Vergleichbare Prüfungen:Der lange Weg zum Einheitsabitur

Eine Abiturnote aus Hamburg soll endlich mit einer Abiturnote aus Bayern vergleichbar sein. Um dieses Ziel zu erreichen, diskutieren die Kultusminister über bundesweit einheitliche Prüfungen. Doch schon in grundsätzlichen Punkten sind sich die Länder uneins.

Tanjev Schultz

Die Kultusminister haben eine knifflige Abitur-Aufgabe zu lösen: Wie kommen 16 Bundesländer gemeinsam ans Ziel, wenn sie sich noch nicht mal auf die Strecke einigen können? Das Ziel sind in diesem Fall bundesweit vergleichbare Prüfungen. An diesem Donnerstag steht das Thema auf der Tagesordnung der Kultusministerkonferenz (KMK) in Hannover, und bei manchen wächst die Ungeduld. "Der Prozess muss beschleunigt werden", sagt Thüringens Bildungsminister Christoph Matschie (SPD). Eltern und Arbeitgeber würden nicht mehr verstehen, warum die Abituranforderungen so unterschiedlich sind.

G8-Abiturienten in Bayern starten mit Prüfungen

Vergleichbare Abituraufgaben sind  in Deutschland noch immer in weiter Ferne.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Matschie befürwortet einen "gemeinsamen Aufgabenpool", aus dem sich jedes Bundesland bedienen könnte. Dafür müsse das von der KMK eingerichtete Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) besser ausgestattet werden, fordert Matschie. Auch andere, wie Bayern und Sachsen, streben eine Pool-Lösung an. Bayern würde das am liebsten mit einem Staatsvertrag zwischen allen Bundesländern besiegeln.

Doch in Rheinland-Pfalz gibt es derzeit nicht einmal ein eigenes Zentralabitur. So ist offen, wie viele sich am Ende an einem gemeinsamen Abitur beteiligen werden. Matschie sagt, es sei nicht sinnvoll, wenn nur ein paar Länder vorpreschen. Bayern aber will Verträge notfalls auch mit einzelnen Partnern schließen.

Einig sind sich die 16 Minister nur darin, dass es bundesweite "Bildungsstandards" geben soll. Sie werden vom IQB entwickelt. Das dauert seine Zeit. Die Standards beschreiben in allgemeiner Form, was die Schüler können sollten. Es handelt sich nicht um Lehrpläne, in denen der Stoff und die Themen im Detail vorgegeben werden. Für die Grundschule und den mittleren Abschluss existieren bereits Standards; 2007 hat die KMK beschlossen, sie auch für die gymnasiale Oberstufe erarbeiten zu lassen. In den Fächern Deutsch, Mathe, Englisch und Französisch liegen Entwürfe vor, verabschiedet werden sie wohl erst im kommenden Jahr. Es fehlen noch die Naturwissenschaften, von Fächern wie Geschichte oder Kunst ganz zu schweigen.

Die Standards allein bringen wenig, solange sie sich nicht niederschlagen im Unterricht und in den Prüfungen. Da hapert es schon in unteren Klassenstufen. KMK-Generalsekretär Erich Thies klagte unlängst auf einer Tagung darüber, wie wenig die Standards bisher in der Praxis angekommen seien. Noch seien sie weitgehend "wirkungslos".

Großer Sicherheitsaufwand

Die Kultusminister müssen klären, ob das IQB aus den Standards auch echte Abituraufgaben ableiten soll oder nur Beispiele, an denen die Schulbehörden sich orientieren können. Die zweite Variante könnte bedeuten: Am Ende macht doch wieder jedes Land, was es will. Das IQB, das von zwei Professoren der Berliner Humboldt-Universität geleitet wird, könnte allerdings schnell an den Rand seiner Kapazitäten kommen, wenn ihm die Rolle einer nationalen Abitur-Agentur zufiele.

Es wären auch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen nötig, sollte das IQB in Zukunft echte Abi-Aufgaben ausbrüten. Schon beim Zentralabitur der einzelnen Bundesländer vergeht kein Jahr, in dem nicht irgendwo Pannen passieren. In Nordrhein-Westfalen durften die Schüler in diesem Jahr eine Mathe-Prüfung wiederholen, weil die Aufgaben beim ersten Mal missverständlich waren. In Bayern sah sich das Kultusministerium genötigt, kurzerhand die Bewertungsregeln zu ändern, um die Zahl der Durchgefallenen zu senken. Da kann man sich ausmalen, unter welchen Druck das IQB geraten kann, wenn es bundesweit einsetzbare Aufgaben verantworten soll.

Sollten sich Fehler einschleichen oder die Abiturienten in einigen Bundesländern plötzlich viel schlechter abschneiden als zuvor, könnte sich die Meinung der Bürger schnell drehen. Sie würden dann nicht mehr über das Durcheinander im Föderalismus schimpfen - sondern über die Tücken des Zentralismus.

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