Süddeutsche Zeitung

US-Gutachten zu Pisa:Ideologie und Wahrheit

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Amerikanische Schüler sollen nicht an der Pisa-Studie teilnehmen. US-Experten lehnen die Untersuchung ab - weil es darin um Treibhauseffekt und Evolution geht.

T. Schultz

In den USA sind die Pisa-Studien, verglichen mit Deutschland, Ladenhüter. Zwar beteiligen sich auch Amerikaner an den Schultests der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), aber die meisten assoziieren mit Pisa nur den schiefen Turm in Italien. In den USA ist Pisa eine Angelegenheit von Fachleuten geblieben, denn es gibt dort noch viele andere Tests.

Und eine jetzt veröffentlichte Expertise der Denkfabrik Brookings warnt davor, mit Pisa künftig die Schülerleistungen in den einzelnen US-Bundesstaaten zu vergleichen. Bisher gab es in den USA nur eine Stichprobe für den internationalen Vergleich; Deutschland dagegen ließ auch die Leistungen in den 16 Bundesländern beurteilen, bekanntlich zum Leidwesen einiger Kultusminister.

Fragen nach dem ökologischen Bewusstsein

Die Gouverneure in den USA planen nun Ähnliches; die neue Expertise des US-Forschers Tom Loveless sieht das aber mit großer Skepsis. "Pisa stellt ideologisch gefärbte Fragen", heißt es in dem Gutachten. Außerdem seien die Daten mehrdeutig, weshalb Empfehlungen der OECD oft nicht solide seien.

Das sehen in Deutschland manche genauso, jedoch aus anderen Gründen. Hierzulande regen sich vor allem Unionspolitiker über den Pisa-Koordinator Andreas Schleicher auf, weil er das gegliederte Schulsystem angreift. In den USA ist das kein Thema. Das Gutachten reibt sich stattdessen an Fragen zu umweltpolitischen Themen.

Bei der jüngsten Testwelle war auch das ökologische Bewusstsein erfragt worden, zum Beispiel, ob die Schüler Emissionskontrollen bei Autos befürworten. Solche Themen hätten in Tests nichts zu suchen, argumentiert die Expertise. Die OECD hält dem entgegen, man habe derlei Fragen zu politischen Einstellungen strikt von Wissensfragen getrennt und nicht genutzt, um die Fähigkeiten der Schüler zu messen.

Ausnahme in Texas

In dem US-Gutachten werde einiges durcheinandergeworfen, sagte Andreas Schleicher der Süddeutschen Zeitung. In den USA, dem Land, in dem viele an der Evolution und am Treibhauseffekt zweifeln, seien allerdings auch reguläre Fragen, in denen entsprechende Themen vorkommen, viel umstrittener als in Deutschland.

Schleicher zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass die einzelnen US-Bundesstaaten sich künftig an Pisa beteiligen werden. Texas habe dafür bereits die gesetzliche Grundlage geschaffen. In Deutschland hingegen wird es künftig keine Pisa-Bundesländervergleiche mehr geben. Vergleiche zwischen den 16 Ländern sollen stattdessen, so wollen es die Kultusminister, auf Basis der neuen nationalen Bildungsstandards erfolgen.

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Quelle:
SZ vom 27.2.2009
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