Variables Gehalt:Warum Boni Unfrieden stiften

Die üppigen Zahlungen für Manager sind zum globalen Ärgernis geworden. Dabei ist die Idee gar nicht schlecht: Mitarbeiter und Führungskräfte sollen durch due Boni motiviert werden. An die Nebenwirkungen allerdings hat zunächst niemand gedacht.

Karl-Heinz Büschemann

Müssen wir Jamie Dimon bedauern? Dem Chef der US-Bank JP Morgan, der im vergangenen Jahr 23 Millionen Dollar verdiente, droht die Kürzung seines Einkommens. Wenn er Pech hat, bekommt er für 2012 nur 1,5 Millionen Dollar, weil seine Spitzenleute Milliarden verspekuliert haben. Oder die Deutsche Bank: Müssen wir Mitleid haben mit den Finanzakrobaten dort, die künftig ihrem Arbeitgeber ihre Sonderzahlungen zurückzahlen sollen, wenn sie Verluste statt Gewinne gemacht haben? Die Antwort liegt auf der Hand.

Die üppigen Zahlungen für Manager in Finanz- und Realwirtschaft sind zum globalen Ärgernis geworden. Die Regierungen von Washington über London bis Berlin sind sauer. Die Menschen, die in der Finanzkrise um ihre Arbeit bangen, reagieren wütend auf die überzogene Bezahlung einiger weniger. Die Boni-Exzesse haben der Marktwirtschaft eine Glaubwürdigkeitskrise beschert.

Dabei war die Idee nicht schlecht. Sie lebte von der Erkenntnis, dass der Kapitalismus vom Wachstum lebt, von steigenden Umsätzen und Gewinnen. Man kann das beklagen. Doch ein anderes Wirtschaftssystem, das ohne Wachstum ausreichend Arbeitsplätze schafft, ist nicht zu sehen. Wo aber Wachstum erzeugt werden soll, wird darüber nachgedacht, Mitarbeiter und Führungskräfte so zu motivieren, dass sie die Geschäfte ausweiten.

Schon vor mehr als hundert Jahren, als der Kapitalismus seine Wucht zu entfalten begann und soziale Spannungen die Gesellschaft bedrohten, dachten sich Sozialpioniere Modelle aus, um Erfolg und Geschäfte langfristig zu sichern. Kluge Unternehmer boten Modelle der Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenserfolg an. Einfache Arbeiter bekamen ein Interesse daran, dass ihr Unternehmen gut verdiente. Der alte Klassenkampf wurde begraben. Die Grenze zwischen Arbeitern und Kapitalisten war aufgeweicht.

Soziale Konflikte geschürt

Eine andere Sache ist die Motivierung der Chefs. Für die gibt es Boni, die sich zum Ärgernis ausweiteten, weil mancher sie für die Ursache der Finanz- und Wirtschaftskrise hält. Mit Bargeld oder mit Aktien sollen die Manager für das Erreichen bestimmter Ziele belohnt werden. Das haben manche extrem genutzt. Anders als die alte Gewinnbeteiligung belohnt das Prinzip der modernen Boni die Rücksichtslosigkeit der Handelnden. Die Leistung einzelner wird belohnt, es wird kaum noch gefragt, mit welchen Methoden sie zu ihren Ergebnissen kamen.

So haben Millionengehälter wie Boni-Exzesse den sozialen Konflikt geschürt und die Politiker rebellisch gemacht. Es ist nicht einzusehen, warum es eine ganze Kaste von Menschen in Spitzenjobs gibt, deren Erfolge mit Sonderzahlungen honoriert werden, deren Misserfolge aber zum Risiko für die kleinen Leute werden, die in der Krise ihren Arbeitsplatz verlieren. Dagegen weiß jeder, dass kein noch so tüchtiger Manager Umsatz und Gewinn allein steigern kann. Dazu braucht er viele Mitarbeiter auf den unteren Ebenen. Auch die brauchen Anerkennung.

Deshalb sind in der jetzigen Phase der Neuorientierung die Aktionäre besonders gefordert. Politiker würden am liebsten die Gehälter und Boni deckeln. Aber das würde nur zu neuen Tricks und Umgehungen führen. Allein die Eigentümer sind in der Lage, die Auswüchse zu beenden. Wenn selbst die Angelsachsen, die traditionell der Wirtschaft gern völlig freien Lauf lassen, inzwischen der Übertreibungen überdrüssig sind, sollte sich Europa umso mehr zur Bändigung der Finanzmanager aufgerufen fühlen.

Schon in der Geschichte haben vor allem die Kontinentaleuropäer den sozialen Gedanken in die Wirtschaft getragen. In Deutschland steht für diese Entwicklung Ludwig Erhards soziale Marktwirtschaft. Solche Vorgaben sind das historische Verdienst des oft als altes Europa geschmähten Kontinents, der Beiträge zur Vermenschlichung der Marktwirtschaft leistete. Dieser Fortschritt droht zum Opfer der Globalisierung zu werden. Daher müssen in Deutschland auch die Vertreter der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten umdenken. Die haben sich zuletzt in dieser zentralen Frage mit dem Durchwinken von unmäßigen Gehältern in zweistelliger Millionenhöhe versündigt und ihre Glaubwürdigkeit mit aufs Spiel gesetzt.

Es ist ein Zeichen der Einsicht, wenn die Deutsche Bank jetzt eine neue Kultur anstrebt, ihre überzogenen Renditepläne zurücknimmt und die Verantwortung der Einzelnen für den Misserfolg wieder in den Blickpunkt rückt. Wenn auch andere große Konzerne sich wieder verstärkt auf alte Tugenden der Wirtschaft besinnen könnten, wäre schon viel erreicht.

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