Unternehmensgründung:Hauptsache, die Haftung ist geklärt

Wer eine eigene Firma starten will, muss vorab wichtige Fragen klären. Schon bei der Wahl der Unternehmensform gibt es viele Möglichkeiten - und genauso viele Risiken.

Susanne Klaiber

Florian Teistler schreibt ziemlich klein. Zum Glück. Sonst hätte noch mehr Blätter für seine lange Liste gebraucht. Er hat viele Fragen, will er doch ganz genau wissen, was er tun muss, um sich als Reparateur und Verkäufer von Vakuumpumpen selbständig zu machen. Das sind die Geräte, die man in Laboren benutzt, um Luft aus einem Behälter zu saugen und Wasser bereits unter hundert Grad verdampfen zu lassen; im Vakuum, daher auch der Name.

Deutsche Bundesbank - Jahresabschluss 2010

Die Rechtsform eines neuen Unternehmens will weise gewählt sein - schließlich hängt die eigene Existenz daran.

(Foto: dpa)

Vor zwei Jahren hat Teistler, Chemielaborant in München, in der Arbeit mal eine kaputte Pumpe repariert. Die läuft immer noch, ebenso wie viele andere, an denen er geschraubt hat. Die Firmenidee lag da nahe. Den Namen hat er auch schon: Vakuumtec soll sie heißen. Bis zur Gründung muss sich der 23-Jährige in lässigen Jeans aber noch mit ziemlich trockener Materie herumschlagen. Deshalb sitzt er jetzt im Beratungsraum des Münchner Existenzgründungsbüros. Ein schmaler Raum, weiße Wände, schmucklos, nichts was vom Thema und Monika von Braitenbergs Worten ablenkt.

Die blonde, junge Juristin von der Industrie- und Handelskammer (IHK) weist Teistler darauf hin, dass er als erstes klären muss, ob seine Firma unter die Zulassungspflicht für Feinmechaniker fallen würde. "Nein, da hab ich mich informiert", sagt er. Als nächstes erläutert Braitenberg, wie man einen Businessplan aufstellt und welche Rechtsformen für Teistlers Unternehmen in Frage kämen. "Für jede Idee gibt es die passende Form", sagt sie. Das hört sich beruhigend an und beruhigen will sie auch. Denn angesichts der Vielzahl möglicher Firmenvarianten mit ihren Vor- und Nachteilen hinsichtlich der Organisation, Kosten und Haftung kann künftigen Gründern leicht mulmig werden.

Für Markus Neuner, den Rechtsformspezialisten der IHK München, ist die Haftung eine ganz wichtige Frage, "Fehler dabei können Existenz vernichtend sein", sagt er. Denn bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften - also Offenen Handelsgesellschaften, Kommandit- und Partnergesellschaften - haften alle Gesellschafter mit ihrem gesamten Vermögen, auch dem privaten. Geht die Firma pleite, können auch das Privathaus, das Auto und alle Ersparnisse verloren sein. Allein im Jahr 2009 gab es in Deutschland etwa 15.000 Insolvenzverfahren, die solche Firmen betrafen. "Im schlimmsten Fall bezahlt man bis zu 30 Jahre seine Schulden ab", sagt Neuner.

Dagegen können Beteiligte an Kapitalgesellschaften - also Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaften - meist ihre Haftung auf das beschränken, was sie in die Firma gesteckt haben. Für Pläne mit großem Risiko ist so eine Form also die bessere Variante. "Ich rate auch dazu, wenn jemand Subunternehmer beschäftigt", sagte Neuner. "Wenn ich zum Beispiel Solaranlagen anbiete und für die Montage einen Handwerker einspannen muss, der dann einen Schaden produziert, bin ich als Unternehmen verantwortlich - und dann doch besser nur mit dem Firmenvermögen haftbar", sagt der Jurist.

Unternehmer im Nebenerwerb

Florian Teistler will weiter in seinem 40-Stunden-Job in einem Pharmaunternehmen arbeiten und die Pumpen nebenher reparieren. "Meine Chefin unterstützt mich, denn eigentlich soll ich während der Arbeit ja nicht die kaputten Pumpen der Firma reparieren, sondern was anderes machen." Mit der Gründung als Nebenjob liegt Teistler im Trend, wie Eva May-Strobl vom Institut für Mittelstandsforschung erklärt. Inzwischen seien knapp ein Drittel aller Gründungen für den Nebenerwerb.

Bammel hat Teistler keinen vor dem, was da kommt, sagt er. Aber Respekt, den hat er schon. "Wenn ich eine Pumpe repariere, die fällt dann aus und die Produktion steht, dann ist schnell eine halbe Million Euro weg", sagt er und schaut seine Beraterin fragend an. Von Braitenberg rät ihm zu einer Haftpflichtversicherung. Und für besonders kitzlige Reparaturen, etwa bei alten Pumpen zu speziellen Verträgen sollte er nichts garantieren müssen, so die Expertin. Ein paar Risiken lassen sich auch mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) abfangen - leichte Fahrlässigkeit als Haftungsgrund zum Beispiel.

