Süddeutsche Zeitung

Vereinbarkeit von Familie und Beruf:Die Teilzeitfalle

Es ist eine irritierende Zahl, die das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung vor kurzem veröffentlichte: Frauen arbeiten heute im Schnitt fast drei Stunden weniger als vor 20 Jahren. Christina Klenner beschäftigt sich beim Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung (WSI) mit genau diesem Thema und erklärt, warum Teilzeit zum "Gender Pay Gap" beiträgt und wie sie sich auf die Arbeits-Biografie auswirkt.

Von Christina Waechter

SZ: Frau Klenner, vor 20 Jahren haben Frauen im Schnitt drei Stunden mehr gearbeitet als heute. Woran liegt das?

Christina Klenner: Zunächst muss man sehen, dass es vor zwanzig Jahren noch mehr Frauen gab, die gar nicht beruflich gearbeitet haben und dementsprechend auch nicht in der Statistik vorgekommen sind. Mittlerweile sind sehr viel mehr Frauen erwerbstätig, allerdings ist der Anstieg arbeitender Frauen ausschließlich in Teilzeit erfolgt. In Westdeutschland liegt die Quote Teilzeit arbeitender Frauen bei fast 50 Prozent, drei Viertel aller Mütter arbeiten in Teilzeit. Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es noch eine deutsche Besonderheit: Bei uns arbeiten Frauen besonders kurz, oft unter 20 oder sogar 15 Wochenstunden. Ein Großteil der in Teilzeit arbeitenden Frauen tut das noch dazu ungewollt. Das kennt man zum Beispiel von Hochschulen, aber mittlerweile auch verstärkt aus dem Einzelhandel, dass oft nur noch Teilzeitstellen angeboten werden. Denn für Arbeitgeber ist das durchaus interessant.

Warum ist Teilzeit für Arbeitgeber attraktiv?

Das ist vor allem in den Bereichen der Fall, wo die geleistete Arbeitszeit an den Arbeitsanfall angepasst werden soll. In einer Spülküche im Krankenhaus gibt es zum Beispiel morgens und mittags sehr viel zu tun, dazwischen aber auch Zeiten des Leerlaufs. Und um den auszuschließen, werden die Arbeitskräfte mit nur wenigen Stunden beschäftigt, so dass sie nur noch dann arbeiten, wenn sie gebraucht werden. Auch in der Pflege gibt es sehr viele Teilzeit-Stellen, weil dort die Personaldecke sehr dünn ist. Wenn es dann akut Bedarf gibt, kann man Teilzeit-Kräfte viel flexibler über Zusatzschichten einteilen, als eine Vollzeitkraft.

Auf der anderen Seite gibt es ganz viele Stellen, von denen es heißt, sie seien überhaupt nicht geeignet für Teilzeit. Jeder Arbeitnehmer hat zwar das Recht, sein Arbeitsvolumen abzusenken, aber das wird oft nicht verwirklicht, weil Chefs sagen: 'Das geht auf dieser Position nicht'. Und so kommt es zu einer Segregation: Frauen, die auf eine Teilzeitstelle angewiesen sind, müssen dahin gehen, wo das angeboten wird. Und das sind häufig Jobs, die schlecht bezahlt sind. In Teilzeitjobs verdient man im Schnitt vier Euro weniger pro Stunde, als in Vollzeitjobs. So trägt die Teilzeit in erheblichem Maße zum Gender Pay Gap, also dem geschlechtsspezifischen Lohnunterschied, bei.

Was bedeutet das für das Arbeitsleben von Frauen, wenn sie lange Zeit in Teilzeit arbeiten?

Es ist eine regelrechte Teilzeitfalle, in die Frauen tappen. Denn wir haben heute kaum Möglichkeiten, aus einem Teilzeitverhältnis wieder in einen Vollzeitjob zurückzukehren - und wenn, bedeutete es einen riesigen Kraftakt. Zum Teil liegt das an der Segregation, zum Teil auch an dem fehlenden Recht. Im öffentlichen Dienst werden Teilzeitverträge oftmals befristet abgeschlossen. Daran sollte sich eine Neuregelung orientieren.

Das andere Problem sind betriebliche Kulturen und Strukturen in denen Teilzeitbeschäftigte nicht ernstgenommen werden. Sie werden abgewertet, oft schlecht eingeschätzt, beurteilt und auf weniger wichtige Positionen geschoben.

Kann man der Tatsache, dass Frauen überwiegend in Teilzeit arbeiten, überhaupt nichts Positives abgewinnen?

Mein erster Instinkt wäre zu sagen: Daran ist nichts positiv. Aber vielleicht kann man es so betrachten: Die Tatsache, dass Frauen so viel weniger bezahlte Arbeitsstunden haben, zeigt, dass es nur sehr schwer funktioniert, wenn in einer Familie beide Erwachsenen Vollzeit arbeiten.

Was empfehlen Sie Frauen?

Ich empfehle in erster Linie der Politik und den Arbeitgebern, dass sie auf dem Gebiet einiges ändern müssen. Den Frauen möchte ich sagen: Handelt mit euren Männern aus, dass sie möglichst auch kürzer arbeiten. Wenn beide 32 Wochenstunden arbeiten, dann kommt man zusammen auf 64 Wochenstunden, genauso wie wenn er 44 und sie 20 Stunden arbeitet, und dann kann man trotzdem gemeinsam die Betreuung der Kinder und den Haushalt managen - und zwar gleichberechtigt.

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SZ.de/aper/lala
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