Unternehmensgründer in Deutschland:Gut, aber nicht gut genug

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Deutsche Jungunternehmer haben in schwieriger Zeit mehr als eine halbe Million Jobs geschaffen. Sie sind erfolgreich. Wenn sie scheitern, dann aus einem ganz bestimmten Grund.

Helga Einecke

Frankfurt - Wer in einem Wirtschaftsabschwung ein Unternehmen gründet, muss sehr mutig sein - oder etwas Besonderes bieten. Tatsächlich haben die meisten Gründer die schwierigen Zeiten eher als Chance denn als Krise begriffen. Zu diesem Schluss kommen zumindest die KfW-Bankengruppe und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in ihrer Untersuchung zum deutschen Gründungsgeschehen. Sie untermauern ihre Ergebnisse mit einer Spurensuche am Arbeitsmarkt und zu den Strategien bei Innovationen.

Deutschlands Unternehmensgründer müssen innovativer werden, wollen sie nicht von China abgehängt werden. (Foto: dpa)

Beispiel Arbeitsmarkt: Entlassungen oder Kurzarbeit gab es bei den Gründern selten. Vielmehr leisteten die jungen Firmen ihren Beitrag zum deutschen Beschäftigungswunder. Die Jungunternehmer haben im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Million Stellen neu geschaffen, ein Höchststand im Rückblick der vergangenen drei Jahre. Im Schnitt bot jedes Start-up drei neue Stellen. "Die Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt hat viele Arbeitnehmer veranlasst, neu gegründete Unternehmen als attraktive Arbeitgeber in Erwägung zu ziehen", sagte Georg Licht, der den Bereich Industrieökonomik des ZEW leitet. Wenn es aufwärts geht mit der Konjunktur, finden mehr Menschen das Dasein als Angestellter in einem Konzern attraktiver. Geholfen haben in der Krise die Konjunkturpakete des Bundes, die vor allem Branchen wie den Bau aus dem Tief geholt haben.

Beispiel Innovationen: 16 Prozent aller neuen Firmen boten im vergangenen Jahr ein Produkt oder eine Dienstleistung an, die es am Markt noch nicht gab. Ein Jahr zuvor waren es erst 13 Prozent. Je ein Drittel der Neuheiten hat regionale, nationale oder internationale Bedeutung. Besonders begehrt sind natürlich die Weltneuheiten, die überwiegend in den Hightech-Firmen ausgetüftelt werden. Dabei arbeiteten die Gründer bewusst antizyklisch. Sie versuchten den Rückgang der Nachfrage durch bessere Produkte oder Angebote aufzufangen. "Das ist gut so. Marktneuheiten und frische Ideen haben die Wettbewerbskraft unseres Landes gestärkt", sagte Michael Bretz von Creditreform zu diesem Beitrag der Gründer an der Dynamik der deutschen Volkswirtschaft.

Neue Produkte und Dienstleistungen fallen nicht vom Himmel. Sie müssen erforscht und entwickelt werden. Die Rezession hat der Untersuchung zufolge den Erfindergeist bei vielen Unternehmern geweckt. Ein Siebtel aller jungen Firmen forschte im Krisenjahr 2009 in eigener Regie. Es gehörte demnach zu ihrer Strategie, sich über Neuheiten die Märkte zu erobern und sich auf diese Weise von der Konkurrenz abzusetzen.

Natürlich steckt in jeder Innovation der Keim des Scheiterns. Wieso aber sind manche Dienstleistungen gefragt und andere Produkte verstauben in den Regalen? Die Gründer geben darauf klare Antworten: Es fehlte eigentlich immer an Geld. Zwei Drittel sahen in ihren Finanzierungsproblemen den Hauptauslöser dafür, dass sie ihr Projekt nicht durchsetzen konnten. Neben zu hohen Kosten wurden schlechtere Geschäftsaussichten und ein Mangel an Fachpersonal als weitere wichtige Ursachen genannt.

