Umgang mit Kollegen:Geheult wird höchstens auf dem Klo

Büro Kollegen Büroalltag

Kumpel oder Konkurrent: Für den richtigen Umgang mit Kollegen braucht es Fingerspitzengefühl.

(Foto: iStockphoto)

Die einen grüßen nicht mal, die anderen machen auf bester Freund oder breiten ihre Eheprobleme am Konferenztisch aus. Im Umgang mit den Kollegen gibt es die verschiedensten Strategien. Folgenlos bleibt keine.

Von Sibylle Haas und Angelika Slavik

Da gibt es solche, die morgens nicht mal grüßen. Und andere, die ihre Eheprobleme gerne am Konferenztisch erörtern möchten. Es gibt solche, die in alle Richtungen schleimen und andere, die schlechtes Benehmen für eine Demonstration ihrer Führungsstärke halten. Ja, im Umgang mit Kollegen gibt es viele unterschiedliche Strategien - und alle haben Konsequenzen. Ein Überblick.

Krieger oder Kumpel

Die Gretchenfrage lautet: Definiert man seine Kollegen als Ersatzfamilie? Oder als Gegner, die es am Weg nach oben schnell und effizient auszuschalten gilt?

Wer sich verbrüdern möchte, hat auf den ersten Blick eine Menge Vorteile. Kumpel-Kollegen müssen niemals alleine in die Betriebs-Kantine. Sie finden auch immer jemanden, der noch ein Feierabendbier mit ihnen trinkt. Und vor allem: Sie haben weniger Stress. Kein Gezanke, kein Gezicke. Allerdings birgt die Wir haben uns alle lieb-Strategie auch ein großes Risiko: Denn während man selbst im Kuschelmodus seine beruflichen Ziele mitunter ein wenig aus den Augen verliert, ziehen die Kollegen im Rennen um die nächste Beförderung womöglich freundlich lächelnd an einem vorbei. Kollege Kuschelbär bleibt übrig.

Zweimal überlegen, wen man ins Vertrauen zieht

Dazu kommt die Frage, wie weit die Kumpanei unter Kollegen gehen kann - bis hin zu Gehaltsfragen? Klar, die Idee, sich zusammenzutun, um in einer konzertierten Aktion beim Chef mehr Geld rauszuholen, klingt reizvoll. Doch die Münchner Gehaltsexpertin Claudia Kimich rät speziell bei dieser Thematik zur Vorsicht: "In Deutschland definieren wir uns sehr stark über das Einkommen", sagt sie. Deshalb sei die Sensibilität in diesem Bereich sehr hoch - wer weniger verdient, fühlt sich schnell auch persönlich zurückgesetzt. Was als vertraulicher Austausch gedacht war, erzeugt dann mitunter Neid und Missgunst. Es könne deshalb zum Bumerang werden, seine Kollegen über das eigene Gehalt zu informieren. "Es gibt die Gefahr, dass diese Information dann in einer Konfliktsituation benutzt wird", sagt Kimich. Wer also beim nächsten kleinen Patzer nicht hören will, dass man ja "offensichtlich überbezahlt" sei, sollte zweimal überlegen, wen er ins Vertrauen zieht.

Wer Kollegen gar nicht erst als Freunde betrachtet, erspare sich dagegen viele unangenehme Situationen, meint etwa Business-Coach Monika Scheddin. "Zwei, die in der gleichen Firma arbeiten, haben oft konkurrierende Ziele." Das beginne bei der Urlaubsplanung und gehe bis zum Kampf um den Chefposten. "Wenn man da anfängt, die Dinge persönlich zu nehmen, ist das weder für die Karriere hilfreich noch für die Freundschaft." Wenn es blöd läuft, nimmt am Ende beides Schaden.

Zu viel Emotion ist hinderlich

Menschen sind vielschichtig. Sie haben mitunter schräge Hobbys oder sie sind verliebt in einen ausnehmend unattraktiven Mann. Vielleicht neigen sie auch zur Rührseligkeit oder sie rufen dreimal pro Arbeitstag bei ihren Kindern an, nur zur Sicherheit. Die Frage ist: Müssen Kollegen das wissen? Sollten sie uns kennen, mitsamt all unseren Schwächen und Vorlieben, weil dies das wechselseitige Verständnis fördert? Oder macht man sich damit bloß angreifbar?

