Süddeutsche Zeitung

Urteil im Fall Barbara E.:Kündigung wegen 1,30 Euro rechtens

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Kassiererin Barbara E. hat den Streit um ihre Kündigung auch in zweiter Instanz verloren: Ein Supermarkt hatte ihr gekündigt, weil sie 1,30 Euro unterschlagen haben soll.

Eine Berliner Supermarkt-Kassiererin, der die Unterschlagung von Pfandbons im Werte von 1,30 Euro vorgeworfen wurde, hat den Rechtsstreit um ihre Kündigung auch in zweiter Instanz verloren.

Das Landesarbeitsgericht erklärte die fristlose Kündigung durch ihren Arbeitgeber am Dienstag für wirksam. Es seien alle Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung erfüllt, urteilten die Richter und bestätigten damit die Vorinstanz.

Eine Kassiererin müsse "unbedingte Zuverlässigkeit und absolute Korrektheit" zeigen, begründete das Gericht am Dienstag in Berlin sein Urteil. Kündigungsgrund sei der Vertrauensverlust, nicht aber der Wert der Sache.

Die Unterschlagung als solche steht nach Überzeugung des Berufungsgerichts fest. Dafür sprächen die von ihr selbst eingeräumten Umstände, das Kassenjournal und Zeugenaussagen, hieß es.

Kein Zusammenhang mit Streikationen

Über die fristlose Kündigung hinaus seien auch die Voraussetzungen einer "Verdachtskündigung" erfüllt gewesen, teilte das Gericht mit. Voraussetzung dafür sei das Vorliegen eines "dringenden" Verdachts einer Straftat, der sich auf objektive Tatsachen, nicht aber auf bloße Unterstellungen des Arbeitgebers gründe. Dies sei hier der Fall gewesen. Ein Zusammenhang mit der Teilnahme der Kassiererin an Streikaktionen sei nicht erkennbar, betonte das Gericht. Eine Revision ließ das Landesarbeitsgericht nicht zu.

Auch die Vorinstanz hatte die Kündigung als rechtswirksam angesehen - wegen eines nachdrücklich zerrütteten Vertrauensverhältnisses. Die Kassiererin, die eine Unterschlagung der beiden Pfandbons im Wert von 48 und 82 Cent bestreitet, war daraufhin in die Berufung gegangen.

Der Fall der "Emmely" genannten Supermarktkassiererin hatte über die Grenzen Berlins hinaus Schlagzeilen gemacht. Freunde und Gewerkschafter gründeten ein Solidaritätskomitee ("Solidarität mit Emmely"). Sie sehen den wahren Grund für die Kündigung in der Beteiligung der Frau an Streikaktionen im Einzelhandel.

Die Verdachtskündigung sei für das Unternehmen nur ein willkommenes Mittel, eine missliebige, gewerkschaftlich organisierte Angestellte loszuwerden. Ein Angebot der Einzelhandelskette, die fristlose Kündigung in eine ordentliche Kündigung umzuwandeln, lehnte die Kassiererin ab.

Barbara E. bestreitet die Tat vehement: "Ich fange doch nach 31 Jahren nicht an zu stehlen!" Genau so lange arbeitete die resolute 50-Jährige schon für den Supermarkt. Zu DDR-Zeiten gehörte dieser noch zur Handelsorganisation HO, Anfang der neunziger Jahre übernahm Kaiser's den Markt. "Ich war all die Jahre mit Herzblut Kassiererin", sagte die dreifache Mutter und Großmutter zweier Enkel.

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dpa/ap
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