Urteil am Bundesarbeitsgericht in Erfurt:Pilot darf nicht zum Tragen einer Mütze verpflichtet werden

Handwerg, spokesman of Vereinigung Cockpit, the union for pilots of Lufthansa, adjusts his pilot's hat before posing for a photograph at Fraport airport in Frankfurt

Eine deutsche Airline verpflichtet ihre Piloten, vor Passagieren ihre Cockpitmütze zu tragen. (Symbolbild)

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)
  • Ein Pilot kann von seinem Arbeitgeber nicht zum Tragen einer Cockpitmütze gezwungen werden, wenn es keine entsprechende Vorgabe für Pilotinnen gibt. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschieden.
  • Der Kläger hatte argumentiert, die entsprechende Betriebsvereinbarung stelle eine Ungleichbehandlung - und mehr noch - eine Benachteiligung von Männern dar.
  • Die Airline hielt dagegen: Die Dienstkleidungsvorschrift behandle die Geschlechter zwar unterschiedlich, drücke aber keine "unterschiedliche Wertigkeit der Geschlechter" aus.

Der Fall

Pilot T. ist seit 2006 bei der Deutschen Lufthansa AG tätig. Bei der Airline gibt es eine Betriebsvereinbarung, die alle Piloten dazu verpflichtet, in jenen Flughafenbereichen eine sogenannte "Cockpitmütze" zu tragen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Für Pilotinnen gilt die vom Betriebsrat abgesegnete Regelung nicht. Im Dezember 2009 wird Pilot T. ohne seine Mütze erwischt und als Folge von einem New-York-Flug abgezogen. Das will er nicht auf sich sitzen lassen und zieht vor Gericht.

Das Urteil

In dritter Instanz entscheidet das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt: Die Lufthansa darf ihre Piloten nicht zum Tragen einer Uniformmütze auf Flughäfen verpflichten. Die Bundesrichter sehen in den Lufthansa-Argumenten keine ausreichenden Gründe für eine Ungleichbehandlung von Frauen und Männern. (Az. 1 AZR 1083/12)

"Für eine personenbezogene Ungleichbehandlung muss es fundierte Sachgründe geben", sagte BAG-Präsidentin Ingrid Schmidt. Der Anwalt der Lufthansa hatte argumentiert, zur Außendarstellung der traditionellen Pilotenuniform gehöre die Kopfbedeckung. Außerdem verwies die Airline darauf, dass die Cockpitmütze von Pilotinnen nicht mit jeder Frisur getragen werden könne. Diese Argumentation ließ Schmidt nicht gelten: Nicht nur Frauen mit Langhaarfrisur, sondern auch Männern mit Gel im Haar könnte es Probleme bereiten, die Mütze aufzusetzen, sagte sie.

Die BAG-Präsidentin ging sogar noch einen Schritt weiter und warf die Frage auf, ob nicht andersherum eine subtile Benachteiligung von Pilotinnen vorliege. Wenn drei Flugzeugführer, darunter zwei Männer mit Mütze, auf einem Flughafen zusammenständen: "Wen halte ich für den Piloten?"

Einschätzung des Arbeitsrechtexperten

Für Ulrich Grund, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus München, kommt das heutige Urteil überraschend. Denn Unternehmen wie die Lufthansa haben grundsätzlich das Recht, Vorgaben in Bezug auf die Dienstkleidung zu machen - und die Regelungen dürfen durchaus für Frauen und Männer unterschiedlich sein. Entscheidend, so der Arbeitsrechtexperte, sei in der Regel, dass der Betriebsrat, also die Arbeitnehmervertretung, sie abgesegnet habe. Das war im vorliegenden Fall passiert.

Der SZ.de-Arbeitsrechtexperte
Ulrich Grund
Ulrich Grund, Fachanwalt für Arbeitsrecht, München

Ulrich Grund ist Rechtsanwalt und Partner der auf Medien- und Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei Romatka & Collegen in München. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht berät und vertritt er sowohl Arbeitnehmer als auch Unternehmen in allen Fragen des Arbeitsrechts.

Das Bundesarbeitsgericht sieht in der Regelung zwischen der Lufthansa und deren Mitarbeitervertretung jedoch einen Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Demnach muss es eine sachdienliche Rechtfertigung geben, wenn der Arbeitgeber Dienstkleidungsvorschriften für Arbeitnehmergruppen unterschiedlich ausgestaltet. Im konkreten Fall soll die Uniform die Piloten aber gerade "als hervorgehobene Repräsentanten des beklagten Luftfahrtunternehmens kenntlich machen". "Gemessen an diesem Regelungszweck ist eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt", heißt es in der Pressemitteilung des Erfurter Gerichts.

Damit bekommt der Pilot zwar seinen Willen, die Erfurter Richter folgten jedoch nicht seiner Argumentation. Der Kläger hatte mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) argumentiert - er sah sich aufgrund seines Geschlechts diskriminiert. Wären die Richter dieser Linie gefolgt, hätte das möglicherweise weitreichende Folgen für Betriebsvereinbarungen im Allgemeinen gehabt. "Dann waren alle Dienstkleidungsvorschriften auf den Prüfstand gekommen, die für Frauen anderes vorschreiben als für Männer", so der Experte.

Dazu kommt es nun nicht. "Ob es sich überdies um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts handelt, bedurfte keiner Entscheidung", stellte das Bundesarbeitsgericht klar. "Das Schlagwort Diskrimierung hat keine Rolle gespielt", erklärt Arbeitsrechtler Grund, "das Gericht hat eine Einzelfallentscheidung bezogen auf die Betriebsvereinbarung eines bestimmten Unternehmens getroffen".

Die Lufthansa hat sich im Übrigen nach eigener Aussage darum bemüht, eine einheitliche Mützen-Regelung für Frauen und Männer zu treffen. Diese sei jedoch nicht von der Personalvertretung unterstützt worden, sagte ein Unternehmenssprecher. Insofern gilt nun - vorerst: Die Pilotenuniform ist um ein Accessoire ärmer.

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