Gut für Teistler. Aber den Auftraggebern könnte das missfallen, fürchtet er. "Als Neuling ohne Namen in der Branche muss man damit rechnen, dass Geschäftskunden für sie ungünstige AGB nicht akzeptieren", sagt Neuner. Für Teistler wäre das schlecht, welcher Privatmann hat schon Vakuumpumpen. Und auf Haftungsbeschränkungen per Rechtsform reagieren Lieferanten sehr sensibel: Sie liefern manchmal dann gar nicht oder verlangen private Sicherheiten.

Die sogenannten Mini-GmbHs, die Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt) zum Beispiel stießen bei Geschäftskunden immer wieder auf Misstrauen, sagt Neuner. Sie wurden 2008 in Deutschland eingeführt, als Einsteiger-Variante zur normalen GmbH, für die ein Stammkapital von 25.000 Euro vorgeschrieben ist. Für die Miniaturvariante braucht es nur einen Euro. "Diese Form hat Signalwirkung." Denn sie signalisiere, dass der Unternehmer wenig Geld habe und die persönliche Haftung scheue. Trotzdem bewerten Banken und Kunden die Einschränkung persönlicher Verantwortung heute bei weitem nicht mehr so kritisch. Bis in die 70er Jahre hinein sei so etwas in Unternehmerkreisen noch "verpönt" gewesen, schreibt Sabine Klein in ihrem Buch "Familienunternehmen".

Riskante Musterverträge

Ein weiteres Kriterium auf der Suche nach der richtigen Unternehmensform ist die Besteuerung der Gewinne. "Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften folgen da ganz unterschiedlichen Grundsätzen", sagt Carsten Rothbart vom Deutschen Steuerberaterverband. Kapitalgesellschaften zahlen auf ihre Gewinne Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, inklusive Solidaritätszuschlag sind das etwa 30 Prozent. Die Höhe der Gewerbesteuer ist von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Wird der Gewinn dann an die Gesellschafter ausgeschüttet, zahlen sie auf die Dividende noch einmal 25 Prozent Abgeltungsteuer plus 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag.

Bei Personengesellschaften fällt laut Rothbart im Endeffekt nur einmal Steuer an: Der Gewinn wird bei den Gesellschaftern besteuert, unabhängig davon, ob er tatsächlich ausgeschüttet wird. Wie hoch die Steuer ist, hängt vom Steuersatz des Gesellschafters ab, liegt also höchstens bei 45 Prozent plus Solidaritätszuschlag. Zwar muss die Gesellschaft auch Gewerbesteuer zahlen, aber sie kann auf die Steuern angerechnet werden, die der Gesellschafter zahlt. So wird der Gesellschafter einer Personengesellschaft bei der Besteuerung dem Einzelunternehmer gleichgestellt.

Der dritte Punkt, über den Gründer sich Gedanken machen sollten, ist, wie viel Kosten und Aufwand sie in die Gründung selbst und in die Organisation des Betriebs stecken wollen. Wer nicht als Einzelkämpfer antreten will, sollte laut Neuner Geld in einen professionellen Gründungsvertrag vom Rechtsanwalt investieren. "Streit gibt's meistens nicht am Anfang. Sondern dann, wenn es gut läuft." Zwar existieren für die meisten Rechtsformen Musterverträge, aber ohne Anpassungen und Sachkenntnis kann das schiefgehen. "Zu mir kam jemand, der hatte einfach GmbH über einen GbR-Vertrag geschrieben", sagt Neuner. Und spart sich das Kopfschütteln. Er hat schon zu viele unfassbare Patzer gesehen.

Außerdem ist wichtig, ob die Firma ins Handelsregister eingetragen wird. Dafür braucht man einen Notar. Als Faustregel gilt: Je mehr Kapital die Firma hat, desto mehr kosten dessen Dienste. Firmen im Handelsregister müssen außerdem in der Regel eine aufwendige doppelte Buchführung machen und am Jahresende eine Bilanz erstellen. "Wer da nicht fit ist, kommt um einen Berater nicht herum", sagte Neuner. AGs, GmbHs, Mini-GmbHs und GmbH & und Co.KGs müssen die Bilanzen darüber hinaus noch offenlegen - für viele Unternehmer eine gruselige Vorstellung. "Man sollte wissen, welche Karten man wirklich auf den Tisch legen muss", warnt Neuner. Gerade kleine Unternehmen würden oft aus Unkenntnis mehr offenbaren als gesetzlich vorgeschrieben.

Florian Teistler braucht sich zumindest damit nicht herumzuschlagen. Er will ein Einzelunternehmen gründen, ohne Eintrag ins Handelsregister. Teistler hat sich damit die häufigste Form ausgesucht, etwa 80 Prozent der 864.000 Gewerbeanmeldungen im Jahr 2009 waren Einzelunternehmen. Inzwischen hat Teistler der Beraterin mehr als eine Stunde zugehört, viel aufgeschrieben: Antworten auf seine Fragen - und neue Fragen, die er klären muss.

Sie überlegen, Ihr eigenes Unternehmen zu gründen? Stellen Sie Ihre Fragen an Antje Fiedler, Existenzgründungs-Beraterin aus München. Am Donnerstag ab 15 Uhr im Live-Chat.

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