Süddeutsche Zeitung

Unbeliebte Unternehmensberater:Nur nicht untergehen

Sie gelten als arrogant und besserwisserisch. Mit Misstrauen und Skepsis im Unternehmen müssen Berater leben. Und manchmal hilft nur ein Projektwechsel - oder Begleitschutz.

Juliane Lutz

Das schwäbische Unternehmen hatte Berater für die Restrukturierung engagiert. Oliver Schmidt erinnert sich nur ungern an sie. "Die Firmenmitarbeiter ließen sie in dem Glauben, mit ihnen in den Workshops über mögliche Vorgehensweisen diskutieren zu können. Dabei war deren Entlassung längst entschieden", sagt der Betriebswirt, der seinen Namen nicht in der Zeitung sehen möchte.

Seit kurzem muss sich der 36-Jährige bei seinem aktuellen Arbeitgeber erneut mit externen Spezialisten auseinandersetzen. "Da kommen ein paar Leute von außen, verschaffen sich rasch einen Überblick und glauben, dass sie uns ihr mehr oder weniger vorgefertigtes Konzept aufdrücken können", wundert sich Schmidt. Er beobachtet, dass Kollegen den Weg des geringsten Widerstands gehen, wenn Berater im Haus sind. "Ein hochrangiger Manager meinte neulich zu mir, dass wir alles tun sollten, die Berater schnellstmöglich loszuwerden, um dann wieder so arbeiten zu können wie bisher."

Es gibt in der Tat beliebtere Berufsgruppen als Unternehmensberater, vor allem, wenn sie für die großen Strategiehäuser arbeiten. Ihre Ankunft wird oft mit einem bevorstehenden Arbeitsplatzverlust gleichgesetzt. Und wer plötzlich externe Experten vor die Nase gesetzt bekommt, dem wird klar, dass der Glaube der Chefetage an die Fähigkeiten der eigenen Leute begrenzt ist.

Dabei ist der Weg des geringen Widerstands nur eine Möglichkeit der Belegschaft, Ablehnung zu zeigen. Es gibt kaum Berater, denen nicht schon falsche Daten geliefert oder wichtige Informationen vorenthalten wurden. In extremen Fällen werden sie angeschrien, als Leichenfledderer beschimpft, oder sie können gar nur mit Geleitschutz die Auftraggeberfirma betreten. Doch mit Ablehnung klarzukommen, ist eben auch Teil des Beraterjobs, der von vielen Menschen hauptsächlich mit Geld und der Mitgliedschaft im "Hon Circle" der Lufthansa gleichgesetzt wird.

"Keiner schaute mich an, und es lag eine aggressive Stimmung in der Luft", erinnert sich Burkhard Wagner an seine Zeit als Berufsanfänger im Consulting. "Bei manchen Projekten hatte ich keine Lust, am Montagmorgen wieder zur Arbeit zu gehen." Doch das ist lange her. Heute weiß der Geschäftsführer beim Beratungsunternehmen Kienbaum, dass die richtige Kommunikation von Anfang an entscheidend ist. "Die Geschäftsführung muss vorher die Belegschaft über die Hintergründe, die Zielsetzung und die Beteiligten des Projekts informieren", sagt er. Danach ist es an den Beratern, für die notwendigen Schritte zu werben. "Wir sehen uns mittlerweile auch als eine Art moderierende Coaches, die versuchen, möglichst alle Mitarbeiter ins Boot zu holen."

Zuhören spielt dabei eine wichtige Rolle. "Ich wurde oft als Berater bei schwierigen Kunden eingesetzt, weil ich sie zu nehmen wusste, indem ich offen auf sie zuging und sie anhörte", sagt Frank Roth, der acht Jahre lang Firmen beriet. Wer dagegen glaubt, als externer Spezialist automatisch Recht zu haben, weil er in Harvard ausgebildet wurde, verstärkt nur die Aversionen. "Ich erkläre den jungen Kollegen stets, dass Arroganz fehl am Platz ist. Stattdessen gilt es zuzuhören, kritikfähig zu sein und mit begründeten Argumenten zu überzeugen", sagt Kienbaum-Geschäftsführer Wagner.

Ein Vorurteil kommt immer wieder

Ebenso wichtig sei es, die Leute möglichst rasch auf seine Seite zu ziehen. Ein erster Schritt ist die Besetzung von Projektteams mit Consultants und wichtigen Mitarbeitern der betroffenen Firmen. "Wir beziehen von Anfang an die Chefs der involvierten Abteilungen ein, ob das der Controller oder der Meister ist, und hören uns ihre Meinung an", sagt Jörg Lennardt, Chef der Mittelstandsberatung ExperConsult. Das vermittle den Leuten das Gefühl, nicht hilflos zusehen zu müssen, wie andere von außen die Firma umgestalten. Die Folge: Die Mitarbeiter sind kooperativer.

Mit einem Vorurteil haben Unternehmensberater immer wieder zu kämpfen: Sie beanspruchten Einsichten für sich, die bereits im Unternehmen bekannt waren. "Ich erkenne die Urheberschaft an und ermuntere dazu, dass wir aus diesem Wissen gemeinsam neue Erkenntnisse ziehen", sagt Ernst Hoffmann, Partner bei Deloitte. Hoffmann, der seit fast 18 Jahren in der Branche tätig ist, beobachtet immer wieder, wie sehr sich Fingerspitzengefühl auszahlt: "Bei Deloitte fahren wir nur in angemessenen Dienstwagen vor, passen uns in der Kleidung dem jeweiligen Unternehmen an und gehen notfalls zu unterschiedlichen Zeiten zum Mittagessen, um in der Kantine nicht als Störfaktor aufzufallen."

Psychologische Tricks helfen

Manchmal aber nützen alle psychologischen Tricks nichts, etwa wenn der Berater in einem Projekt arbeitet, das zu Kostensenkungen führen soll. "In diesem Fall wird man zu den Leuten in der Firma nie ein freundschaftliches Verhältnis aufbauen", sagt Roth. Er brachte sich bei, in schwierigen Situationen an die Notwendigkeit seines Jobs zu glauben, um sachlich zu bleiben und die Ablehnung zu ertragen: "Dann hilft nur der Gedanke, dass man in ein paar Monaten wieder woanders ist."

Manchmal gehört es sogar zum Auftrag, einem Geschäftsführer beizubringen, dass er fehl am Platz ist. "Das ist unangenehm, aber auch dann muss man offen reden. Die meisten kooperieren, da sie ja mit einem guten Zeugnis die Firma verlassen und woanders wieder einen guten Job finden wollen", sagt Mittelstandsberater Lennardt. Zu seinem Erstaunen stellt er fest, dass manch ein hochrangiger Manager froh über ein ehrliches Gespräch war, nämlich "wenn er sich in der Position schon länger nicht mehr wohl fühlte, aber dies erst einem Externen anvertrauen konnte".

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Quelle:
SZ vom 20.11.2010/holz
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