Uni-Ranking:Nutzlose Hitlisten

Hochschul-Rankings versprechen plakative Vergleichsergebnisse. Aber einige Studien sind tendenziös. Und seriöse Studien sind so kompliziert, dass am Ende mehr Fragen als Antworten bleiben

Jutta Pilgram

Menschen mögen Listen. Sie studieren Bundesliga-Tabellen und Single-Charts, sie orientieren sich an Bodymass-Indizes, Gehaltsübersichten und Bestsellerlisten. Sie wollen wissen, wie sie selbst im Vergleich zu anderen abschneiden. Sie wollen stolz auf ihren Favoriten sein oder neidisch auf die Konkurrenz. Auch Hochschul-Hitlisten machen stolz oder neidisch und sorgen in regelmäßigen Abständen für Aufruhr unter Professoren und Uni-Präsidenten. Doch was nützt es den Studenten, wenn sie wissen, in welcher Liga ihre Hochschule spielt?

Christina Wieland will Germanistik auf Lehramt studieren. Sie hat sich für die Wilhelms-Universität in Münster entschieden. "Ich habe diese Uni gewählt, weil mir die Stadt gefällt und weil ich während eines Praktikums eine tolle WG gefunden habe. Welchen Ruf die Uni hat, ist mir erst mal egal." Würde sie ihre Hochschule in einem Ranking suchen, wäre sie vermutlich verwirrt.

Beim Vergleich des Centrums für Hochschulentwickung (CHE), dem größten deutschen Uni-Ranking, landet Lehramt-Germanistik auf den letzten Plätzen: Das Fach gehört zur Schlussgruppe in der Kategorie "Kontakt zu den Lehrenden", bei der "Studienorganisation" und der "Studiensituation insgesamt" - alles in allem ein erbärmliches Ergebnis.

Ganz anders beim Ranking des Magazins Focus. Hier findet Wieland ihren Fachbereich im bequemen Mittelfeld: Germanistik in Münster scheint vollkommen durchschnittlich zu sein - ganz gleich, ob es um Drittmittel, Betreuungsrelation oder Promotionsquote geht. Immerhin: Die mittelmäßige Reputation habe sich im Vergleich zur letzten Erhebung ein bisschen verbessert, behaupten die Autoren der Untersuchung.

Trost findet die Germanistikstudentin beim globalen Ranking der chinesischen Shanghai Jiao Tong University. Das unterscheidet nicht nach Fachbereichen, sondern setzt die westfälische Traditionshochschule als Ganzes auf Platz 102. Damit ist Münster verglichen mit Tausenden von Hochschulen auf der ganzen Welt die neuntbeste deutsche Uni überhaupt. Ein gutes Ergebnis.

Zu simpel

Uni-Ranglisten sind eine zwiespältige Sache. Einerseits versprechen sie Orientierung für Studienanfänger und Ortswechsler, andererseits sind sie so widersprüchlich, dass man sich erst einmal kritisch und ausgiebig mit der Materie befassen muss, bevor man ihren wirklichen Informationsgehalt erfasst. Darüber können auch die groben Simplifizierungen nicht hinwegtäuschen, die manche Medien ihren Lesern vorsetzen: Der Einfachheit halber veröffentlichen sie Top-Ten-Listen, ohne nach Studiengang oder Fachbereich zu differenzieren, ohne ihre Datengrundlage zu offenbaren und ohne zu erklären, was eine gute Uni überhaupt ausmacht.

In Deutschland gibt es ungefähr 400 Hochschulen, einige tausend Fachbereiche und noch mehr verschiedene Studiengänge. Um ein exaktes Bild zu bekommen, müssen Daten zu jedem einzelnen Fach an jeder einzelnen Uni erhoben werden. Dabei reicht es nicht, pro Studiengang zwei oder drei Leute zu befragen, auf die man zufällig in der Institutsbibliothek trifft. Es müssen mindestens 15 sein, so das CHE, und es darf nicht der Statistik-Grundkurs oder das Doktorandenkolloqium sein, sondern eine repräsentative Mischung.

Doch wen bittet man um sein Urteil? Die Professoren, die um den Ruf ihrer Uni besorgt sind? Die Forscher, denen ihr Image in der Scientific Community wichtig ist? Die Hochschulangestellten, die ihrer Uni treu ergeben sind? Die Studenten, die meist gar keinen Vergleich haben? Oder die Arbeitgeber, die sich ans Hörensagen halten oder wehmütig an ihre eigene Studienzeit erinnern?

