UN-Praktikant:Zelten im Anzug

David Hyde

David Hyde neben seinem Zelt.

(Foto: Patrick Gilliéron Lopreno)
  • Ein 22-jähriger neuseeländischer UN-Praktikant zeltet aus Geldmangel am Genfer See - und löst damit einen medialen Aufschrei aus.
  • Die UN rechtfertigt die Tatsache, dass sie ihre Praktikanten nicht entlohnt, mit Verweis auf eine Resolution der UN-Vollversammlung.
  • Genf, wo sich einer der beiden Hauptsitze der UN befindet, gilt als eine der teuersten Städte der Welt.

Von Johannes Böhme

"Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung", so steht es in der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Seit Jahrzehnten setzen sich die UN für gerechte Bezahlung ein. Umso verständnisloser waren die Reaktionen im Netz und in den Medien auf den Fall des 22-jährigen Neuseeländers David Hyde, der als Praktikant bei der UN in Genf in einem Zelt übernachtete.

Nach einem großen medialen Aufschrei hat sich Hyde mittlerweile dazu entschlossen sein Praktikum abzubrechen. Die Debatte um den Fall ist damit aber noch nicht beendet. Denn: Die UN bezahlt ihre Praktikanten nicht nur schlecht. Sie bezahlt ihre 162 Praktikanten in Genf gar nicht. Dabei ist Genf, wo eines der zwei Hauptquartiere der Organisation steht, eine der teuersten Städte der Welt - teurer als Paris, London oder New York.

Bügelfreie Hemden und ein Bad im See

In der Tat ist der Fall kurios: Hyde hatte sein Zelt am Ufer des Genfer Sees aufgeschlagen. Er hatte bügelfreie Hemden getragen, seinen Anzug abends sauber zusammengelegt mit ins Zelt genommen, sein Essen auf einem Campingkocher zubereitet, sich morgens im See gewaschen ("So kalt ist es nicht. Es weckt einen morgens gut auf") und seine Campingsachen morgens mit zur Arbeit genommen.

An seinem Platz direkt am Genfer See war er dabei in guter Gesellschaft: direkt nebenan war der UN Club de Plage - der UN Beach Club, wo Diplomaten und hohe UN Beamte unter weißen Sonnenschirmen auf den Genfer See blicken. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung meint Hyde: "Für mich war die Sache mit dem Zelt einfach eine praktische Lösung. Warum also nicht? Wenn ich den Sommer über im Zelt gelebt hätte, hätte ich hoffentlich genug Geld sparen können, um vielleicht im Winter dann ein Zimmer zu mieten."

"Es war gar nicht so schlimm"

Hyde, der unter anderem an der prestigeträchtigen französischen Kaderschmiede Sciences Po studiert hat, betont dabei, dass es ihm nie um Mitleid ging. Campen sei für ihn keine schlechte Lösung gewesen: "Es war gar nicht so schlimm. Die Polizei hat mich in Ruhe gelassen. Ich wurde einige Male von Leuten geweckt, die nachts gebrüllt haben. Insgesamt war es aber nicht so schlecht." Nur um kurze Zeit später nachzuschieben: "Natürlich wäre es besser, wenn ich nicht in einem Zelt übernachten müsste."

Die UN hat mittlerweile auf den Fall reagiert. Ihr Genfer Sprecher Ahmad Fawzi erklärte, dass die UN aufgrund einer Resolution der UN-Vollversammlung Praktikanten leider gar nicht bezahlen dürfe. Dies könne nur geändert werden, wenn sich die Weltgemeinschaft auf eine neue Resolution einigen würde.

Die UN konnte jedoch am Donnerstag die entsprechende Resolution zunächst nicht finden. Stattdessen könnte es sich auch nur um eine administrative Verfügung handeln, die sehr viel einfacher zu ändern wäre. UN-Sprecher Fawzi kündigte an, die Verwirrung um die Regelung bis Freitag auszuräumen. Fawzi betonte, dass viele in der UN Praktikanten gerne bezahlen würden. "Die Regeln müssen eigentlich geändert werden."

Die UN empfiehlt, bei Freunden unterzukommen

Gleichzeitig unterstrich Fawzi, dass die UN ihre Angestellten durchaus unterstütze. So gäbe es etwa Vergünstigungen bei den Mahlzeiten in der Cafeteria und Hilfe bei der Suche nach günstiger Unterbringung in Familien. Fawzi betonte, dass Studenten auf der ganzen Welt davon träumten, bei der UN ein Praktikum zu machen und meinte: "Es gibt immer Wege diese Hindernisse zu bewältigen. Man kann sich Hilfe von Freunden oder Familie holen. Es gibt Stipendien. Man kann bei Freunden in Brüssel, Genf oder New York unterkommen. Und im Notfall kann man einen Kredit aufnehmen."

"Das stimmt nicht", hält André Alves Dos Reis dagegen, von der Initiative "Pay Your Interns", die sich für die Bezahlung von Praktikanten im UN-System einsetzt. "Besonders für Menschen aus der dritten Welt ist es extrem schwer, die Mittel zusammenzubekommen." Die Initiative setzt sich dafür ein, dass UN-Praktikanten ein Stipendium bekommen, welches die Lebenshaltungskosten in Genf deckt. "Wir sind nicht gegen die UN. Wir möchten nur, dass sie sich an ihre eigenen Prinzipien hält."

David Hyde hat sein Praktikum bei der UN unterdessen abgebrochen. Am Mittwoch sagte er, dass er freiwillig seinen Platz räume, weil das mediale Interesse seine Arbeit unmöglich mache. Am Abend zuvor hatte er im Gespräch mit der Süddeutschen noch betont, wie gerne er dort arbeite. "Die UN macht wirklich einen fantastischen Job. Natürlich würde ich dort gerne arbeiten", meinte er, sichtlich aufgewühlt. Mehrfach betonte er, dass er nun Angst habe sein Praktikum nicht weitermachen zu können. Nur wenige Stunden später ging er dann - aus freien Stücken wie er betonte - nicht ohne noch ein letztes Mal die Praktikantenpolitik zu kritisieren: "Nennt mich jung und idealistisch, aber ich denke nicht, dass das ein gerechtes System ist."

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