Süddeutsche Zeitung

Vereinbarkeit von Beruf und Kindern:Vom Sinn und Unsinn der Elternzeit

Zu lang, zu teuer, zu schwierige Wiedereingliederung: Wirtschaft und Wissenschaftler kritisieren das Recht auf eine dreijährige Auszeit nach der Geburt eines Kindes, doch die Familienministerin blockt ab. Eine sinnvolle Lösung könnte die Ausweitung der Partnermonate von Eltern sein - wenn sie nicht so teuer wäre.

Corinna Nohn

Eigentlich wünschen sich Eltern und Arbeitgeber dasselbe: bessere Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren. Das fordern insbesondere Mütter, die immer noch öfter und länger als Väter zu Hause beim Kind bleiben. Arbeitgeber unterstützen diesen Wunsch insofern, als sie im Kampf um Fachkräfte unbedingt auch Mütter schneller in den Job zurückholen wollen.

Viele machen keinen Hehl daraus, dass sie der Anspruch auf bis zu drei Jahre Elternzeit stört. Denn wer volle drei Jahre im Job pausiert, findet nur schwer wieder den Anschluss. Nun nennt auch eine von der Bundesregierung beauftragte Kommission unabhängiger Wissenschaftler die Dauer der Elternzeit "insgesamt fragwürdig", zu erwägen sei "eine Verkürzung der Elternzeit auf zwei Jahre".

Die Wissenschaftler stellen fest: Drei Jahre zu überbrücken sei eine große organisatorische und finanzielle Belastung für die Unternehmen. Auch sinke das Qualifikationsniveau, je länger die Elternzeit dauere. So steht es im achten Familienbericht, der noch nicht veröffentlicht wurde und in gut zwei Wochen im Kabinett behandelt wird.

Die Betreuungsplätze fehlen

Die Garantie, nach der Geburt eines Kindes im Beruf auszusetzen und später wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren zu können, wurde zwischen 1979 und 1992 von zwei Monaten auf drei Jahre verlängert. Das führte dazu, dass Frauen nach der Geburt ihre Erwerbstätigkeit weiter einschränkten. Die Idee, die Elternzeit zu verkürzen, ist also nachvollziehbar.

Ein Sprecher des Familienministeriums stellte allerdings klar, dass die Bundesregierung dieser Forderung nichts abgewinnen kann. Auch Fabienne Becker-Stoll, die das Münchner Institut für Frühpädagogik leitet und den Bericht mit erarbeitet hat, sagt: "Das fordern immer wieder Stimmen aus der Wirtschaft, aber die Familienberichtskommission hat sich diese Forderung nicht zueigen gemacht", sondern: "Solange nicht für jedes Kind ein qualitativ hochwertiger, ganztätiger Betreuungsplatz geschaffen ist, wäre das eine Zumutung." Von einem Ausbau Kinderbetreuung "sind wir aber noch Jahre entfernt, gerade, was die Qualität betrifft", sagt Becker-Stoll.

Zwar beteuert das Familienministerium, bis August 2013, wenn Eltern von Einjährigen Anspruch auf Betreuung haben, genügend Plätze zu schaffen - doch der Ausbau hinkt hinterher. Zudem fällt es mittlerweile vielen Einrichtungen schwer, überhaupt qualifiziertes Personal zu finden; gerade in Bayern ist zum Beispiel der Anteil an niedrig ausgebildeten Kinderpflegerinnen am Personal sehr hoch. Das zeigt das aktuelle Jahresgutachten des Aktionsrats Bildung. Dort heißt es, die pädagogische Förderqualität sei gegenwärtig "häufig nur mittelmäßig", Fachkräfte müssten besser und professioneller aus- und fortgebildet werden. Becker-Stoll sagt: "Wer jetzt fordert, die Elternzeit von drei auf zwei Jahren zu kürzen, stellt wirtschaftliche Interessen über die Interessen der Kinder."

Elterngeld sorgt für schnellere Rückkehr in den Beruf

Dabei weiß auch Becker-Stoll, dass ohnehin immer weniger Frauen die vollen drei Jahre Elternzeit nutzen. Das im Jahr 2007 eingeführte Elterngeld hat dazu geführt, dass mehr Mütter im zweiten Lebensjahr ihres Kindes wieder arbeiten. Das zeigt ein Projekt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, dessen Ergebnisse am Mittwoch vorgestellt werden und der SZ vorliegen.

Zwar heißt es in diesem "Elterngeld-Monitor", dass der Zuschuss, den Eltern in der Regel bis zu 14 Monate lang erhalten, verstärkt dazu ermuntert, im ersten Lebensjahr beruflich komplett auszusetzen. Aber diesen "Schonraum" zu schaffen, war auch Ziel des Elterngelds. Im zweiten Lebensjahr, wenn der Zuschuss ausläuft, hätten jedoch gerade Mütter mit niedrigem Einkommen jetzt einen höheren Anreiz, wieder zu arbeiten. Dieser Anreiz sei um 2,5 Prozentpunkte gestiegen, was im Vergleich zu alternativen familien- oder sozialipolitischen Reformen "ein relativ großer Effekt" sei.

Das DIW untersuchte auch das Verhalten der Väter, von denen mittlerweile jeder vierte zumindest die zwei Partnermonate in Anspruch nimmt. Dass die Familien diese Monate oft zum Urlauben nutzten, sei eine Mär, sagt Volkswirtin Katharina Wrohlich, Autorin der Studie: Die Männer kümmern sich in dieser Zeit tatsächlich um ihre Kinder, betreuen sie - und unterstützen so den Wiedereinstieg der Mütter in den Job. Eine Ausweitung der Partnermonate, wie sie ursprünglich geplant war, "würde also wahrscheinlich dazu führen, dass Väter noch öfter und länger im Job pausieren - und die Rückkehr von Müttern in den Beruf weiter erleichtert wird", sagt Wrohlich.

Für eine solche Lösung plädiert auch die Pädagogin Becker-Stoll: "Das Elterngeld ausbauen, aber nur in Verbindung mit mehr Partnermonaten, auf mindestens 18 Monate". Das würde vor allem Kindern, aber auch berufstätigen Müttern und am Ende Arbeitgebern dienen. Allerdings ist die Ausweitung laut Familienministerium derzeit nicht zu finanzieren.

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Quelle:
SZ vom 29.02.2012/wolf
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