehmer die Tutorenfunktion übernimmt, oder virtuelle Lerngruppen, um sich mit anderen Studenten über fachliche Fragen oder Probleme austauschen zu können und sich gegenseitig zu motivieren.

Ein Teil der Lehrgänge bereitet auf staatliche Abschlussprüfungen vor, wie sie für Handwerker, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer üblich sind. Doch nicht die Fernlehrinstitute selbst nehmen die Prüfungen ab, sondern die jeweils zuständige Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer sowie das Wirtschafts- oder Kultusministerium im Falle schulischer Abschlüsse. Die Hobby-Fernlehrgänge führen natürlich nicht zu einem staatlich anerkannten Abschluss, sondern lediglich zu einem Zertifikat, das die Institute selbst ausstellen.

Für das kommende Jahr erwarten die Anbieter von Fernunterricht einen Anstieg der Teilnehmerzahlen in den Fachbereichen Gesundheit und Psychologie, ergab eine Umfrage des Internetportals "Fernstudium direkt" unter 30 Fernschulen. Der Grund: Durch die Reformen im Gesundheitswesen bilden sich neue Berufsbilder wie Gesundheitsberater und Gesundheitspädagoge heraus, und in der Wirtschaft steigt der Bedarf an Betriebs- und Wirtschaftspsychologen.

Doch allen Zuwächsen und optimistischen Prognosen zum Trotz: Die Weiterbildung läuft hierzulande noch längst nicht so rund wie in anderen Industrieländern, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) immer wieder in ihren Bildungsberichten feststellt. Demnach bemühen sich vor allem ältere Leute in Deutschland unterdurchschnittlich um Weiterbildung. Die größte Gruppe der Fernlernenden (nämlich 53 Prozent) ist zwischen 26 und 40 Jahren alt. Es sind also Frauen und Männer, die noch ein langes Berufsleben vor sich haben.

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