Uni-Pläne von Sarkozy:Kampf gegen das eigene System

Sprösslinge aus guten Familien hatten es in Frankreich immer leichter. Nicolas Sarkozy fordert jetzt Gleichheit an den Universitäten.

J. A. Heyer

Nichts geringeres als die "besten Universitäten der Welt" möchte Nicolas Sarkozy für Frankreich. Ein hehres Ziel für den Präsidenten des einzigen OECD-Landes, das für seine Studenten im Durchschnitt bislang noch weniger staatliche Mittel ausgab als für seine Gymnasiasten.

Uni-Pläne von Sarkozy: Ihm selbst wurde schon Nepotismus vorgeworfen - trotzdem will Nicolas Sarkozy, dass künftig alle Studenten an Frankreichs Universitäten gleich sind.

Ihm selbst wurde schon Nepotismus vorgeworfen - trotzdem will Nicolas Sarkozy, dass künftig alle Studenten an Frankreichs Universitäten gleich sind.

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Allerdings hat Sarkozy diese Absicht nicht nur gewohnt unbescheiden geäußert, sondern ihr auch entsprechend Nachdruck verliehen: Ein Großteil der neuen Staatsanleihe, immerhin 35 Milliarden Euro, soll den Universitäten zukommen und diese endlich wettbewerbsfähiger machen. Während sich Studenten hierzulande gegen die Bologna-Reformen wehren, das Humboldtsche Bildungsideal als genuin deutsches hochhalten - das genau deshalb auch für deutsche Universitäten maßgeblich zu sein habe - kämpft man in Frankreich in jüngster Zeit gegen das eigene System.

Das sei eine "Ausgeburt an Elitismus", wie die Sozialistin Simone Veil die akademische Segregation zwischen Universitäten und den sogenannten Grandes Écoles einmal bezeichnet hat. Studierten im vergangenen Jahr an den rund 400 Eliteinstituten etwa 180.000 Studenten, waren an den 85 staatlichen Hochschulen zur gleichen Zeit anderthalb Millionen Studierende eingeschrieben.

Für eine Nation, die sich die Gleichheit, damit auch die Chancengleichheit, aufs Banner geschrieben hat, kommt dem nationalen Bildungswesen eine fast missionarische Bedeutung zu. Leistungsprinzip lautet das Schlagwort, das den Spagat zwischen Integration und Elitezüchtung, zumindest in der Theorie, schaffen soll.

Die Dankbarkeit hält sich in Grenzen

Allerdings sind die Grundwerte der Education nationale längst nicht mehr gewährleistet: Um die Einheit der Republik ist es eher schlecht bestellt, um die soziale Mobilität auch. Die Meritokratie in Frankreich hat gelitten seit 1789. Genau dieser wollte Sarkozy mit seinem "Gesetz zur Autonomie der Universitäten" wieder auf die Sprünge helfen.

Die Dankbarkeit der betroffenen Klientel über den Zugewinn an Eigenständigkeit hielt sich allerdings in Grenzen: Massenproteste, streikende Professoren, streikende Studenten. Die Universität sei kein Unternehmen, sie dürfe nicht privatisiert werden, schallte es in vorwurfsvollem Tenor aus den Demonstrationszügen. Als den Verantwortlichen in Paris das Gespenst vom Mai 1968 gar zu lebendig wurde, strich Hochschulministerin Valérie Pécresse einen Teil der Reformpläne von der Regierungsagenda.

Bewerbung per Dossier

Seit dem Jahreswechsel sind nun 53 der 85 französischen Hochschulen "autonom", soll heißen, sie können ihre Finanzmittel, das Lehrpersonal und ihre Räumlichkeiten selbst verwalten. Auch sollen normale Fakultäten und elitäre Kaderschmieden von nun an öfter dieselben Ressourcen nützen.

Ob derlei Reformambitionen allerdings tatsächlich dazu führen, die Ungerechtigkeiten dieses "dualen Systems" abzumildern, ist fraglich. Da mag noch so viel über den Umzug der berühmten Verwaltungshochschule Ena nach Straßburg sinniert werden; oder darüber, dass der dort ausgebildete Staatsadel sich von nun an selbst per Dossier bewerben muss.

Kleine Pflästerchen auf den Wunden der République

Auch die gesonderten Aufnahmeprüfungen für "sozial Benachteiligte" sind allenfalls kleine Pflästerchen auf den Wunden der République une et indivisible. An der Spitze Frankreichs mögen vielleicht die Besten stehen - nicht von ungefähr sind das jedoch Sprösslinge aus den "besten Familien": Söhne und Töchter von Akademikern. Nach wie vor liegt die Quote der Arbeiterkinder an Schulen wie Ena, Sciences Po oder der École Polytechnique bei zwei Prozent.

Der Historiker Marcel Gauchet bezeichnet die Universitätsreform als "Paradebeispiel für die Schwierigkeiten der französischen Gesellschaft, ihr gewachsenes republikanisches Modell einer internationalen Entwicklung anzupassen". Dabei ist dieses republikanische Modell inzwischen doch ziemlich verkrüppelt.

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