Überwachung am Arbeitsplatz:Bespitzelt und abgehört

Die Bundesregierung bringt ein Gesetz auf den Weg, das die Daten von Arbeitnehmern besser schützen soll. Aber wann darf der Arbeitgeber trotzdem heimlich filmen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Sibylle Haas

Die Ausspäh-Affären bei der Bahn, Lidl, Telekom und anderen Firmen hatten die Öffentlichkeit alarmiert: Der Schutz von Arbeitnehmerdaten hierzulande ist schlechter als oft angenommen. Vorgesetzte scheuen sich nicht, Mitarbeiter heimlich zu filmen, sie in ihrer Freizeit auszuspionieren, E-Mails zu kontrollieren oder Telefone abzuhören. Damit soll nun Schluss sein. Nach langem Ringen einigte sich die Bundesregierung auf einen Gesetzesentwurf zum Arbeitnehmer-Datenschutz. Wichtiger Punkt: die heimliche Videoüberwachung wird verboten. Wehren können sich Mitarbeiter allerdings bereits heute, wenn ihre Daten missbraucht werden.

Video-Überwachungskamera am Auswärtigen Amt in Berlin, 2003

Die heimliche Video-Überwachung am Arbeitsplatz wird verboten - in Ausnahmen bleibt sie jedoch möglich.

(Foto: dpa)

Was können Betroffene tun?

"Sie brauchen einen Betriebsrat, der seine Überwachungsaufgaben ernst nimmt", sagt die Arbeitsrechtlerin Helga Nielebock vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Das gelte auch beim Datenschutz. Arbeitnehmer können den Arbeitgeber auffordern, die Daten offen zu legen, die über sie gespeichert sind. Und sie können auf Unterlassung klagen, wenn er die Daten unberechtigt verwendet. Allerdings, so die DGB-Juristin, würden die meisten dies nicht tun, weil sie Angst vor Repressalien hätten. "Deshalb fordern wir hier das Recht, dass Verbände für ihre Mitglieder klagen können", sagt Nielebock. Georg-R. Schulz, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Kanz Hans Schulz, betont, dass Arbeitnehmer nicht verpflichtet seien, "in die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung ihrer persönlichen Daten einzuwilligen".

Ist die heimliche Videoüberwachung nicht heute schon verboten?

"Das ist geltendes Recht nach der Rechtsprechung und müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein und nichts Besonderes", sagt DGB-Juristin Nielebock. Arbeitsrechtler Manfred Schmid von der Anwaltskanzlei MLawGroup, befürwortet das Verbot der heimlichen Videoüberwachung: "Arbeitnehmer sollten nicht ständigem Überwachungsdruck ausgesetzt sein und unter Generalverdacht gestellt werden".

Gibt es Ausnahmen?

Heimliches Filmen ist nur in Ausnahmefällen erlaubt, etwa bei Diebstahl. "Bei einem dringenden Verdacht sollte die Überwachung möglich sein", meint Stefan Seitz, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Schlütter, Bornheim Seitz. In solchen Fällen müsse ohnehin der Betriebsrat zustimmen. "Damit ist eine Willkür ausgeschlossen", sagt Seitz. Auch Rechtsanwalt Manfred Schmid hält es für richtig, dass Arbeitgeber bei einem konkreten Straftatverdacht oder bei erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen Mitarbeiter heimlich kontrollieren dürfen.

Dürfen Arbeitgeber Telefongespräche abhören oder E-Mails kontrollieren?

Telefongespräche dürfen nicht abgehört werden, sagen die Arbeitsrechtler. Es sei denn, es gibt den konkreten Verdacht einer Straftat, oder der Arbeitnehmer hat eingewilligt. Das könnte dann der Fall sein, wenn die Qualität der Telefonate überprüft werden soll, etwa bei Mitarbeitern in Call Centern. DGB-Arbeitsrechtlerin Nielebock weist darauf hin, dass dienstliche E-Mails kontrolliert werden dürfen, in welchem Rahmen und unter welchen Voraussetzungen sei aber umstritten.

Wie kann man sich davor schützen, dass der Arbeitgeber persönliche Daten unberechtigt nutzt?

"Indem sie insbesondere betriebliche Kommunikationsmittel nicht zu privaten Zwecken nutzen", empfiehlt Stefan Kursawe, Partner und Leiter der Arbeitsrechtspraxis bei Heisse Kursawe Eversheds. Mitarbeiter sollten sogar darauf verzichten, auch wenn es der Arbeitgeber gestattet hat. Ähnlich sieht dies Arbeitsrechtler Seitz: "Arbeitnehmer sollten darauf verzichten, überhaupt private Daten wie Urlaubsbilder, Geburtstagsvideos oder Arzttermine im Outlook-Kalender im dienstlichen Umfeld zu speichern".

Was bringt ein Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz überhaupt?

Es könnte den Umgang mit personenbezogenen Daten von Arbeitnehmern stärker regulieren und dadurch die Beschäftigten besser schützen, meint Stefan Kursawe. Auch Georg R. Schulz ist der Ansicht, dass ein strenges Gesetz die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer schützt. "Ein echter Beschäftigtendatenschutz verhindert, dass all das, was heute im Bereich der Überwachung technisch bereits möglich ist, tatsächlich auch zur Anwendung kommt. Sogenannte gläserne Belegschaften darf es nicht geben", sagt Schulz.

Brauchen wir überhaupt ein Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz?

"Ja", meint Rechtsanwalt Schmid. "Die zahlreichen Datenschutzskandale der vergangenen Jahre zeigen, dass die Sitten teilweise verroht sind. Arbeitgeber missachten die Rechte der Arbeitnehmer teilweise eklatant in nicht akzeptabler Weise", sagt Schmid weiter. Ein Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz könne Regeln vorgeben und das gestörte Vertrauen der Arbeitnehmer in den Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte wieder stärken. Das Gesetz dürfe aber nicht dazu führen, dass den Arbeitgebern die Bekämpfung der Korruption erschwert wird.

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