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UN: Intime Fragen an Bewerberinnen:Nehmen Sie die Pille?

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Frauen müssen sich bei den Vereinten Nationen Bewerbungsfragen über Menstruationszyklen und Verhütung gefallen lassen. Alles völlig rechtmäßig - und muss so sein, betont ein UN-Sprecher.

Timofey Neshitov

Ist Ihre Periode regelmäßig? Ist sie schmerzhaft? Müssen Sie während der Periode im Bett bleiben? Und wenn ja, wie lange? Und: Wann hatten Sie denn zuletzt Ihre Tage?

Werden diese Fragen von einem Frauenarzt gestellt, dann ist das völlig okay. Bewirbt sich aber eine Frau auf einen Job als Sekretärin im Hauptquartier der Vereinten Nationen und wird zu den eigenen Menstruationszyklen ausgefragt, dann ist die Gegenfrage berechtigt: Muss das denn unbedingt sein?

Ja, es muss sein, heißt es bei den UN in New York. Dort gibt es einen Fragebogen mit dem unspektakulären Namen "Medical clearance for employment", zu Deutsch: medizinische Freigabe für die Einstellung. Egal auf welchen Posten sich eine Frau bewirbt - als Helferin in einem Flüchtlingslager im Kongo, als Sekretärin des Generalsekretärs, als Köchin bei der Atomenergiebehörde - jede unterzieht sich einem Gesundheitscheck. Auch männliche Bewerber müssen Fragen zur Gesundheit beantworten - ob sie schon mal Blut gehustet haben, oder ob der Vater an Herzproblemen leidet. Punkt 24 aber ist gänzlich Frauen gewidmet. Genauer: ihrer Intimsphäre.

Farhan Haq, Sprecher des UN-Generalsekretärs, nimmt sich Zeit, um die Zweckmäßigkeit der Fragen zur Periode zu erklären. Man wolle "sicherstellen, dass keine Mitarbeiterin in ein Gebiet geschickt wird, in dem ihre Gesundheit in Gefahr geraten könnte." Wie oft aber wird eine Köchin der Atomenergiebehörde aus Wien zu Malaria-Kranken nach Nigeria geschickt? Müssen denn Führungskader wie die Unesco-Chefin Irina Bokova auch mitteilen, wann sie zuletzt ihre Tage hatten? Gibt es Altersgrenzen? Dazu sagt der UN-Sprecher nichts.

"Mich hat dieser Fragebogen gewundert und geärgert", sagt eine junge Akademikerin, die sich kürzlich bei einer großen UN-Behörde bewarb. "Man wird auf etwas reduziert, was man im 21. Jahrhundert nicht mehr sein will." Sie weigerte sich, die Fragen zu beantworten und reichte ein Beschwerdeschreiben ein. Bisher hat sie keine Antwort bekommen. Den Job hat sie auch nicht bekommen. Aber sie hofft noch und will deswegen anonym bleiben. "Ich stehe am Anfang meiner Karriere, ich will keinen Ärger."

Alles "streng vertraulich"

Was die vorläufig gescheiterte Bewerberin noch mehr geärgert hat als die Fragen zur Periode, ist der zweite Teil von Punkt 24: Nehmen Sie Verhütungspillen? Wenn ja, seit wie vielen Jahren? "Die Fragen zielen eindeutig auf meine Familienplanung ab. Das geht niemanden was an." Und solche Bewerbungsfragen sind außerdem in vielen Ländern dieser Welt verboten. Die Europäische Datenschutzrichtlinie etwa erlaubt keine Fragen zum Sexualleben.

Doch Datenschutz auf der Ebene der Vereinten Nationen, das ist eine nebulöse Angelegenheit. Eine Einigung in derlei Fragen zu erzielen, etwa zwischen China und Schweden, dürfte ohnehin schwierig sein. Deswegen beschränkt sich Datenschutz bei den UN auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, ein Dokument deklaratorischer Art, dessen Artikel 12 "willkürliche Eingriffe in das Privatleben und die Familie" verurteilt.

Farhan Haq, der UN-Sprecher, versichert, die Fragen zur Pille dienten ausschließlich dem Schutz ungeborenen Lebens. Vor Einsätzen in Krisenregionen würden Mitarbeiter geimpft, gewisse Impfstoffe könnten dem Fötus schaden. "Diese Informationen werden streng vertraulich gehandhabt", betont er. "Sie haben keinen Einfluss auf die Entscheidung, ob jemand eingestellt wird oder nicht." Gestellt werden die Fragen aber vor der Einstellung.

Die junge Akademikerin fühlt sich jetzt "irgendwie diskriminiert". Aber vielleicht wird sich das ja bald ändern. Denn was hatte Generalsekretär Ban Ki Moon kürzlich bei der Gründung der UN-Antidiskriminierungsagentur UN Women erklärt? "UN Women wird die Bemühungen der Vereinten Nationen verstärken, weltweit Geschlechtergleichheit zu propagieren, gleiche Chancen zu gewährleisten und Diskriminierung zu bekämpfen."

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Quelle:
SZ vom 24.03.2011
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