Unis nach den Plagiatsaffären:Kampf dem Doktor-Pfusch

Drastische Strafen für Betrüger, Plagiatssoftware, bessere Betreuung - mit diesen und anderen Mitteln wollen Universitäten in Zukunft den Diebstahl geistigen Eigentums verhindern. Dennoch: Ein von allen akzeptiertes Patentrezept gegen Lug und Trug fehlt bisher. Manchmal würde es schon helfen, längst bestehende Regeln einfach auch nur umzusetzen.

Tanjev Schultz und Roland Preuß

Karl-Theodor zu Guttenberg kehrt seiner Heimat den Rücken und will vorerst in den USA wohnen. In Deutschland ist das Beben, das die Plagiatsaffäre vor einem halben Jahr ausgelöst hat, zumindest an den Hochschulen noch immer zu spüren. Aktivisten im Internet haben in den vergangenen Wochen etliche Plagiate anderer Doktoren ans Licht gezerrt. Längst steht nicht mehr nur die Uni Bayreuth, an der Guttenberg promoviert hatte, am Pranger. Die Liste der betroffenen Universitäten wird immer länger: Tübingen, Heidelberg, Köln, Halle, Potsdam, Konstanz, Hamburg, Bonn, Dresden.

Studenten feiern Abschluss in Bonn

Studenten der Universität Bonn feiern ihren Abschluss und werfen ihre Barette (Doktorhüte) in die Luft. In Zukunft wird das Promovieren in Deutschland schwieriger werden.

(Foto: dpa)

"Der Tenor, es seien alles nur Einzelfälle, ist falsch", sagt der Münchner BWL-Professor Manuel Theisen, der seit Jahren gegen Lug und Trug bei Abschlussarbeiten kämpft. Er fordert "drastische Maßnahmen" schon bei Studenten, wenn sie erwischt werden. Außerdem verlangt er, alle Dissertationen elektronisch zu veröffentlichen, um sie besser überprüfen zu können. "Ich habe aber den Eindruck, an den Universitäten will man zur Tagesordnung übergehen."

Ganz so ist es nicht. Die Guttenberg-Affäre hat Professoren für das Problem der Plagiate sensibilisiert. Viele planen nun zusätzliche Kurse, in denen sauberes Zitieren gelehrt und das Bewusstsein für wissenschaftliche Redlichkeit geschärft werden soll. Einige Fakultäten haben ihre Promotionsordnungen verschärft, andere planen es. In der Welt der Wissenschaft braucht alles seine Zeit. Gremien müssen tagen, Argumente für und wider schärfere Kontrollen ausgetauscht werden. Von Aktionismus halten die meisten Professoren nicht viel.

Die Probleme bei Promotionen können aber auch nicht länger ignoriert werden. In Hamburg gelten für Doktoranden und ihre Betreuer in Jura neue Richtlinien. Darin wird klargestellt, dass "jede wörtliche Übernahme eines fremden Textes" durch Anführungsstriche markiert werden muss. In ihren Gutachten sollen die Betreuer darlegen, ob und wie sie die Dissertation auf die Einhaltung der Regeln untersucht haben. Die Kandidaten müssen ihre Arbeiten in digitaler Form einreichen, die Prüfung auf Plagiate mit einer speziellen Software soll Standard werden.

Pläne für Plagiatssoftware

Auch an anderen Hochschulen, etwa in Köln und Bonn, ist geplant, Doktorarbeiten mit Plagiatssoftware zu testen. Allerdings sind die Computerprogramme nicht über jeden Zweifel erhaben und können eine sorgfältige Prüfung keinesfalls ersetzen. Einen Generalverdacht gegen Doktoranden halten die meisten Hochschullehrer außerdem für schädlich, weil er die Atmosphäre auf dem Campus vergifte. Der Bayreuther Juraprofessor Oliver Lepsius, der Guttenberg einen "Betrüger" genannt hatte, kündigt an, eine Recherche nach Plagiaten "bei Verdachtsfällen im Einzelfall zu belassen". Er kenne seine Doktoranden meist seit Jahren und vertraue ihnen. Lepsius warnt davor, sich auf Software zu verlassen, die viele Quellen gar nicht erfasse.

