Unternehmer-Gattinnen:Die Ehe als Trumpf im Spiel um die Macht

Friede Springer, Liz Mohn und Ursula Piëch werden momentan oft in einem Atemzug genannt. Sie waren die Frauen großer Unternehmer und wurden irgendwann selbst zu Herrscherinnen. Kann man ihnen das vorwerfen? Viele Chefs mögen glauben, dass sie allein durch Leistung nach oben kamen - und lügen sich damit in die Tasche. Auf irgendeinem Ticket macht fast jeder Karriere, die Ehe ist nur eines unter vielen.

Tanja Rest

Zum Beispiel Elfriede Riewerts, Tochter eines Gärtners und einer Hauswirtschaftsleiterin, 23 Jahre alt. Sie meldet sich auf eine Stellenanzeige in der Welt am Sonntag: Hamburger Villenhaushalt sucht Kindermädchen für einen dreijährigen Jungen. Als sie mit der Dame des Hauses plaudernd auf dem Sofa sitzt, erscheint oben an der Treppe der hochgewachsene Verleger. Er sagt gar nichts. Er sieht sie nur lange, auffallend lange an.

CDU/CSU-Fraktionssitzung zur 15. Bundesversammlung

Verlegerin Friede Springer sitzt noch heute am gleichen Schreibtisch wie ihr Mann Axel.

(Foto: dapd)

Oder Elisabeth Beckmann, Tochter eines Handwerkers und einer Hutmacherin, 17 Jahre alt. Sie arbeitet als Telefonistin in einem Buchclub, zu ihrem ersten Betriebsfest erscheint auch der Chef des Hauses. Charismatisch ist er, charmant und verheiratet; drei Kinder. Man spielt die Reise nach Jerusalem, er erobert den letzten Stuhl. Sie soll auf seinem Schoß gelandet sein.

Oder auch Ursula Plasser, Tochter eines Zollbeamten, 26 Jahre alt. Sie bewirbt sich auf ein Zeitungsinserat und wird bei vermögenden Leuten als Gouvernante für die beiden Kinder engagiert. Beim Weihnachtsurlaub auf der familieneigenen Berghütte lässt der mächtige Automann sie in seinem VW-Iltis dreimal hintereinander am Steilhang anfahren. "Blöder Kerl", denkt sie sich. Und ist doch fasziniert.

Wäre Elfriede, genannt Friede, heute Herrscherin über die Axel Springer AG, wenn sie nicht den 30 Jahre älteren Axel Cäsar Springer geheiratet hätte? Bestimmt nicht. Stünde Elisabeth, genannt Liz, unangefochten an der Spitze des Verlagshauses Bertelsmann, wäre sie nicht die Ehefrau des 20 Jahre älteren Reinhard Mohn geworden? Kaum. Würde Ursula, von Freunden Uschi gerufen, am 19. April in den VW-Aufsichtsrat gewählt werden, hätte ihr der 20 Jahre ältere Ferdinand Piëch nicht vor langer Zeit das Jawort gegeben? Nie und nimmer. Andererseits - ist das wichtig?

Friede Springer, Liz Mohn und Ursula Piëch, drei verblüffend ähnliche Frauenbiographien, werden in diesen Tagen oft in einem Atemzug genannt. Subtext natürlich: die heimliche Geliebte, die sich zur Herrscherin gemausert, um nicht zu sagen hochgeschlafen hat. "Von der Gouvernante zur Konzernlenkerin": So überschrieb - eine Zeitspanne von 28 Jahren nonchalant ausblendend - die FAZ einmal ein Ursula-Piëch-Porträt. "Die Gouvernante", so titelte die Financial Times Deutschland jetzt wieder, als durchgesickert war, dass die Piëch-Gattin auch offiziell die starke Frau bei Volkswagen werden soll.