Nutzlose Hitlisten

Genauso umstritten ist, wonach man fragt: Nach der Anzahl der Studenten, die ein Professor betreut, oder nach der Zahl der wissenschaftlichen Aufsätze, die dieser Professor publiziert? Nach der Zahl der Semester, die Studenten bis zum Abschluss brauchen, oder nach den Durchschnittsnoten ihrer Abschlussarbeiten? Nach der Zahl der Bewerber oder nach der Zahl der Abbrecher? Nach eingeworbenen Drittmitteln oder neu gegründeten An-Instituten? Nach der Ausstattung der Labore und Bibliotheken oder nach der Auslastung eben dieser Labore und Bibliotheken?

Mit keinem dieser Indikatoren hat man restlos erfasst, was eine gute Uni wirklich ausmacht, und dennoch ist jeder dieser Indikatoren so komplex, dass er viele Fragen aufwirft. Beispiel Publikationen: Die so genannten Zitationsquoten bevorzugen Wissenschaftler, die ihre Ergebnisse häppchenweise anbieten und daher häufiger in Fachzeitschriften auftauchen als solche, die lange an einem komplizierten Aufsatz arbeiten. Und sie benachteiligen Disziplinen wie die Pädagogik, die vorrangig in Deutsch publizieren und deren Ergebnisse daher nicht in den maßgeblichen englischsprachigen Fachzeitschriften erscheinen.

Weil Hochschulvergleiche so schwierig und so teuer sind, haben einige ehemalige Ranking-Vorreiter das Feld geräumt und es dem CHE überlassen. Das Magazin Stern bietet nur noch ein nach Fächern sortiertes Ranking der Berufsaussichten (www.stern.de/jobampel). Diese "Jobampel" ist so simpel, dass jeder Schulabgänger sie auf Anhieb versteht: Architektur blinkt rot, schlechte Aussichten, Maschinenbau grün, gute Perspektiven. Der Spiegel hat sein letztes Ranking 1999 veröffentlicht. Heute befragt er Absolventen, wie weit sie es im Beruf gebracht haben, und zieht daraus Rückschlüsse auf die Hochschule.

Doch den ursprünglichen Zweck der Hochschul-Vergleiche, nämlich Orientierung bei der Wahl des Studiengangs zu bieten und die Unis zu konkurrierenden Unternehmen zu machen, erfüllen diese Rankings nicht. "Studenten wollen wissen, wo sie ein akzeptables Betreuungsverhältnis vorfinden", sagt Kay Manteuffel, Germanistikstudent und Fachschaftssprecher in Münster. "Worüber ihre Professoren forschen, wissen 80 Prozent der Studenten gar nicht. Und für die Erstwahl ist das auch nicht wichtig."

Beleidigte Profs

Eine "Exzellenzinitiative für die Lehre" hat sich der Präsident der Kultusministerkonferenz, Jürgen Zöllner, auf die Fahnen geschrieben. Doch die offiziellen Gremien tun sich schwer damit, eine Art Lehr-Ranking zu entwerfen. Der Wissenschaftsrat hat schon im Jahr 2004 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die ein Verfahren entwickeln soll, das die Lehrleistung von Professoren vergleicht und bewertet. Die Ergebnisse lassen auf sich warten. Die Verabschiedung von ersten Empfehlungen wurde nun für Anfang 2008 angekündigt.

Inzwischen sind die Studenten selbst zur Tat geschritten. Auf der Internetseite www.meinprof.de kann jeder Student seine Seminare bewerten. 200.000 Urteile über 30.000 Hochschullehrer versammelt die Plattform. Doch das Unterfangen geriet bereits ins Visier von Datenschützern. Beleidigte Dozenten fühlten sich an den Pranger gestellt und wehrten sich gegen die Benotung. "Ich würde jedem Anfänger raten: Fragt einfach andere Studenten, wie sie ihre Uni bewerten", sagt Manteuffel. Er selbst hat alle Warnungen in den Wind geschrieben und sich für Münster entschieden - einfach, weil ihm die Stadt gefällt. "In Erfurt kommt ein Professor auf sieben Studenten, in Münster ist das Verhältnis eins zu 200. Schlechte Lehre darf man nicht nur auf die Profs schieben - bei der Masse können die gar nicht anders."

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