Urteil:Bundesarbeitsgericht rüffelt geizigen Ausbilder

Ein Arbeitgeber bezahlt seinem Azubi viel weniger, als er müsste. Die krude Begründung: Tarifverträge förderten die Ungleichbehandlung von Lehrlingen. Jetzt hat das Bundesarbeitsgericht in dem Fall entschieden.

Der Fall

Ein junger Mann schließt mit einem Unternehmen am 11. Juni 2008 einen Ausbildungsvertrag, in den folgenden Jahren soll er zum Industriemechaniker mit der Fachrichtung "Maschinen- und Systemtechnik" ausgebildet werden. Das geschieht auch - nur wird er währenddessen erbärmlich entlohnt. Die gezahlte Ausbildungsvergütung liegt beinahe 50 Prozent unterhalb des für die bayerische Metall- und Elektroindustrie vereinbarten Tarifs. So bekommt der junge Mann im ersten Monat seiner Ausbildung gerade einmal 395 Euro - brutto. Dennoch beendet er die Ausbildung erfolgreich mit der Abschlussprüfung am 07. Februar 2012.

Warum er sich nicht früher gegen die magere Bezahlung gewehrt hat, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Womöglich spielte Angst um den Ausbildungsplatz eine Rolle. Im Nachhinein klagte er jedenfalls das ihm entgangene Entgelt von mehr als 20 000 Euro gerichtlich ein. Die ersten beiden Instanzen (hier das ausführliche Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg) gaben der Klage statt, nun wurde der Fall letztinstanzlich vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt.

Die Streitfragen

Was ist eine angemessene Ausbildungsvergütung? Ist der Arbeitgeber grundsätzlich an die Tarifregelungen gebunden? Und inwiefern stellen verschiedene Tarifvereinbarungen für verschiedene Ausbildungsrichtungen eine Ungleichbehandlung der Lehrlinge dar?

So argumentieren Kläger und Beklagte

Der Kläger beruft sich auf die gültige Tarifvereinbarung und fordert eine Nachzahlung der Ausbildungsvergütung von exakt 21 678,02 Euro brutto. Er ist der Auffassung, dass das tatsächlich gezahlte Gehalt unangemessen niedrig gewesen sei. Diese Einschätzung teilten die beiden vorherigen Instanzen.

Der Arbeitgeber will mit seiner Berufung eine Abweisung der Klage erreichen. Er argumentiert, im Paragraph 17 des Berufsausbildungsgesetzes sei nur geregelt, dass ein Auszubildender eine "angemessene" Vergütung erhalten müsse, nicht deren Höhe. Den Tarifvertrag dürfte man nicht als Argument heranziehen, weil in jeder Branche andere Tarife gelten würden und das eine Ungleichbehandlung der Azubis darstelle.

Der Beklagte geht sogar noch einen Schritt weiter und leitet aus den branchenspezifischen Tarifregelungen eine grundsätzliche Benachteiligung von Frauen ab, da sie vornehmlich in Berufen tätig seien, in denen geringere Löhne gezahlt würden. Das Gehalt eines Lehrlings solle nicht nur dessen Arbeitleistung würdigen, sondern habe auch einen Unterhaltszweck - deshalb müssten alle Lehrlinge die gleiche Ausbildungsvergütung bekommen.

Das Urteil

Das Bundesarbeitsgericht folgte erwartungsgemäß der Einschätzung der Vorinstanzen und gab dem ehemaligen Azubi Recht. Wichtigstes Instrument bei der Frage nach der Angemessenheit der Bezahlung von Lehrlingen "sind die einschlägigen Tarifverträge", urteilten die Erfurter Richter. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg habe "mit Recht die Unangemessenheit der vom Beklagten gezahlten Ausbildungsvergütung festgestellt". Das Unternehmen muss dem Kläger damit die ausstehenden 21 678,032 Euro überweisen.

Das sagt der Arbeitsrechtexperte

Rechtsanwalt Daniel Hautumm: "Die Argumentation des beklagten Unternehmens klingt schon ein wenig exotisch. Ich bin nicht überrascht, dass das Bundesarbeitsgericht hier der Auffassung der Vorinstanzen gefolgt ist und dem Kläger Recht gegeben hat. Die Höhe der Vergütung in unterschiedlichen Branchen ist aus gutem Grund in unterschiedlichen Tarifverträgen geregelt. Es wäre verfehlt, wenn ein Arbeitgeber sich mit dem Argument einer generellen potenziellen Ungleichbehandlung über diese branchenspezifischen Unterschiede so einfach hinwegsetzen könnte."

Der SZ.de-Arbeitsrechtexperte
Daniel Hautumm
Daniel Hautumm, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt Daniel Hautumm ist Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Düsseldorf. Nachdem er zunächst für eine internationale Großkanzlei auf Arbeitgeberseite tätig war, vertritt er nun sowohl Arbeitnehmer als auch kleinere Unternehmen. Sein Spezialgebiet sind Kündigungsschutzprozesse. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite von Daniel Hautumm.

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