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Das fehlende Geld wird von den Start-ups nicht nur bei der Forschung beklagt. Allgemein investierten die Firmen weniger. 44000 Euro steckten sie im Schnitt in ihre Vorhaben, ein Jahr zuvor waren es noch 6000 Euro mehr. Von den Unternehmen, die ihr viertes Geschäftsjahr hinter sich hatten, nahm jedes zweite überhaupt kein Geld mehr in die Hand, sondern begnügte sich mit Gewinnen aus Projekten, die sie bereits angeschoben hatten. Schon im ersten Jahr konnte die Hälfte aller Gründer ein positives Ergebnis erzielen, nach vier Jahren erhöhte sich ihr Anteil kontinuierlich auf drei Viertel aller Unternehmen.

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Von Schwierigkeiten sich zu finanzieren, berichtete ein Fünftel aller jungen Firmen. Vor allem in den Hightech-Branchen des verarbeitenden Gewerbes wurde mehr Geld benötigt als aufzutreiben war. In den meisten Fällen lehnte die Bank einen neu beantragten Kredit ab. Überwiegend haperte es an fehlenden Sicherheiten, mangelnder Bonität oder an eigenem Kapital des Kreditnehmers. Auch wurde häufig an der Rentabilität des Projekts gezweifelt. Die Fachleute sind sich einig darüber, dass diese Finanzierungsschwierigkeiten andauern werden. Licht bezeichnete die hohe Ablehnungsquote der Bankkredite als problematisch. Dieses Niveau sei kaum zu verschlechtern, sagte er. Auch Bretz geht davon aus, dass die Zeiten eines einfachen und günstigen Bankkredits nicht wiederkommen und verwies auf die strengeren Regeln für die Banken, durch die sich Kredite verteuern und Prüfungen der Neuheiten auf Rentabilität verschärfen.

KfW-Vorstandsmitglied Axel Nawrath machte auf eine spezielle Gruppe unter den Gründern aufmerksam, die Einwanderer. "Die wollen nicht nur als Leiharbeiter, sondern als Unternehmer unterwegs sein", sagte er. Gerade gut ausgebildeten Ausländer würden sich selbständig machen. Sie starteten häufiger mit angestellten Mitarbeitern als ihre deutschen Konkurrenten. Sie würden meist konsumnahe Dienstleistungen anbieten, heißt es in der Studie weiter.

In Bezug auf die Hightech-Branchen zeigen sich die Einwanderer auf Augenhöhe mit den deutschen Gründern. Als besonders innovativ gelten gemischte Teams, die aus Ausländern und Deutschen bestehen. Über die Hälfte aller jungen Firmen, die von Migranten gegründet wurden, beschäftigen ohnehin gemischte Teams. Allerdings beträgt der Anteil der Einwanderer am gesamten Gründungsgeschehen nur ein Zehntel.

Sind die Deutschen mit ihren 200000 Vollblut-Gründern und den 870000 Gründern im Voll- und Nebenerwerb pro Jahr ein innovatives Volk? Nein, so lautet das Fazit der Untersuchung.

In Europa liegt Deutschland nach Angaben der KfW nur im Mittelfeld. "Wir sind gut, aber wir verlieren an Boden und dürfen uns nicht ausruhen", sagte Norbert Irsch, Chefvolkswirt der KfW-Bankengruppe. Die Deutschen werden ihrem Ruf als Nation von Ingenieuren aber weiter gerecht. Die meisten Innovationen stammen aus den Bereichen Maschinenbau, Chemie und Fahrzeugtechnik. Diese Neuerungen würden als höherwertige Technologie eingestuft. Aber gerade auf diesen Gebieten holen Länder wie China und Indien derzeit gewaltig auf. Nur mehr Bildung könne einen langsamen Abfall der Deutschen aufhalten, so das Fazit der Experten.

© SZ vom 04.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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