Es steckt Erstaunen dahinter, sicher, die Lust an der ungewöhnlichen Geschichte, aber auch Geringschätzung. "Herzlich", "fröhlich", "lebenslustig" sind Adjektive, mit denen die 55-Jährige beschrieben wird - unternehmerisch sei sie bisher kaum in Erscheinung getreten, heißt es. Dass sie tatsächlich viel von Autos verstehen soll, kommt da nur noch gönnerhaft daher. Und so eine will einmal einen Weltkonzern lenken? Nur weil sie sich den Chef geangelt hat? Was fällt der ein?

Es gibt heutzutage schließlich so etwas wie eine Blaupause für Aufsteiger. Ein tadelloses Abitur, ein mit Praktika und Auslandsaufenthalten gespicktes Studium, gefolgt von der Power-Schleife in großen Beratungshäusern und Investmentbanken, dann Eintritt ins Unternehmen und Sturm durch die Hierarchien, befeuert von Brillanz, Durchsetzungskraft, brennendem Ehrgeiz und knüppelhartem Arbeitswillen. Bingo.

Springer, Mohn und Piëch entsprechen nicht der Blaupause für Aufsteiger

Den Erfolg, da sind sich die Deutschen mit ihrem schmallippigen Arbeitsethos mehrheitlich einig, den gibt es nicht geschenkt. Den muss man sich verdienen. Aber drei der mächtigsten Unternehmerinnen in Deutschland - vier, rechnet man Maria-Elisabeth Schaeffler hinzu, Regentin bei Schaeffler - haben nicht studiert, zum Teil haben sie noch nicht mal Abitur. Sie kommen aus mittleren bis kleinen Verhältnissen. Sie haben sich nicht im Lauf der Jahre mühsam nach oben geackert. Sie sind mit dem Boss ins Bett gegangen, haben ihn später geheiratet, von ihm gelernt und schließlich sein Erbe angetreten. Im Spiel um die Macht ist das der Royal Flush.

175 Jahre Bertelsmann

Liz Mohn neben einem Porträt ihres verstorbenen Mannes, dem Bertelsmann-Patriarchen Reinhard Mohn.

(Foto: dpa)

Ein Schlag ins Gesicht der Ackernden mit all ihren wichtigen Karriereschritten. Es sind bestimmt nicht nur Männer, die über diese Art des Vorwärtskommens die Nase rümpfen. Aber es war dann eben doch ein Mann, der das wabernde Unbehagen mal so richtig auf den Punkt brachte, in einer Talkshow und am Beispiel von Liz Mohn: Die habe "mit kaltem Machtinstinkt die Macht an sich gerissen", auf Kosten eines "hinfälligen Mannes, der unter ihr leidet", sagte der Autor und Journalist Wolf Schneider. Das Zitat spricht für sich.

Trotzdem, ist das Unbehagen nicht berechtigt? Allein die Frage ist naiv. Sie impliziert, dass es edle und unehrenhafte Varianten des Aufstiegs gibt. Die meisten Chefs und Vorgesetzten mögen glauben, das, was sie sind, allein durch Leistung geworden zu sein. Wenn sie sich da mal nicht in die Tasche lügen. Auf irgendeinem Ticket macht fast jeder Karriere (was keine Schande ist), und da ist die vorteilhafte Ehe nur eines von vielen.

Es gibt das Erben-Ticket für Söhne und Töchter. Es gibt das Blender-Ticket für die Windmacher und Selbstdarsteller. Es gibt das Treue- und Ergebenheits-Ticket für besonders talentierte Kriecher. Hier und da gibt es auch mal ein Fleiß-Ticket - und so weiter. Menschen machen Karriere, weil sie straffen Seilschaften angehören, einflussreiche Leute kennen, mit dem Boss golfen gehen oder samstags neben ihm im Stadion sitzen. Dann gibt es natürlich noch das Quoten-Ticket, zum Beispiel die Frauenquote. Sie ist nicht geheim, sondern offiziell, das ist dann aber schon der ganze Unterschied.

Die Frauen- und Jugendministerin Angela Merkel war in Helmut Kohls Wendekabinett die Dreifach-Quote: protestantisch, Ossi und Frau. Es hat sie nicht beirrt, warum auch. Alle diese Instrumente sind moralisch weder gut noch böse. Es sind schlicht: Instrumente. Über die Qualifikation derer, die sie nutzen, sagen sie nichts aus.

Bei den Frauen Springer, Mohn und Piëch wiederum spricht vieles dafür, dass die Ehe nicht einmal ein Schachzug gewesen ist, um in die Nähe der Macht zu kommen. Die Ehe war vielmehr ihr Weg, einen überragenden, heftig vergötterten Mann an sich zu binden. Und dies zu Konditionen, die eigenständigere Frauen die Selbstachtung gekostet hätte.

Die Gattinnen dienten nur dem einen

Ehepaar Piech uebernimmt die Kontrolle

Das Ehepaar Piëch auf einem Gala-Dinner in Ingolstadt.

(Foto: dapd)

Das blonde Fräulein Riewerts verliebte sich in einen Egomanen, der von sich behauptete: "Ich nehme mir das Recht heraus, Frauen regelmäßig auszutauschen." Sie wurde seine fünfte. Da Axel Springer ihre Aufmerksamkeit nicht teilen mochte, verzichtete sie auf Kinder und brach den Kontakt zu ihrer Familie nahezu ab.

Liz bekam von Reinhard Mohn drei Kinder, hatte vorher, um den Schein zu wahren, aber den Bertelsmann-Lektor Joachim Scholz geheiratet. Dass der im Souterrain nächtigende Mann gar nicht ihr Vater war, erfuhren die Kinder erst später. 15 Jahre währte das Arrangement, bis Mohn sich scheiden ließ, Liz heiratete und seine Sprösslinge adoptierte.

Ursula Piëch wiederum darf die milliardenschweren Vermögensanteile ihres Mannes nur dann verwalten, wenn sie nach seinem Tod nicht wieder heiratet. Offenbar hat sie zugestimmt. Die Konditionen, keine Frage, diktierten die Männer.

Maria-Elisabeth Schaeffler, die nach der Heirat ein Studium der Betriebswirtschaft begann, wurde von ihrem Gatten mit den Worten zurückzitiert: "Was du da lernst, kann ich dir auch beibringen." Und das tat er auch. Alle diese Männer taten das. Sie formten die noch unbedarften jungen Dinger nach ihrem Willen, unterwiesen sie, erzogen sie, weihten sie ein. Irgendwann waren die Frauen so sehr zu ihrem Geschöpf geworden, ein Stück aus ihrer Rippe, dass die Männer ihnen mehr vertrauten als den engsten Mitarbeitern, im Zweifel sogar mehr als den eigenen Kindern.

"Mein Mann hat mich so erzogen"

"Sie lebte Springers Leben", schreibt Inge Kloepfer in ihrer lesenswerten Friede-Springer-Biographie, "ein eigenes hatte sie nicht mehr. Sie war genauso geworden, wie er sie hatte haben wollen. (...) Sie diente ihm bedingungslos." Noch viele Jahre nach dem Tod der Männer hört man aus den Äußerungen die Ergebenheit heraus. Mohn: "Mein Coach war mein Mann." Schaeffler: "Mein Mann hat mich so erzogen." Springer: "Ich bin ein Produkt Axel Springers. Er hat mich geschaffen und gemacht."

Was hat diese Frauen, als ihre Zeit kam, zu so harten und erfolgreichen Unternehmerinnen werden lassen? Denn erfolgreich sind sie alle, da muss man sich die Geschäftszahlen im Lauf ihrer Herrschaft nur mal ansehen. Zunächst einmal verfügten sie über ein großes und praxisnahes Wissen und spielten schon lange vor der Übernahme eine wichtige Rolle im Betrieb. "Von der Gouvernante zur Konzernlenkerin", ganz so märchenhaft war und ist es eben doch nicht. Die Witwen hatten außerdem eine glasklare Mission, sie lautete: Sein Lebenswerk darf nicht beschädigt werden. Kontinuität also. Das Ruder herumzureißen, um sich - koste es, was es wolle - als neue Spitzenkraft zu profilieren, das wäre ihnen im Traum nicht eingefallen.

