Süddeutsche Zeitung

Arbeiten am Strand:"Es muss nicht alles optimiert werden"

In den Ferien mal eben die Mails checken? Karriere-Coach Brigitta Bidlingmaier erklärt, wie man den Urlaub als Auszeit nutzt und die Arbeit hinter sich lässt.

Interview von Marlene Thiele

Laut einer aktuellen Umfrage hat mehr als die Hälfte der Deutschen schon mal während des Urlaubs gearbeitet. Mehr als 40 Prozent der Beschäftigten hat sogar dem Job zuliebe die Auszeit verschoben oder ganz abgesagt. Karriere-Coach Brigitta Bidlingmaier sieht das kritisch.

Frau Bidlingmaier, ist es in Ordnung, im Urlaub mal eben die geschäftlichen E-Mails zu checken?

Brigitta Bidlingmaier: Aus meiner Sicht ist das überhaupt nicht empfehlenswert. Man sollte gerade den Jahresurlaub nicht mit Arbeit vermischen, sonst ist sein Effekt viel geringer. Man braucht die Auszeit, um sich zu entspannen, in eine andere Welt einzutauchen und sich mit anderen Themen zu beschäftigen. Aber ganz pauschal lässt sich das nicht sagen. Zusätzliche freie Tage, etwa wegen zu vieler Überstunden, kann ich auch mal für kleine Büroarbeiten nutzen, und für den Chef erreichbar sein.

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Schadet es meiner Karriere, wenn ich im Urlaub nicht ständig ans Telefon gehe?

Das sollte es eigentlich nicht. Ich glaube, jeder gute Arbeitgeber muss ein sehr starkes Interesse daran haben, dass sich seine Arbeitnehmer ausruhen. Natürlich kann es Notfälle geben, so dass Angestellte während ihres Urlaubs kontaktiert werden müssen. Etwa, wenn ein bestimmtes Spezialwissen gefragt ist, das kein anderer Kollege hat. Das sollte aber eine absolute Ausnahme sein.

Wie kann ich mich vor Anfragen meiner Vorgesetzten schützen?

Indem ich mich verabschiede und allen sage, dass ich während des Urlaubs nicht erreichbar bin. Ich sollte einen Abwesenheitsassistenten für mein E-Mail-Postfach einrichten, der jede eintreffende E-Mail direkt weiterleitet und dem Absender mitteilt, wann ich zurückkehre. Außerdem ist es sinnvoll, phasenweise das Handy auszuschalten. Meist ist man darüber ja mit seinen Kollegen und damit dem Job vernetzt.

Wie lange sollte ein Urlaub dauern, damit ich richtig abschalten kann?

Mindestens 14 Tage. Man fängt erst nach einer Woche an, herunterzukommen und den Job-Ärger hinter sich zu lassen. Erst danach kommt der Körper in den Entspannungs- und Regenerationsmodus. Das widerspricht ein wenig dem Trend zu mehreren über das Jahr verteilten Kurzurlauben. Ein Städtetrip ist sicher gut für neue Eindrücke, zum Erholen reicht die Zeit dabei aber nicht.

Gibt es Tricks, um möglichst schnell zu entspannen?

Im Urlaub sollte man im Idealfall nicht das Haus putzen, zum Arzt gehen oder die Steuererklärung machen, sondern mal wirklich abtauchen. Das geht aber nicht nur in einem fernen Land, sondern auch im Wald nebenan oder mit einem tollen Buch. Hauptsache, man bekommt so viel Abstand vom Job wie möglich. Wichtig ist auch, sich vorher darüber Gedanken zu machen, wie man selbst am besten vom Beruf entspannen kann. Ein Beispiel: Eine Freundin von mir ist einmal völlig entnervt von einer Reise in die Südsee zurückgekommen - es war ihr zu heiß und die Mücken hatten sie total zerstochen. Andere hätten diesen Urlaub vermutlich ganz toll gefunden, für sie hat es aber gar nicht gepasst.

Wie lässt sich der Urlaub darüber hinaus optimal nutzen?

Bewegung ist auf jeden Fall wichtig. Menschen, die sich im Urlaub bewegen, regenerieren schneller als die, die es kaum oder zu wenig tun. Ob man jetzt aber nach Thailand reist und in einem anderen Klima, mit fremden Gerüchen und vielen Eindrücken dem Alltag entflieht, oder ob man zum Beispiel in Dänemark nur Ruhe, Sand und Meer sucht, ist je nach Mensch und Lebensphase anders. Da gibt es kein richtig oder falsch. Man sollte den Urlaub aber auf keinen Fall überstrapazieren und zu hohe Erwartungen haben. Wer in den 14 freien Tagen nur glücklich sein möchte, macht sich schon wieder Druck. Es muss nicht alles optimiert werden.

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