Ursachen für Burn-out:Arbeiten, bis die Seele schmerzt

Angst davor, dass das Telefon klingelt, Panik dass jemand eine Entscheidung erwartet, Furcht vor dem Gang in die Kantine: Nur ein paar Symptome von Burn-out. Als Ursache für das Syndrom wird oft die ständige Erreichbarkeit genannt. Das allein ist jedoch nicht das Problem.

Sibylle Haas

Eines Tages saß er wie gelähmt am Schreibtisch und konnte nicht mal mehr den Bleistift heben. Er hatte Angst davor, dass das Telefon klingelt. Dass er etwas sagen, vielleicht auch entscheiden muss. Es ist die Geschichte eines Mannes, der irgendwann nichts mehr auf die Reihe brachte, unendlich traurig war und müde. Der nicht mehr ordentlich schlafen konnte, immer gereizter wurde und der sogar im Urlaub nur noch an die Arbeit dachte. Es ist die Geschichte eines Managers, der immer mehr aus sich herausholen wollte, bis er die für seinen Job so wichtige Fähigkeit verlor, strukturiert und analytisch Probleme zu lösen. Der schließlich Termine vergaß. Am Ende fiel ihm schon der Weg in die Kantine schwer.

Es ist also die Geschichte eines Menschen, der allmählich ausbrannte, bei dem die Lebendigkeit zu erlöschen drohte. Der am Ende so erschöpft war, dass Leib und Seele schmerzten. Durch eine Therapie fand er in ein normales Leben zurück. In ein Leben, in dem sich nicht alles um die Arbeit dreht, sondern in dem Familie und Freunde und seine innersten Bedürfnisse ihren Stellenwert zurückbekamen.

Es gibt viele solcher Beispiele. Die Arbeitswelt ist auf Effizienz getrimmt - darauf, dass kein Geld verschwendet, dass wirtschaftlich produziert wird. Produkte und Dienstleistungen sollen ihre Kunden finden und am Ende Gewinne übrig bleiben. Dies ist ein schlichtes und doch wichtiges Prinzip: Ressourcen so zu nutzen, dass eine bestimmte Wirkung mit möglichst geringem Aufwand erzielt wird. Es sichert den ökonomischen Wohlstand, weil Firmen Profit brauchen, um in neue Maschinen und Produkte zu investieren. Und weil Firmen rentabel sein müssen, um ihre Mitarbeiter zu entlohnen, damit die wiederum kräftig konsumieren.

Die Sache hat gut funktioniert: Solange es darum ging, die Technik zu verbessern und Maschinen immer schneller zu machen, stieg der Wohlstand für viele. Doch die Prinzipien der Produktionsgesellschaft lassen sich nicht eins zu eins auf eine Arbeitsgesellschaft übertragen, in der Wissen zum wichtigsten Rohstoff geworden ist. In der es darum geht, die Kreativität und den Ideenreichtum von Menschen zu fördern, weil dies die "Ware" ist, mit der die heutigen Industrieländer auf dem Weltmarkt punkten können.

Immer mehr Arbeitnehmer arbeiten nachts oder am Wochenende

Doch Kreativität kennt keine festen Arbeitszeiten. Menschen entwickeln nicht auf Knopfdruck zwischen neun Uhr morgens und fünf Uhr abends gute Gedanken. Ideen kommen ohne Zeitplan. Die neuen Arbeitsmittel - Smartphone, Laptop und iPad - vereinfachen diese Wissensarbeit enorm: Schnell mal eben um Mitternacht eine Idee ins iPad notiert oder eine kurze E-Mail dem Kollegen ins Smartphone gesendet. Jeder einzelne Handgriff ist schnell erledigt. Doch in der Summe stehen heutzutage viele Arbeitnehmer bis spät in die Nacht auf Rufbereitschaft. Erst kürzlich meldete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden, dass Nacht- und Wochenendarbeit in Deutschland deutlich zugenommen haben.

Das alleine macht noch nicht krank. Es greift zu kurz, den digitalen Kommunikationsmitteln und flexibleren Arbeitszeiten einfach die Schuld dafür zu geben, dass die Fehlzeiten in den Firmen wegen Burn-outs seit Jahren steigen. Denn es sind ja nicht nur die digitalen Wissensarbeiter, die ausbrennen. Es trifft die alleinerziehende Mutter ebenso wie den 30-jährigen Kreativarbeiter. Oft sind es Idealisten, Menschen, die viel von sich erwarten. Menschen in Berufen mit hoher sozialer Verantwortung und geringer gesellschaftlicher Anerkennung werden öfter seelisch krank als andere, melden die Betriebskrankenkassen schon seit Längerem.

Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Erzieherinnen und Seelsorger sind hochgefährdet - Berufe, in denen auch der Fachkräftemangel viele zur Mehrarbeit zwingt. Sie arbeiten dann oft bis zum Umfallen, engagieren sich extrem und erleben schließlich den gesundheitlichen Superstörfall: Burn-out. Oft gehen Überarbeitung und Frust am Arbeitsplatz diesem Zusammenbruch voraus.

Die Arbeitswelt verändert sich drastisch. Sie hat die Schwelle ins digitale Zeitalter überschritten und damit an Schnelligkeit zugelegt. Mit knappen Produktionsfaktoren soll man nicht verschwenderisch umgehen - nur so darf das Effizienz-Prinzip auf Menschen übertragen werden. Nicht verschwenderisch mit Mitarbeitern umzugehen bedeutet, auf ihre Gesundheit zu achten. Mitarbeitergespräche können der erste Schritt sein. Gesundheitsmanagement und flexible Arbeitszeitmodelle ein zweiter. Gesunde Mitarbeiter sind glücklicher und produktiver.

Vor allem liegt es an jedem selbst. Menschen sind für sich verantwortlich. So wie der Manager, der allmählich ausbrannte und die Notbremse zog. Er lernte, in der Arbeit Grenzen zu ziehen - und die eigene Begrenztheit zu respektieren.

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