Es gibt Experten, die empfehlen, sich ein sogenanntes Business-Ich zuzulegen. Also zu definieren, wofür man im Job stehen will und genau das dann auch auszustrahlen - und nichts darüber hinaus. Konzept Arbeitsroboter sozusagen. Da bleiben die Familienfotos in der Schublade und die privaten Urlaubspläne mindestens so geheim wie das Budget der Abteilung. Aber ist einer, der immer aalglatt und unnahbar ist, nicht auch - unsympathisch? Steht so einer nicht automatisch immer alleine da? Und könnte nicht genau das am Ende zum Karrierehemmnis werden?

Sparsam mit privaten Informationen

Coach Scheddin findet, "Platz für Persönlichkeit sollte schon sein. Und dazu gehören eben auch Macken". Allerdings dürfe man es damit nicht übertreiben, zu viel Emotion sei im Job hinderlich - ob es nun darum ginge, Unangenehmes anzusprechen oder Kritik auszuhalten. Im Klartext: Geheult wird höchstens auf dem Klo.

Auch mit privaten Informationen sollte man haushalten: Ein paar nette Anekdoten aus dem Urlaub können zwischendurch die Stimmung auflockern. Eheprobleme erörtert man besser nicht in diesem Umfeld. Wer es mit der Mitteilungsfreudigkeit übertreibt, riskiere, hauptsächlich über diese private Seite wahrgenommen zu werden. Berufliche Qualitäten gerieten dann in den Hintergrund - und manche sind genervt, wenn private Geschichten jede Teamsitzung unnötig in die Länge ziehen.

Rüpel oder Gentleman

Ob man im Job nun eher ein kompetitives oder ein kumpelhaftes Selbstverständnis entwickelt, sagt freilich noch nichts über die Fassade. Was hilft weiter? Hemdsärmeligkeit oder Etikette?

Agnes Anna Jarosch ist Gründerin und Leiterin des "Deutschen Knigge-Rates", eines Expertenkreises für zeitgemäße Umgangsformen. Jede Firma habe eine eigene Kultur, doch Höflichkeit, Respekt und Wertschätzung kommen immer gut an, sagt sie. Im Alltag seien es eher die Kleinigkeiten, die für Zwist sorgen: Das laute Telefonat, zu viel Parfum oder kein Deo. Gerade im Großraumbüro sei Rücksicht gefragt: Wer die Nasen, Ohren und die Geduld seiner Kollegen überstrapaziert, katapultiere sich ins Aus. Manieren signalisierten dagegen auf subtile Art: Ich respektiere dich, ich verstehe dich, ich bin dir gewachsen.

Benehmen den Unternehmenswerten anpassen

Allerdings könne man sich auch zu gut benehmen: "Es hängt von den Unternehmenswerten ab", sagt Jarosch. Steht die Firma für Bodenständigkeit oder Exklusivität, für Beständigkeit oder für Innovation? Wer sich in einem konservativen Betrieb bei einer Besprechung auf den Platz vom Chef setze, auffallend besser gekleidet sei als er und ihm ins Wort falle, signalisiere damit, dass er die Hierarchie nicht akzeptiert. "Er muss mit Widerständen und Problemen rechnen", warnt Jarosch.

Schwierig sei es, wenn ein Mitarbeiter mit dem Chef befreundet ist. "Wenn man sich dann im Job nicht auf die berufliche Rolle beschränkt, kann das der Karriere beider schaden", warnt Jarosch.

Wer sich mit den Werten und Umgangsformen seines Unternehmens gar nicht arrangieren könne, sei vermutlich in der falschen Branche, meint die Expertin. "Ein Freigeist leidet unter der Bürokratie in einer konservativen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft genauso wie ein Traditionalist unter der Duz-Vorschrift bei Ikea", sagt Jarosch. In solchen Fällen sei es besser, das Unternehmen zu verlassen als zu bleiben. "Sonst können Konflikte eskalieren."

Business-Coach Scheddin allerdings sieht auch in der Taktik der konfliktfreudigen Rüpel zumindest kurzfristige Vorteile: "Die werden von vielen unangenehmen Dingen verschont, weil sich die anderen den Ärger nicht antun wollen." Allerdings, glaubt die Expertin, sei es in Fragen des Benimms ohnehin fast aussichtslos, sich eine Strategie zurechtzulegen: "Unter Stress", sagt Scheddin, "werden die Menschen immer zu denen, die sie wirklich sind."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: