Unternehmenskultur:"Es geht ums nackte Überleben"

Der Mitarbeiter, ein primitives Hordenwesen? Der Evolutionsökonom Christian Cordes erklärt, wie sich Urnstinkte heute im Job auswirken.

S. Knoppik

Der Mitarbeiter, ein primitives Hordenwesen? Christian Cordes ist Evolutionsökonom am Max-Planck-Institut für Ökonomik in Jena. Er hat untersucht, wie sich die frühe Prägung des Menschen in Stammesgesellschaften auch heute noch in modernen Wirtschaftsunternehmen auswirkt. Das Ergebnis: Der Mensch ist nicht nur egoistisch, sondern setzt sich auch gern mit anderen für ein gemeinsames Ziel ein.

Christian Cordes

Christian Cordes: "Eine Firma braucht einen charismatischen Chef oder Abteilungsleiter."

(Foto: Foto: oH)

SZ: Funktionieren moderne Konzerne wie die Sippen der Urzeit?

Christian Cordes: Das ist etwas überspitzt. Allerdings gibt es tatsächlich menschliche Verhaltensweisen, die schon in primitiven Gesellschaften entstanden und seit etwa 5000 Jahren in den menschlichen Genen verankert sind.

SZ: Und was sind diese archetypischen Verhaltensweisen?

Cordes: Der Mensch ist nicht nur egoistisch und auf den eigenen Vorteil bedacht. Eine seiner kognitiven Eigenschaften ist es auch, sich in der Gruppe kooperativ zu verhalten.

SZ: Woher kommt das?

Cordes: In den frühen Gesellschaften, in denen es meist um den nackten Überlebenskampf ging, mussten die Menschen einfach zusammenstehen. Dieses Denken ist auch heute noch tief verankert.

SZ: Was können Unternehmen aus Ihren Forschungsergebnissen lernen?

Cordes: Sie können die kognitive Bereitschaft ihrer Mitarbeiter zum kooperativen Handeln nutzen und zum Beispiel das eigenverantwortliche Arbeiten fördern - mit möglichst flachen Hierarchien. Damit schafft man eine für die meisten Menschen optimale Arbeitsumgebung. Das funktioniert so aber nur in Firmen mit 20 bis 30 Mitarbeitern.

SZ: Warum?

Cordes: Früher lebten die Menschen in Gruppen dieser Größenordnung.

SZ: Nun sind viele Firmen deutlich größer als die frühen Stämme. Was können Großkonzerne machen, um bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen?

Cordes: Hier sollten die einzelnen Abteilungen oder Teams nicht größer als etwa 30 Mitarbeiter sein. Es ist allerdings durchaus auch möglich, dass sich kooperatives Verhalten in größeren Einheiten entfaltet. Dann muss aber eine passende Unternehmenskultur herrschen. Außerdem braucht die Firma dann einen charismatischen Chef oder Abteilungsleiter, der den Mitarbeitern als Vorbild dient.

SZ: Welche Rolle spielt überhaupt der "Stammesführer", also der Firmenchef?

Cordes: Im Idealfall zeigt der Chef ein vorbildliches Verhalten, das von den Mitarbeitern akzeptiert und dann auch nachgeahmt wird. Wichtig ist aber zum Beispiel auch das soziale Engagement des Unternehmens und seiner Führung. Studien haben ergeben, dass Mitarbeiter motivierter arbeiten, wenn sich ihr Unternehmen sozial engagiert.

SZ: Sind wir denn wirklich so selbstlos, wie es Ihre Forschungsergebnisse vermuten lassen? In unserer Ellbogen-Gesellschaft ist doch eher das egoistische Verhalten gefragt, oder?

Cordes: Den Hedonisten, der vor allem seinen Nutzen maximieren will, gibt es natürlich auch. Deswegen haben finanzielle Anreize wie Gewinnbeteiligungen in Unternehmen ihre Bedeutung. Aber menschliche Motive sind eben ambivalent. Auch die kooperative Seite des Mitarbeiters darf man nicht unterschätzen.

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