In der Axel-Springer-Straße 65 in Berlin sitzt Friede Springer an einem Schreibtisch, auf dem sich seit 27 Jahren nichts verändert hat. Es ist seiner.

Last but not least: Die Gattinnen und späteren Witwen dienten dem einen, und nur dem einen. Die Middelhoffs und Schulte-Hillens des Global Business, die ihre Bugwelle vor sich herschieben und in der Öffentlichkeit den Max machen, waren ihnen schon immer suspekt. Und die Middelhoffs und Schulte-Hillens waren eitel und dumm genug, das nicht zu merken. Die Damen schätzen Diskretion. Windmacher mögen sie nicht. Und so oft sie sich auf Soft Skills wie Bauchgefühl und Menschenverstand berufen, den Killerinstinkt besitzen sie schon auch: All die angestellten Charmeure, die glaubten, das gehorsame Mädel nach dem Tod des Alten ebenfalls um den Finger wickeln und manipulieren zu können, haben sie freundlich lächelnd abserviert.

Ein Spaziergang war das nicht. Es ist keinesfalls auszuschließen, dass Liz Mohn irgendwann im Morgenmantel vorm Spiegel gestanden und schlotternd vor Lampenfieber ihre erste große Rede geprobt hat. "Anfangs war ich schon aufgeregt, natürlich. Es war alles neu", hat sie eingeräumt. Im Gespräch mit ihrer Biographin sagte Friede Springer: "Ein Schilfrohr im Wind war ich damals. Viel verstanden habe ich noch nicht." Viel konkreter wird es nicht, aber den Rest kann man sich denken. Die abschätzigen Blicke. Das böse Getuschel. All die Männer mit ihrem devoten Getue unter vier Augen und den anzüglichen Herrenwitzchen später im Séparée. Dazu die eigenen Zweifel, ob man diesen Job, den man sich ja angeheiratet hatte, denn wirklich konnte. Wie hart muss das gewesen sein?

Von der Frau an seiner Seite zur Frau an seiner Stelle

Im März 2009, auf dem Höhepunkt der Conti-Krise, bekamen zwei Autoren des Manager Magazins einen Termin im Hause Schaeffler. Die Witwe Schaeffler hatte den mittelständischen Betrieb, den sie 1996 übernommen hatte, zum internationalen Konzern ausgebaut, sie war Unternehmerin des Jahres geworden, aber nun sah es schlecht aus für sie. Und da war er wieder, der herablassende Blick: "Weil in diesen Tagen Frisur, Garderobe und Schwung des Lidstrichs zur wirtschaftspolitischen Nachrichtenlage zählen, wollen wir nicht verschweigen: Sie sieht fabelhaft aus im fliederfarbenen Jäckchen." Keiner habe ihr zugetraut, die Firma ihres Mannes nach seinem Tod führen zu können, hat sie oft erzählt.

Entscheidend war noch nie, wie man einen Job bekam. Entscheidend war schon immer, wie man ihn dann machte. Und das missgünstige Geschwätz erzählt seit jeher am allermeisten über die Schwätzer. Friede Springer, Liz Mohn und Maria-Elisabeth Schaeffler haben das ausgehalten, mehr noch: Dass man sie unterschätzte, war ihr Vorteil. Sie haben nicht geklagt. Sie haben sich nicht geschämt. Sie haben sich für nichts entschuldigt. Sie haben ihre Chance genutzt. Von der Frau an seiner Seite wurden sie zur Frau an seiner Stelle. Ursula Piëch hat noch viel vor sich.

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