Verdeckter Stellenmarkt:"In der Personalabteilung brauchen Sie nicht anzurufen"

Verdeckter Stellenmarkt: Wer ein maßgeschneidertes Jobprofil haben möchte, muss deutlich sagen können, wie er dem Arbeitgeber helfen kann und will.

Wer ein maßgeschneidertes Jobprofil haben möchte, muss deutlich sagen können, wie er dem Arbeitgeber helfen kann und will.

(Foto: rawpixel.com /Unsplash.com)

Denn die besten Jobs werden dort nur selten vergeben. Vor allem für Quereinsteiger ist der verdeckte Stellenmarkt viel interessanter.

Von Larissa Holzki

Wenn eine begehrte Stelle frei oder geschaffen wird, wissen die Mitarbeiter des Unternehmens meist zuerst davon. Und weil eine Stellenausschreibung Zeit und Geld kostet, externe Bewerber eingearbeitet werden müssten und vielleicht doch nicht so gut sind, wie ihr Lebenslauf glauben lässt, wird die Position oft intern vergeben - sogar, wenn der Kandidat nicht ganz optimal passt. Wohl dem also, der in seinem Unternehmen bleiben will. Was aber ist mit den anderen?

"In der Personalabteilung brauchen Sie nicht anzurufen", sagt Petra Cockrell. Sie hat viele Jahre lang als Vertriebsleiterin über Einstellungen entschieden und Karrierewege beobachtet. Sie rät dazu, sich bei der Jobsuche direkt an die Fachabteilung zu wenden. Das gelte vor allem für Quereinsteiger, Berufsanfänger und Menschen über 50, die in Stellenausschreibungen nichts Passendes finden oder immer wieder abgelehnt werden. Für sie eigne sich der sogenannte "verdeckte Stellenmarkt" besonders.

Die Bezeichnung erweckt den Eindruck, dass es um Stellen geht, die der Öffentlichkeit absichtlich vorenthalten werden. Tatsächlich ist es jedoch häufig so, dass die betreffenden Stellen erst speziell für einen Kandidaten, den das Unternehmen gern halten oder gewinnen möchte, eingerichtet werden. Davon kann jeder profitieren, der die spezifischen Regeln dieses Marktes kennt.

Rollen tauschen: Vom Suchenden zum Bietenden

Wer ausschließlich in Anzeigen sucht, folgt dem Prinzip: Welche der angebotenen Stellen passt zu mir? Das ist auch sinnvoll, denn der Kandidat mit den größten Überschneidungen bei gesuchter Qualifikation und Erfahrung gewinnt. "Personaler arbeiten Checklisten ab: Passt, passt, passt nicht, passt", sagt Cockrell. Auf dem verdeckten Stellenmarkt sollten Jobsuchende umgekehrt vorgehen, von Formalien absehen, und sich fragen: "Welchen Nutzen kann ich einem Unternehmen stiften? Welches Problem kann ich lösen?"

Auch Cockrells Kollegin Ute Bölke appelliert an ein verändertes Rollenverständnis: "Der Bewerber muss verinnerlichen, dass er etwas zu bieten hat", sagt Bölke, die nach ihrem Betriebswirtschaftsstudium mehrere Jahre unter anderem als Personalmanagerin tätig war. "Wofür stehen Sie?", fragt sie Menschen zuerst, die ihren Rat suchen. Sie will damit auch klarmachen: Bewerber sollten sich auf Augenhöhe mit den Unternehmen sehen.

Transferieren: Ich sehe was, was du nicht siehst

Erst im zweiten Schritt geht es darum zu überlegen, welcher Arbeitgeber passen könnte. Die Schlüsselfrage lautet dann: "Für welche Firmen bin ich interessant?", sagt Cockrell. Hier seien Transferleistungen und Kreativität vom Bewerber verlangt: Dass Philosophen bei Banken eingestellt werden und Psychologen bei Autobauern, hört man immer häufiger. Aber nicht jeder Konzern erkennt von selbst, welche Wettbewerbsvorteile ihm das verschaffen könnte.

"Reden Sie mal mit Ihrer Friseurin"

Vor fachfremden Branchen sollten die Jobsuchenden nicht zurückschrecken. Es geht nicht darum, das ganze Produkt oder die Dienstleistung zu verstehen, sondern Teillösungen anbieten zu können. Welche Unternehmen im Umkreis des gesuchten Arbeitsplatzes überhaupt ansässig sind, lässt sich mit offenen Augen im Alltag beobachten, aber beispielsweise auch im Wirtschaftsteil der Lokalzeitung verfolgen oder in Branchenverzeichnissen nachlesen. Auch der öffentliche Stellenmarkt kann natürlich eine Informationsquelle sein, gerade um unscheinbarere Arbeitgeber zu entdecken.

Recherchieren: Arbeit gibt es überall

Die Karriereberaterin Bölke rät ihren Klienten außerdem, auf Messen zu gehen - und zwar nicht auf Job-, sondern auf Fachmessen. "Sie sollten natürlich nicht in Verkaufsgespräche platzen, aber morgens ist es häufig noch ruhig und die Aussteller haben Zeit", sagt Bölke und rät zu Diplomatie und Geschick: "Bewerbungsmappen fassen die gar nicht erst an." Aber man könne sich ein Bild davon machen, wofür das Unternehmen steht und in Fachgespräche kommen. "Machen Sie klar, wofür Sie stehen und tauschen Sie Visitenkarten aus", sagt Bölke.

