Universitäten:Studienfach Schnaps

Viele deutsche Hochschüler haben ein Alkoholproblem. Jeder Dritte bekennt sich zu regelmäßigen Saufgelagen.

Birgit Taffertshofer

Skurrile Trinksitten gibt es an fast allen Universitäten in der Welt. Die Jungakademiker an ehrwürdigen britischen Hochschulen etwa liefern sich regelrechte Wettkämpfe im Bierkonsum. Die ausschweifenden Partys und Aufnahmerituale in Oxford und Cambridge sind mittlerweile legendär. Auch an den amerikanischen Hochschulen fließt reichlich Alkohol.

Schnapsregal im Supermarkt

Große Auswahl im Schnapsregal: Präventionsangebote für Studenten fehlen bislang.

(Foto: Foto: ap)

Doch offenbar haben auch die deutschen Studenten eine starke Neigung zu Bier und Schnaps. Das zumindest legt eine Studie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim und der Universität Münster nahe, bei der 1130 Studenten der Universität Mannheim untersucht wurden.

Jeder dritte Studierende bekennt sich in der aktuellen Umfrage zu regelmäßigen Saufgelagen. Männer greifen deutlich häufiger zur Flasche als Frauen. 44 Prozent der männlichen und 19 Prozent der weiblichen Studenten gaben an, regelmäßig viel Alkohol zu trinken und ihre Arbeit darüber zu vernachlässigen.

BWLer und Juristen besonders gefährdet

Die Probanden waren im Schnitt knapp 23 Jahre alt, befanden sich im fünften Semester und studierten am häufigsten Betriebswirtschaftslehre (16 Prozent) oder Jura (15 Prozent). Jeder Fünfte von ihnen leidet nach der Studie an mindestens einer psychischen Störung, wobei Frauen fast doppelt so häufig darüber berichten wie Männer.

Der Mannheimer Studienleiter Josef Bailer und sein Ko-Autor Fred Rist, Professor am Institut für Klinische Psychologie der Universität Münster, betonen zwar, dass ihre Untersuchung lediglich Hinweise auf ein "beachtliches Risiko für zu hohen, gefährlichen Alkoholmissbrauch bei Studierenden" liefere, aber die Ergebnisse seien dennoch "alarmierend", so Rist. Zumal die Alkoholproblematik an deutschen Universitäten bislang kaum thematisiert werde.

Angesichts der Ergebnisse ihrer Studie forderten die Psychologen mehr Prävention. In den USA sei man sich des Problems erheblich stärker bewusst als hierzulande. Neben breit angelegten Wiederholungsuntersuchungen gebe es gezielte Präventions- und Interventionsprogramme. Vergleichbares suche man an deutschen Hochschulen bisher vergeblich.

Auf der nächsten Seite: Die Gründe für die Saufgelage an den Unis.

Studienfach Schnaps

Fragt man nach den möglichen Gründen für die Gelage an den Unis, nennen die Studienautoren unter anderem wachsenden Stress und Leistungsdruck durch die Umstellung auf die stärker verschulten Bachelor-Studiengänge. Auch das Deutsche Studentenwerk (DSW) wies vor diesem Hintergrund kürzlich auf einen steigenden Beratungsbedarf hin. Bei den 43 psychologischen Beratungsstellen der Deutschen Studentenwerke fragen mittlerweile etwa 130.000 Studenten pro Jahr um Hilfe nach. 20.000 mehr als noch vor drei Jahren. Achim Meyer auf der Heyde, DSW-Generalsekretär, warnt aber vor voreiligen Rückschlüssen.

"Der zu hohe Alkoholkonsum ist ein gesamtgesellschaftliches Problem", sagt Meyer auf der Heyde. Es gebe bisher keine empirisch gesicherten Daten darüber, ob Alkoholexzesse bei Studenten häufiger sind als bei berufstätigen Altersgenossen. Zumindest in den Beratungen des Studentenwerks sprechen nur zwei Prozent der Hilfesuchenden ein Alkoholproblem an. Viel häufiger klagen die Studenten über depressive Verstimmungen, Leistungsdruck oder Prüfungsangst. Dass der Alkoholkonsum an deutschen Hochschulen bereits so hoch ist wie an den US-Unis - so eine These der Studie -, glaubt Meyer auf der Heyde nicht. Wenngleich er mehr Präventionsangebote für wünschenswert hielte, um die Sensibilität zu schärfen.

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