Unterschätzte Büroleiden:Ich langweile mich schlapp

Mausarm, Sitzfrust, "mangelnde Persönlichkeitsförderlichkeit" - die häufigsten unterschätzten Gebrechen im Büroalltag: Von Berit Uhlmann

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Klicken bis der Arzt kommt: Der Mausarm

Der eine ruiniert sich seinen Arm auf dem Tennisplatz, der andere auf dem Mauspad. Natürlich hat der Tennisarm das bessere Prestige, doch der Mausarm-Geplagte leidet nicht weniger. Eher mehr. Stetige monotone Bewegungen vor dem Rechner verursachen ihm Schmerzen, Kribbeln, Taubheitsgefühle oder Muskelkrämpfe im Arm. Knapp sechs Prozent der Büroangestellten kennen nach einer Befragung der Universität Vancouver diese Phänomene.

Doch so wirklich anerkennen will das Leiden hierzulande niemand. Während die Beschwerden in den USA unter der Bezeichung Repetitive Strain Injury (RSI) als Berufskrankheit gelten, werden sie in Deutschland nicht einmal einem einheitlichen Krankheitsbild zugeordnet.

Was helfen kann: möglichst häufig die Handbewegungen wechseln, auch mal mit der Hand schreiben, Pausen einlegen, ergonomische Tastatur anschaffen

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Entkräftung breitet sich aus: Sick-Building-Syndrome

Es ist das mysteriöseste Leiden im Büroalltag überhaupt. Denn obwohl Wissenschaftler seine Existenz noch nicht einmal eindeutig bestätigen, tritt es massenhaft auf: Das Sick-Building-Syndrome ist ein epidemisches Schlechtfühlen in Bürogebäuden.

Kopfschmerzen, diverse Allergien und selbst depressive Zustände breiten sich über die Etagen aus. Die Schleimhäute sind gereizt, Asthmatiker schnappen häufiger nach Luft, müde und schlapp fühlen sich ohnehin alle.

Einige Wissenschaftler halten es für ein massenpsychologisches Phänomen. Häufiger aber werden als Ursache Schadstoffe diverser Herkunft angeführt, so die Ausdünstungen von Filzstiften und Teppichen, aber auch umstrittene Phänomene wie Elektrosmog. Die Techniker-Krankenkasse spricht davon, dass 20 Prozent der Büromenschen von diesem Syndrom betroffen sind. Anerkannt ist es nicht.

Was helfen kann: Klimaanlange ausstellen, Lüften, Grünpflanzen anschaffen

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Von der Langeweile erschöpft: Boreout

Auf wenig Verständnis dürfte auch der Boreout-Betroffene treffen. Während Kollegen mit Burnout das volle Mitgefühl erhalten, will den Unterforderten kaum jemand glauben, dass sein Leiden belastend ist und sogar "müde und ausgepumpt" macht, wie jüngst zwei Schweizer Autoren in ihrem vielbeachteten Buch schrieben.

Das Ausgebranntsein rührt daher, dass die Betroffenen enorm beschäftigt sind, zu verbergen, dass sie nichts zu tun haben.

Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigt man sich überzeugt, dass die Unterforderung eine unterschätzte Größe im Berufsalltag ist, die selbt körperliche Leiden wie Verspannungen und Magenbeschwerden hervorrufen kann.

Dennoch ist der Boreout weit davon entfernt, als Krankheit anerkannt zu werden. Es ist noch nicht einmal sicher, wie viele Menschen sich überhaupt schlapp langweilen.

Was helfen kann: Arbeitsgänge abwechseln, den Chef nach neuen Herausforderungen fragen, neuen Job suchen

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Büroangestellte leben gefährlich

Verletztungen und Vergiftungen liegen laut einer IKK-Statistik an dritter Stelle aller Büroleiden. Jeder Angestellte fehlt im Schnitt einen Tag pro Jahr, weil er über Kabel stolpert, sich den Kopf an Regalen stößt, in der Kaffeküche ausrutscht oder auf dem Weg zur Arbeit oder bei einer Betriebsfeier Blessuren davonträgt - denn auch die Folgen feuchtfröhlichen Beisammenseins gelten in der Regel als Arbeitsunfall.

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Leiden am Lärm

Auch diese Klagen werden nicht unbedingt von Jedem ernst genommen: Aber Manche macht das Klappern der Tastatur krank.

Ein moderner Standard-PC brummt mit rund 50 Dezibel unter Volllast, lautes Hacken auf der Tastatur kann es auf ähnliche Werte bringen und manche Drucker erreichen bis zu 75 Dezibel. Konzentriertes geistiges Arbeites ist den meisten Experten zufolge aber nur bei bis maximal 30 bis 40 Dezibel möglich.

Wird dieser Pegel überschritten, rebelliert die Psyche: Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Aggressionen treten auf. Immerhin jeder zweite kennt diese Zustände, fand das Forum Besser Hören heraus. Dennoch ist Lärmschutz eher die Domäne von Baustellen, Flughäfen und Fabrikhallen.

Was helfen kann: Drucker in separaten Räumen aufstellen, Rückzugsmöglichkeiten schaffen

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Kraftakt Sitzen: Rückenbeschwerden

Büroangestellte verbringen im Laufe ihres Berufslebens laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin rund 80.000 Stunden auf ihrem Stuhl. Entgegen landläufiger Meinung ist dies äußerst anstrengend für die Rückenmuskulatur.

Die Behörde spricht von "Sitzfrust" und sieht darin eine wesentliche Ursache am Klassiker der Büroleiden schlechthin: den Rückenbeschwerden. 54 Prozent aller Schreibtischarbeiter leiden an Verspannungen, Schmerzen, Steifheit. Andere Umfragen gehen sogar davon aus, dass zwei Dritteln der Angestellten zumindest periodisch Kreuz oder Nacken schmerzt.

Was helfen kann: Ergonomischer Schreibtisch, aufrechtes Sitzen, Haltungswechsel, Dehnübungen, Umherlaufen, ein Stehpult im Zimmer

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Wenn der graue Kollege auf die Psyche schlägt

Die Angestellten der höheren Verwaltung gehören nach den Lehrern und Krankenpfleger zu den stressgefährdetsten Berufsgruppen: Depressionen, Burnout und etliche weitere Beschwerden, die man sich gar nicht vorstellen mag, drohen.

Nach einer IKK-Statistik lagen bei Büroangestellten die Fehltage durch psychische Krankheiten neun Prozent über denen der anderen Versicherten.

Warum? Nervige Kunden, fordernde Chefs, Termindruck gehören zu den Ursachen. Für ganz wesentlich hält die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aber auch den "grauen Kollegen", sprich PC, der heute "auf über 90 Prozent aller Schreibtische seinen Dienst verrichtet, welcher leider nicht immer ein Dienst am Menschen ist". Denn er diene eben nicht der "Persönlichkeitsförderlichkeit", schreibt die Bundesanstalt.

Wer so textet, sitzt vermutlich an einen ergonomisch und individuell gestalteten Arbeitsplatz, verfügt über wechselnde Aufgaben und eine "Arbeitsanreicherung", welche bedeuten soll, dass sich der Mitarbeiter mit ihr persönlich weiterentwickeln kann. Denn dies alles kann helfen - so schreibt die Behörde - dem Leiden am grauen Kollegen zu trotzen.

Foto: Reuters

(Text: sueddeutsche.de/mri)

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