Wer direkt seine Bewerbungsunterlagen rausholt, wird häufig auch abseits von Messen abgeblockt: Wir haben zurzeit leider keinen Bedarf, heißt es dann. Petra Cockrell rät deshalb, sich über ein Fachgespräch interessant zu machen. "Bitten Sie einen Mitarbeiter der Fachabteilung erst mal um einen Austausch über Ihr gemeinsames Arbeitsfeld, zum Beispiel Big-Data", sagt sie: "Fragen Sie: Was sind momentan eure drängendsten Themen?"

Kontakt aufnehmen: Unterschätzen Sie Ihre Bekannten nicht

Der Tipp löst häufig hilfloses Achselzucken bei Cockrells Kunden aus. "Ich kenne ja niemanden, der da arbeitet", höre sie dann oft. Die Leute ahnten nicht, wen ihre Bekannten und Nachbarn alles kennen. "Ich sage immer: Reden Sie mal mit Ihrer Friseurin einfach und verständlich darüber, was Sie zu bieten haben und was Sie suchen - vielleicht nimmt ja als Nächstes der Generaldirektor eines passenden Unternehmens dort Platz", sagt Cockrell. Ihre Klienten lachen dann, doch eine Freundin der Beraterin hat auf diese Weise einen Job gefunden.

Zuverlässiger als das Netzwerk der Friseurin sind Karriereportale wie Xing und Linkedin. "Die sind genau für diese Kontaktaufnahme da", sagt Cockrell. Mitarbeiter des Zielunternehmens lassen sich über die Suchfunktion finden, erfolgsversprechender seien aber auch dort persönliche Kontakte: "Gucken Sie unter den Kontakten zweiten und dritten Grades und bitten Sie dann Ihre Bekannten, Sie einander vorzustellen."

Mit einem konstruierten Szenario die Fachabteilung überzeugen

Mit einem optimierten und gepflegten Auftritt in einem Online-Netzwerk können Jobeinsteiger, -umsteiger und Wiedereinsteiger auch dazu beitragen, dass auf der Arbeitgeberseite Ideen zur Zusammenarbeit angeregt werden. Während Xing vor allem bei Mitarbeitern von Unternehmen im deutschsprachigen Raum verbreitet ist, bewegen sich die Angehörigen international aufgestellter Konzerne vorwiegend auf Linkedin.

Vor allem Bewerber um die 50 fragten sich besonders häufig, was ein Profil dort nutze, sagt Cockrell. Neben der bereits erwähnten Möglichkeit, dort von Seiten des Jobsuchenden Kontakte in die Unternehmen aufzubauen, kann man dort auch von Arbeitgeberseite gefunden werden. Möglich wird das durch die kluge Auswahl von Schlagworten, zum Beispiel in den Kategorien Suche und Biete in den Mitgliederprofilen.

Die Tipps von Expertin Cockrell: "Nutzen Sie Begriffe aus dem Anforderungsprofil von Stellenausschreibungen, spicken Sie bei anderen Nutzern und verwenden Sie die Begriffe, die Ihnen die Vorschlagsfunktion liefert, die werden häufig gesucht und verwendet." Ute Bölke empfiehlt außerdem, sich in die Diskussionen unter Fachleuten in den Karrierenetzwerken einzumischen: "Mit interessanten Beiträgen werden Sie sichtbar."

Bewerben: Zeigen Sie, was mit Ihnen besser liefe

Ob der Jobsuchende nun schon das Angebot hat, seine Unterlagen einzusenden oder nur weiß, wer über die Stelle entscheidet und sich dort initiativ bewerben möchte: In Anschreiben und Vorbereitung eines Vorstellungsgesprächs sollte auf dem verdeckten Stellenmarkt besonders viel Mühe investiert werden. "Schreiben Sie, warum Sie ausgerechnet bei der Firma arbeiten wollen und drei Punkte, von denen Sie auf Basis Ihrer Recherche denken, dass Sie auf der Gegenseite benötigt werden", sagt Cockrell, "hängen Sie ein paar Appetithäppchen ihres Könnens an die Angel."

In einem Vorstellungsgespräch ist dann schon mehr gefragt. Petra Cockrell rät, sich einen kleinen Business-Case auszudenken, also ein Szenario aus dem Berufsalltag und einen Lösungsvorschlag dazu. Als Beispiel fällt ihr ein Theologe ein, der bei einem Energiekonzern eingestellt wurde. "Gegen neue Stromtrassen protestieren immer wieder Bürger; Jemand, der als Pfarrer oder Pastor gearbeitet hat, weiß, wie er sie abholen kann."

Anders als der Personaler könne die Abteilungsleitung einschätzen, ob jemand mit diesem Wissen gebraucht werde, sagt Cockrell. "Wenn die sagt: Der ist wirklich interessant, dann wird die Personalabteilung eingeschaltet und die neue Stelle kann dann auch auf Sie zugeschnitten werden."

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