Entscheidend für den Kampf gegen Doktor-Pfusch bleibt eine gute, aufmerksame Betreuung der Kandidaten durch die Professoren. Problematisch sind zu große und damit unkritische Nähe; andererseits aber auch zu große, von Desinteresse geprägte Distanz.

Der eine Professor betreut seine Doktoranden sehr intensiv, der zweite beutet sie aus, der dritte kümmert sich kaum", sagt der Vizepräsident der Universität Potsdam, Bernd Walz. Er leitet die Graduate School, ein fächerübergreifendes Kolleg, dem die Doktoranden in Potsdam angehören. Zwischen Kandidaten und Professoren werden förmliche "Betreuungsvereinbarungen" geschlossen. Walz räumt jedoch ein: "Es ist schwierig, einem Kollegen in die Betreuung seiner Doktoranden hineinzuregieren." Professoren zählen den Umgang mit Doktoranden zum Kernbereich ihrer wissenschaftlichen Freiheit. Es fehlen die Mittel, eine gute Betreuung zu erzwingen. "Ich kann nur stetig werben", sagt Walz.

Um bei der Bewertung von Dissertationen mehr Transparenz und Kontrolle zu schaffen, könnten externe Professoren hilfreich sein. Sie würden die Kollegen vielleicht davor bewahren, schlechte oder sogar betrügerische Arbeiten durchzuwinken. Der Präsident der Humboldt-Uni in Berlin, Jan-Hendrik Olbertz, sagt: "Mindestens Doktorarbeiten, für die eine Bewertung mit der Bestnote in Frage kommt, sollten zusätzlich von einem externen Gutachter beurteilt werden."

Strengere Regeln in Bayreuth

Auch in Bayreuth wollen die Rechtswissenschaftler die Promotionsregeln verschärfen. Unabhängig von den Plagiaten wunderten sich viele darüber, dass Guttenbergs später aberkannte Doktorarbeit zunächst als Spitzenwerk bewertet wurde. Bei Dissertationen sind die Noten oft umstritten. In Zukunft wird es seltener die Bestnote geben, vermutet Professor Lepsius. Das Promovieren in Deutschland wird schwieriger.

Reagiert haben auch Begabtenförderwerke wie die Friedrich-Naumann-Stiftung: Von Stipendiaten, die als Plagiatoren auffliegen, werden sie in Zukunft das Geld zurückfordern.

Bundesweite, politische Vorgaben zu den Regeln der Promotion sind dagegen kaum durchsetzbar. Die Fakultäten pochen auf ihre Autonomie, die sie ja auch schützt vor Eingriffen aus Politik und Lobbygruppen. Allenfalls hören die Universitäten auf die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und deren Empfehlungen. Im November plant die DFG einen großen Kongress zum Thema. Er soll einen Prozess einleiten, an dessen Ende noch präziser gefasste Regeln zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten stehen könnten.

Die Plagiatsfälle werden also nicht länger totgeschwiegen; doch es fehlt ein von allen akzeptiertes Patentrezept, Lug und Trug zu verhindern. Manchmal würde es schon reichen, längst bestehende Regeln umzusetzen: An der Uni Konstanz sieht die Promotionsordnung vor, dass Doktoranden eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Darin müssen sie garantieren, ihre Arbeit selbständig verfasst und die benutzte Literatur ordnungsgemäß zitiert zu haben. Im Frühjahr flog eine Juristin auf, die seitenweise in ihrer Dissertation abgeschrieben hatte.

Was dabei auch aufflog: Eine eidesstattliche Versicherung fehlte. Die Verwaltung hatte geschlampt und alte Formulare verwendet. So wurde bisher von keinem Doktoranden eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. "Es gab ein Defizit bei uns", sagt eine Uni-Sprecherin. Man werde das schleunigst beheben.

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